Eva Milner ist eine Musikerin mit Lohrer Wurzeln. Die 39-Jährige feiert zusammen mit ihrem Bruder Philipp seit zehn Jahren mit der Elektropop-Band Hundreds Erfolge. Die inzwischen in Würzburg lebende Sängerin hatte für 2020 eigentlich ein Tour-Jahr eingeplant. Wie sie es stattdessen kreativ genutzt hat und was man unter ihr als Bundeskanzlerin erwarten dürfte, erzählte sie dieser Redaktion vor dem Lockdown im Skype-Interview.
FRAGE: Wie hat die Corona-Pandemie Sie und Ihre Kunst beeinflusst?
EVA MILNER: Wir haben im März unser Album veröffentlicht, was eine ziemlich dumme Idee war (lacht). Wenn wir das vorher gewusst hätten, hätten wir es vielleicht anders gemacht. Aber unsere Kunst hat das jetzt insofern beeinflusst, dass wir quasi wieder in den back-to-the-Studio-Modus gegangen sind, über's Jahr drei EPs veröffentlicht haben und in Kürze auch unser Januar-Konzert in der Hamburger Elbphilharmonie auf Platte herausbringen. Insofern hat es uns auf jeden Fall ein kreativeres Jahr beschert, als wenn wir das ganze Jahr getourt wären, weil auf Tour schreibt man natürlich nicht so viel.
Wir haben jetzt tatsächlich auch schon neue Songs für's nächste Album geschrieben. Und ansonsten wird sich diese Phase jetzt noch relativ lange weitertragen, weil dadurch, dass du quasi von außen gezwungen warst, deine Kunst und vielleicht auch deine Berufswahl ein bisschen infrage zu stellen, hat es sich bei mir eher noch verfestigt, dass ich das auf jeden Fall weitermachen möchte. Das klingt jetzt sehr positiv, aber es gab dieses Jahr definitiv auch sehr schwere Zeiten.
Was halten Sie von der Corona-Politik die Kunstszene betreffend?
MILNER: Ich habe immer so das Gefühl, im Großen wird viel gemacht, aber im Detail fallen dann halt viele Leute durchs Raster. Zum Beispiel unsere komplette Live-Crew, die ja nur von Veranstaltungen lebt, denen ist ja wirklich alles weggebrochen und für die wurde auf jeden Fall viel zu wenig gemacht. Das finde ich total schwierig, weil's eine große Branche ist und ich habe das Gefühl, dass das von der großen Politik und auch den Normalverbrauchern nicht so ganz ernst genommen wird – obwohl sie dann alle gerne hingehen. Für uns in Bayern war's jetzt echt ok, aber bundesdeutsch betrachtet wäre es anstelle föderaler Kleinteiligkeit besser gewesen, wenn es eine zentrale Lösung gegeben hätte, wie zum Beispiel in England. Dass man schaut, was hat derjenige 2019 verdient – so wie die jetzige Novemberhilfe, aber auf's ganze Jahr hin betrachtet. Das wäre eine viel fairere und generell eine viel einfachere Lösung gewesen.
Wie kommen Sie derzeit über die Runden? Haben Sie finanzielle Hilfen bekommen?
MILNER: Wir als Hundreds haben das Jahr mithilfe staatlicher Unterstützung finanziell tatsächlich überstanden. Dabei haben wir natürlich auch Erspartes aufgebraucht. Wir haben Anfang des Jahres die Corona-Soforthilfen bekommen, die konnte man aber nur für Betriebskosten ausgeben – die wir dann ja nicht hatten, weil wir nicht auf Tour gefahren sind (lacht).
Dann gab es die Künstlerhilfen aus Bayern und ich habe jetzt noch ein Stipendium vom deutschen Musikfonds bekommen für die nächsten sechs Monate. Das sind 1000 Euro im Monat. Wir haben das in Anspruch genommen und sind damit über die Runden gekommen. Mal gucken, wie sich das im nächsten Jahr entwickelt. Es ist halt einfach unsicher, aber wenn ich etwas kann, dann mit Unsicherheit leben.
Warum ist die Kunst für unser Land gerade jetzt wichtig?
MILNER: Ganz einfach kann man sagen, die Kunst und Kultur hilft einem ja immer dabei, seinen Alltag zu vergessen und gerade jetzt, wo so vieles unsicher ist, ist das natürlich wichtig. Und Musik und Kunst gibt natürlich auch immer in einer Form Hoffnung oder schenkt einem Momente, die einfach in Erinnerung bleiben.
Generell ist die Aufgabe der Kunst, dass man das gesellschaftliche Leben in irgendeiner Form reflektiert – ich glaube, da werden jetzt noch viele spannende Sachen entstehen aus dieser Phase. Ich persönlich finde die Kunst natürlich total wichtig, ich glaube aber, dass es auch vielen anderen Leuten so geht. Zusammenfassend würde ich sagen: Kunst und Kultur ist immens wichtig für die Volkspsyche.
Was wünschen Sie sich derzeit am meisten für die Zukunft?
MILNER: Wäre ich Bundeskanzlerin, würde ich jetzt sagen: Heute gehen wir in den Lockdown (Anm. der Redaktion: Das Gespräch fand bereits am 11. Dezember 2020 statt). Eigentlich hätten wir schon vor zwei Wochen in den richtigen Lockdown gehen müssen, weil ich es gerade total gruselig finde, wie viele Leute sich anstecken und wie viele Leute sterben. Ich verstehe es überhaupt nicht, wie jetzt der Konsum über Menschenleben stehen kann.
Deswegen, das ist mein Wunsch für die Zukunft: Ich wünsche mir eine bessere, antikapitalistischere Politik, die etwas gegen den Klimawandel tut und die zuerst an den Menschen und die Natur denkt und nicht an die Wirtschaft und wie diese aufrechterhalten werden kann. Das wünsche ich mir und mein zweiter großer Wunsch ist natürlich der, wieder Konzerte zu spielen.