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Mutter nähte Schulkleid aus der Hakenkreuzfahne

Karlstadt

Mutter nähte Schulkleid aus der Hakenkreuzfahne

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    An eine Schultüte mit Schlemmereien und Geschenken war im ersten Nachkriegs-Einschuljahrgang 1945 gar nicht zu denken. Das Bild zeigt die
Schülerinnen dieses Jahrgangs der Arnsteiner Hauptschule in den 50er Jahren.
    An eine Schultüte mit Schlemmereien und Geschenken war im ersten Nachkriegs-Einschuljahrgang 1945 gar nicht zu denken. Das Bild zeigt die Schülerinnen dieses Jahrgangs der Arnsteiner Hauptschule in den 50er Jahren. Foto: FOTO PRIVAT

    Drei Monate nach Kriegsende konnte es sich kaum jemand leisten, seinem Kind ein Geschenk oder gar eine Schultüte mit auf den Schulweg zu geben. "Wir sind nicht einmal von unseren Eltern zur Schule begleitet worden", erinnerten sich Elfriede Krause, Thea Feser, Anni Strobel, Berthold Teubert, Stefanie Jungwirth und Hermann Bauer aus Arnstein. "Wir bekamen eine Schultasche in die Hand gedrückt und wurden los geschickt".

    Wer ältere Geschwister hatte, erhielt meist deren Bücherranzen. Alle anderen bekamen lediglich eine Art Aktentasche in die Hand, weil diese in der Anschaffung billiger war.

    Bei der Ankunft im Schulhaus erwartete die Lehrerin die Kinder im künftigen Klassenzimmer. Nachdem die Plätze von der Lehrerin zugewiesen worden waren, musste als erstes vorgezeigt werden, ob auch Schiefertafel, Griffel, kleine Rechenmaschine, Schwamm oder Wischlappen vorhanden waren.

    Zwei Kinder erhielten jeweils ein Schulbuch vorgelegt und die Lehrerin erzählte eine Geschichte.

    "Wir waren damals 60 Einschulkinder", erinnert sich Anni Strobel. Aus dem Rheinland waren zahlreiche evakuierte Familien nach Arnstein gekommen und deren Kinder wurden mit eingeschult.

    "Meine Mutter hat mir aus der Hakenkreuzfahne ein Kleid für den Schulanfang geschneidert" wusste Thea Feser zu berichten. "Ich bekam vom weißen Teil der Fahne das Schulkleid und meine Mutter schneiderte sich aus dem schwarzen Stoff ebenfalls ein Kleid".

    Die Haarfrisur der ABC-Schützen wurde meist als Haarrolle, Ohrschnecken oder Zöpfe "gestylt" und natürlich hatte jedes Mädchen eine Schürze zu tragen.

    Die Buben trugen eine kurze Hose und Leibchen, an denen Strapse zum Halten der Strümpfe befestigt waren. "Wir sahen schrecklich aus", so Berthold Teubert und Hermann Bauer. "Und ganz schlimm wurde es, wenn einer der Strapse riss und die wollenen braunen Strümpfe am Bein herumbaumelten!"

    Die Lehrerin Maria Schneider musste von den Kindern mit "Fräulein" angesprochen werden und wenn die Kinder auf der Straße oder in der Schule dem Pfarrer begegneten, hatten sie einen Knicks zu machen, ihm die Hand zu geben und mit dem Satz "Gelobt sei Jesus Christus" zu grüßen. Weigerte sich ein Schüler, das zu tun, gab es im Religionsunterricht Stockstrafe.

    Diskriminierend erlebte Thea Feser die erste Religionsstunde in der Schule, die bereits am zweiten Schultag begann. Als der Pfarrer in das Klassenzimmer kam, wurde sie von ihm nach vorne geholt und "zur Strafe", weil sie dem evangelischen Glauben angehörte, vor die Türe gestellt. "Ich konnte als Kind überhaupt nicht verstehen, was ich angestellt haben sollte", so die heute 66-Jährige. "Und ich weiß noch, dass ich fürchterlich geweint habe".

    Schön fanden die Kinder die Schulspeisung. Die Amerikaner stellten den Schulen täglich zum Frühstück Kakao, Pudding, Reisbrei oder auch Erbsensuppe mit Wurst zur Verfügung. Das Frühstück wurde in einem großen Kessel in der Schulküche zubereitet und während der ersten Pause an die Kinder ausgegeben. Diese Schulspeisung dauerte drei Jahre lang. Dann stellten die Amerikaner diese Unterstützung der deutschen Schulkinder ein.

    "Wir hatten schon ab dem zweiten Schultag Nachmittagsunterricht", so Stefanie Jungwirth (geborene Müller). "Der Unterricht dauerte von 8 Uhr bis 12 Uhr und nach einer Stunde Mittagspause wurde der Unterricht von 13 bis 15 oder 16 Uhr fortgesetzt. Und danach waren noch Schulaufgaben zu machen".

    Während der Mittagszeit blieben die Kinder im Schulgarten, der direkt am Schulhaus angrenzte und verzehrten dort das mitgebracht Zucker-, Schmalz- oder Butterbrot. Erinnern konnten sich die Mädchen noch an die erste Handarbeitsstunde, bei der Fallschirmseide verarbeitet wurde.

    Die Stockstrafe und das Knien auf dem Holzscheit gehörten ebenfalls in dieser Zeit zu den bewährten Züchtigungsmitteln. Wer um 18 Uhr noch auf der Straße war, wurde vom Benefiziat "aufgespürt" und persönlich nach Hause geleitet und hatte diese "Sünde" auf seinen nächsten Beichtzettel aufzunehmen.

    "Wir hatten bei weitem keine so angenehme Einschulung, wie sie die Kinder heute erleben und wir wünschen unseren Enkeln, dass sie eine solch diskriminierende Zeit auch niemals erleben müssen", so die Gesprächsteilnehmer übereinstimmend.

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