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"Ohne Fleiß kein Preis"

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"Ohne Fleiß kein Preis"

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    1954: Erste Auslandsmesse in
Ägypten.
    1954: Erste Auslandsmesse in Ägypten. Foto: FOTO PRIVAT

    Walter Hunger ist ein Unternehmer vom alten Schlag. "Ohne Fleiß kein Preis" lautet seine Devise. Dies gilt für den Chef der Hunger-Gruppe mit Sitz in Lohr und 15 Firmen weltweit auch in einem Alter, in dem andere schon seit 15, 20 oder mehr Jahren im Ruhestand sind. Ein Arbeitspensum von zwölf Stunden täglich ist für den Arbeitgeber und Erfinder, der im Laufe seines Lebens mehr als 200 Patente angemeldet hat, die Regel.

    Walter Hunger, der in Chemnitz geboren wurde, hat 80 bewegte Jahre hinter sich, davon 60 als selbstständiger Unternehmer (dies wird am Hunger-Stand auf der Hannover Messe Mitte April gefeiert).

    Weil seine Mutter schon ohne ihn am Existenzminimum lebt, lässt sie ihn auf der Entbindungsstation zurück. So wächst er bei Pflegeeltern und im Heim auf. Bei einer seiner Pflegefamilien, armen Erzgebirgsbauern, bekommt er Kontakt zu Pferden, die er lieben lernt und die ihn sein weiteres Leben begleiten sollten.

    Mit 14 Jahren beginnt Walter Hunger in Adelsberg bei Chemnitz eine dreijährige Lehre als Schmied. Schon immer war er fasziniert gewesen vom Feuer, dem glühenden Eisen und dem Geschick und der Kraft des Schmiedes. Dafür, dass er eine Ausbildung bekommt, ist er dankbar. Er arbeitet meist 14 Stunden am Tag. Als 17-Jähriger wird er 1942 zur Wehrmacht eingezogen, wo er unter anderem als Meldereiter eingesetzt wird.

    Nach dem Zweiten Weltkrieg verschlägt es ihn nach Gunnersdorf. Als sich der dortige Schmied im Mai 1945 zur Ruhe setzt, übernimmt Walter Hunger, mittlerweile Schmiedemeister, das Geschäft. Schnell erkennt er, wie er den Schrott des Krieges in nützliche Dinge umarbeiten kann. So entsteht sein erster Verkaufsschlager: Pferdewagen mit Gummireifen, die von Geschützen abmontiert wurden. Auch im privaten Bereich erlebt Walter Hunger 1945 ein Hoch. Er heiratet seine erste Frau, Marianne Neubert.

    Die Folgejahre stehen ganz im Zeichen des Wiederaufbaus. Walter Hunger trägt seinen Teil dazu bei. In Chemnitz kommt bei den Aufräumarbeiten ein Lastzug zum Einsatz, den er aus Auto- und Panzerwracks zusammengebaut hat. Um das mühselige Entladen zu vereinfachen, konstruiert er aus einem Federbein eines Flugzeugwracks einen Kippmechanismus für den Anhänger. Dieses Produkt ist so gefragt, dass er bald eigene Hydraulikzylinder für die Kippfahrzeuge herstellt.

    1950 kauft Walter Hunger das Sägewerk in Frankenberg, baut es in Eigenleistung um zu einem Industriebetrieb für den Bau von hydraulischen Kippanlagen für Lkws. Er beschäftigt zwölf Mitarbeiter.

    Walter Hunger bekommt seine ersten Exportaufträge. Sein 40-Tonnen-Tiefladeanhänger wird auf der Leipziger Messe 1954 als Aufsehen erregende Neuentwicklung herausgebracht. Im gleichen Jahr bestreitet der Jungunternehmer seine erste Auslandsmesse in Ägypten. Dort zieht er einen Auftrag über 50 Muldenkipper an Land. Bis 1958 baut er seinen Betrieb kontinuierlich aus.

    Die Einheitspartei der DDR bläst zum "verschärften Klassenkampf". Privatunternehmer wie Walter Hunger gehören zum Feindbild der Machthaber. Sie verlangen von ihm, seine Patente abzuliefern, wollen ihn zum "Angestellten im eigenen Unternehmen" degradieren.

    Am 22. September 1958 flieht Walter Hunger, der bis zu diesem Zeitpunkt größte Privatunternehmer der DDR, mit seiner kompletten Betriebsleitung und deren Familien - insgesamt 22 Personen - in den Westen.

    Im November 1958 gründet Walter Hunger mit finanzieller Unterstützung der Firma Rexroth in Lohr die Walter Hunger Comp. OHG. Einen Monat später kauft der Unternehmer von der Stadt 13 000 Quadratmeter Industriegelände an der Rodenbacher Straße zu günstigen Bedingungen. Mit aus der gesamten Bundesrepublik zur Verfügung gestellten Maschinen beginnt Mitte 1959 mit 60 Mitarbeitern die Produktion. Hauptkunde ist Rexroth. Noch im gleichen Jahr verurteilt ein DDR-Gericht Walter Hunger wegen "Sabotage" zu zehn Jahren Gefängnis, seine Angestellten zu sechs Jahren. Doch 1960 lehnt der Generalstaatsanwalt der Bundesrepublik die Strafverfolgung ab und erklärt sie für nichtig.

    Beim zehnjährigen Bestehen seines Unternehmens im Jahr 1968 kann Walter Hunger auf eine ganze Reihe neuer Produkte zurückblicken. Er muss aber auch feststellen, dass es im Raum Lohr einen erheblichen Mangel an qualifizierten Facharbeitern gibt. Walter Hunger fackelt nicht lange. Er nimmt die Ausbildung der benötigten Fachkräfte selbst in die Hand; im September 1963 wird die Lehrwerkstatt eingeweiht.

    1970 erleidet Walter Hunger auf privater Ebene einen Tiefschlag. Seine Frau Marianne, mit der er die Kinder Ingrid, Armin und Gisela hat, stirbt nur 43-jährig. 1972 heiratet er erneut: Sigrid Weichelt, die Hauptgesellschafterin eines großen Fuhrunternehmens. Aus dieser Ehe stammen die Kinder Britta und Jan. Im gleichen Jahr wird der erfahrene Reiter als Richter in der Disziplin "Military" zu den Olympischen Spielen nach München berufen.

    In den 1970er Jahren treibt Walter Hunger große Projekte voran. Er bekommt den schwer umkämpften, millionenschweren Auftrag für riesige Hydrozylinder, die für die Schleuse am "Eisernen Tor" an der Donau benötigt werden. Weitere solcher Großaufträge folgen. Dafür benötigt Walter Hunger ein 15 Meter tiefes Chrombad, das er auf seinem Betriebsgelände in Lohr errichtet. Im Zusammenhang mit der Verchromung kommt es im Lauf der folgenden Jahre allerdings auch zu Unfällen, die das Betriebsgelände zum Teil verseuchen. Die Sanierung ist heute noch nicht ganz abgeschlossen.

    Als sich Mitte der 1970er Jahre die Lieferschwierigkeiten für Dichtungen häufen, die Walter Hunger für seine Großzylinder braucht, gründet er kurzerhand eine Dichtungsfabrik: die Hunger DFE GmbH in Würzburg.

    1975 spendet die Walter Hunger KG der "Aktion Sorgenkind" (heute: "Aktion Mensch") 25 000 Mark. Das Geld stammt aus einem Reparaturauftrag, bei dem die Firma für jeden Tag, den sie früher als die vereinbarten 14 Tage fertig war, 5000 Mark erhielt.

    1977 baut Hunger die bis dahin größte Teleskopantenne der Welt. Sie ist 52 Meter hoch. Zwei Jahre später, 1979, gründet Walter Hunger die Hunger Schleifmittel GmbH, weil ihm die Qualität der auf dem Markt verfügbaren Produkte nicht ausreichte.

    Auch in den 1980er Jahren geht es Schlag auf Schlag. Hunger gründet Firmen in den USA, wo unter anderem die NASA zu seinen Kunden zählt, in China sowie eine weitere in Deutschland. Außerdem liefert Hunger die Dichtungen für die Großwindanlage "GROWIAN" und Hydraulikkomponenten für den mit 156 Metern Höhe größten Autokran. Er erhält den Philip-Morris-Preis, die höchstdotierte private Auszeichnung in Deutschland für Forschungsarbeiten in den Bereichen Technischer Fortschritt und Umweltschutz. 1989 besucht Walter Hunger mit seiner Familie Mutter Teresa in Kalkutta. Er überreicht ihr einen Scheck über eine "sehr hohe Summe". Auf dem Scheck steht: "Für Mutter Teresa, von einem Waisenkind aus Deutschland."

    Die 1990er Jahre gehören den Auszeichnungen. Die Technische Universität Chemnitz verleiht Walter Hunger die Ehrendoktorwürde für seine "außerordentlichen Verdienste auf dem Gebiet der Fertigungstechnik"; er erhält den Umweltpreis des Bundesverbandes der Deutschen Industrie für seine fett- und wartungsfreie Sattelkupplung; und er bekommt das Bundesverdienstkreuz verliehen für seine unternehmerischen Leistungen. Ein weiterer Höhepunkt in diesem Jahrzehnt: Bedingt durch den Fall der DDR erhält Walter Hunger seine Werke in Frankenberg zurück.

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    Trotz schwacher Konjunktur und einer allgemein schwierigen Wirtschaftslage blickt Walter Hunger optimistisch in die Zukunft. Der Auftragseingang sei derzeit "befriedigend bis gut, besser als in den letzten Jahren". Zuversichtlich ist er auch, weil er weiß, dass "der Nachwuchs schon in den Startlöchern" steht. Von seinen fünf Kindern sind drei im väterlichen Unternehmen tätig: Ingrid, Armin und Jan Hunger. Tochter Gisela Köfer leitet ein Hotel in Österreich, Tochter Britta Hunger macht zurzeit ihren Doktor in Denkmalpflege. Seinen Geburtstag feiert der Jubilar im Kreis seiner Familie.

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