In der Bibel war es Mose, der das Meer teilte um den Israeliten die Flucht vor dem Heer des ägyptischen Pharaos zu ermöglichen. In der Neuzeit sind solche Wundertaten selten geworden. Dennoch gibt es auch heute einen Mose, der das Meer teilt und so Menschen vor Ungemach bewahrt. Der Mose der Neuzeit ist allerdings ein von Menschenhand geschaffenes Konstrukt. Handelt es sich doch um ein Stauwehr, das Venedig vor Hochwasser schützen soll. Beteiligt an dem Großprojekt zum Schutze der als Weltkulturerbe anerkannten italienischen Lagunenstadt ist die Bosch Rexroth Ag. Die Lohrer Hydraulikexperten zeichnen verantwortlich für das Transprotsystem, das dabei hilft, die bis zu 23 000 Tonnen schweren Bauteile für das Sperrwerk vom Fertigungs- zum Einsatzort zu schaffen.
Der Bau eines der größten Sperrwerke Europas zum Schutz der historisch einmaligen Handelsstadt vor dem Versinken im Hochwasser geht in die heiße Phase. Seit Rexroth im Sommer 2009 die Hydraulik für ein Transfersystem in Betrieb genommen hat, transportiert es bis zu 23 000 Tonnen schwere Betonblöcke zur Verladestation. Sie bilden die Basis für das mobile Sperrwerk Mose, das die Lagune von Venedig vor den Springfluten des Mittelmeers schützt.
Die Gondeln auf dem Canale Grande, der Markusplatz und die prachtvollen Dogenpaläste: Venedig ist eine der weltweit größten Touristenattraktionen. Nahezu ein Jahrtausend beherrschten die dortigen Kaufleute den Ost-West-Handel im Mittelmeer. Aber die 1987 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärte Lagunenstadt droht zu versinken. Mehr als fünfzig Springfluten allein seit 1993 zerstören nach und nach die gesamte Bausubstanz und gefährden die Zukunft Venedigs. Darum soll ab 2012 ein mobiles Sperrwerk, das „Modulo Sperimentale Elettromeccanico“, kurz Mose, die Lagune von Venedig vor dem hereinströmenden Mittelmeer schützen.
Schutz gegen drei Meter Hochwasser
Mose basiert auf dem Prinzip des Luftauftriebs, schreibt Rexroth in einem Pressetext. In einer Betonkonstruktion auf dem Grund der Lagunenöffnungen zwischen den Inseln vor Venedig ruhen dicht nebeneinander 79 hohle Fluttore aus Stahl. Sie sind über ein Gelenk mit dem Fundament verbunden. Im Ruhezustand liegen sie flach auf dem Boden. Bei drohendem Hochwasser presst Druckluft das Wasser aus den 20 Meter breiten und fünf Meter dicken Stahlkörpern. Die Tore richten sich dann innerhalb von 30 Minuten auf. Das mobile Sperrwerk schottet die Lagune gegen Springfluten bis zu drei Meter Höhe ab. Das dürfte nach derzeitigem Kenntnisstand ausreichen. Denn die höchste Springflut erreichte bisher „nur“ 1,94 Meter.
Nach den Vorbereitungen des Meeresbodens begann im Sommer 2009 das Legen des rund 1600 Meter langen Betonfundaments, das die Fluttore aufnimmt. Es besteht aus bis zu 23 000 Tonnen schweren Betonfertigteilen. Diese haben das Ausmaß eines Fußballfelds.
Fundamente so groß wie Fußballfeld
Für diese Fundamente in „XXL-Größe“ hat die norwegische TTS Handling Systems, ein weltweit führender Ausrüster rund um Transfersysteme und Stahlblech-Produktionslinien für Werften, ein Schwerlast-Transportsystem errichtet. Es verbindet die Gießstation an Land mit der Verladeeinrichtung für den Seetransport. Rexroth zeichnet als Systempartner für die Projektierung, Lieferung und Inbetriebnahme der hydraulischen Hebe- und Fahreinrichtung verantwortlich.
Das Hydrauliksystem hebt die Betonfertigteile an 84 Punkten gleichmäßig an. Eine komplizierte hydraulische Synchronisierung hält die Fundamente absolut waagerecht und verhindert unkontrollierbare Schräglagen. Das Anheben durch die Rexroth-Technik erfolgt so gleichmäßig, dass keine Spannungen im Material auftreten.
Kraftvoll und energiesparend
Ein Turbodieselmotor mit 290 PS Leistung versorgt das Hydraulikaggregat mit Energie. Die Druckregelung der Pumpenkombination sorgt dabei für eine hohe Energieeffizienz: Das Aggregat erzeugt immer nur so viel Druck, wie die Verbraucher aktuell benötigen. Ein besonderer Vorteil der Hydraulik: Zum Halten der 23 000 Tonnen schweren Last verbraucht sie keine Energie, da die Ventile nach Erreichen der Transporthöhe einfach schließen.
Zwei weitere, von einem 62 PS starken Turbodieselmotor angetriebene Hydraulikaggregate übernehmen die Vorwärtsbewegung der Betonteile auf einem Schienensystem. Dieses führt zu einer Absenkstation. Von dort aus werden die Fundamente zu Ihrem Bestimmungsort transportiert und am Meeresboden positionsgenau abgelegt.
Das Transfersystem ist auf eine maximale Last von 28 000 Tonnen ausgelegt. Damit kann es bei Bedarf auch größere Bauteile als bisher geplant transportieren.
Rexroth arbeitete bereits seit Beginn der Konzeptphase eng mit TTS Handling Systems zusammen. Als Systempartner übernahm der Lohrer Hersteller aller Antriebs- und Steuerungstechnologien die Systemverantwortung für die Hydraulik und errechnete die Dimensionierung der Aggregate.
Beide Unternehmen verbinde eine lange Erfolgshistorie rund um Hafentechnik und maritime Anwendungen auf allen Weltmeeren, schreibt Rexroth in einem Pressetext. Als Global Player unterstütze Rexroth dabei TTS Handling Systems mit seiner internationalen Organisation.