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MAIN-SPESSART: Schleudertraining gegen die Angst

MAIN-SPESSART

Schleudertraining gegen die Angst

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    „Angststörungen verstehen und mit ihnen umgehen lernen“ lautete das Thema des Seminars, zu dem die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns und das Selbsthilfebüro Main-Spessart mit ihrer Leiterin Simone Hoffmann in die Begegnungsstätte des Roten Kreuzes nach Karlstadt eingeladen hatten. Rund 30 Interessierte folgten dem Vortrag von Dr. Bittkau, Nervenarzt und Psychotherapeut aus Karlstadt, und den Ausführungen von Manfred Möslein, Sprecher der Angst/Panik-Selbsthilfegruppe Main-Spessart.

    Sinn einer Angstreaktion in einer bedrohlichen Situation war die Arterhaltung, ging Bittkau zurück in die menschliche Entwicklungsgeschichte. Die Angstsymptome wie Herzrasen, die schnelle und tiefe Atmung, Übelkeit, Schwindel und Schwitzen sind Ausdruck einer Stressreaktion. Adrenalin wird ausgeschüttet, der Körper ist bereit zur Flucht. Wird die Angst jedoch überwertig, wandelt sich dieser Vorteil in einen Nachteil.

    Eine absurde Angst sei es zum Beispiel, wenn sich jemand nicht mehr von der Karlstadter Siedlung in die Altstadt traue, weil er dazu eine Brücke überqueren muss und Angst hat, dass sie einstürzen könnte. Auch die Unterführung könnte einstürzen. Dieser Mensch werde die Altstadt nicht mehr erreichen.

    „Je mehr wir vorausdenken, Angst vor der Angst haben und sie nicht durchleben, umso heftiger wird die Angst.“ Diese Angst vor der Angst und die Vermeidung von Situationen, die sie hervorrufen, bilden die Spirale, die in der Isolation münden kann. Dem Betroffenen wird ein großer Teil seiner Lebensqualität genommen.

    Angststörungen können verschiedener Natur sein. Bittkau führte unter anderem die soziale Phobie auf, bei der der Betroffene Angst vor Menschen oder Veranstaltungen hat, nannte die Angst vorm Eingesperrtsein beispielsweise im Aufzug oder die generalisierte Angststörung, die häufig dicht mit einer Depression verwoben sei. Ohnehin trete eine Angststörung nicht isoliert auf, sondern häufig in Kombination mit einer Depression oder einer Alkoholerkrankung.

    Die Erklärungen, wie sich eine Angststörung verselbstständigt, fielen je nach „Ideologie“ anders aus, sagte der Therapeut, auf die Frage, warum ein Mensch plötzlich nicht mehr durch einen Tunnel gehen könnte, was er früher ohne jede Probleme bewältigen konnte. Je nach Ansatz würden für die Antwort zum Beispiel eine frühe Traumatisierung oder die Verdrängung nach Freud herangezogen. Für den Patienten und die Umwelt leicht nachvollziehbar dagegen sind Todesfälle, Trennungen oder Arbeitsplatzverlust als Auslöser.

    Ein Patentrezept oder ein Allheilmittel hatte der Therapeut nicht parat. Nicht einmal Hoffnungen auf eine garantierte Heilung wollte er den Zuhörern machen. Sicher gelänge es einigen Patienten, die Störung gänzlich zu überwinden, aber viele lernten, mit der Angst umzugehen. Das Schleudern im Auto werde mit einer Angstempfindung verknüpft, könne aber sogar Spaß machen, wenn es bei einem Sicherheitstraining unter Anleitung geübt wird. Dieses „Schleudertraining“ könne auch in anderen sonst angstmachenden Situationen gelernt werden.

    „Unendliche Linderung“ könnte eine medikamentöse Therapie bringen, die Bittkau jedoch nicht isoliert von einer begleitenden Therapie, der Absprache mit dem Arzt und der Selbsthilfe sehen wollte. Dr. Bittkau wies auf Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) hin, das sind Antidepressiva, die keine Abhängigkeit verursachen und die Wahrscheinlichkeit von Panikanfällen reduzierten. Der Patient begibt sich unter Einfluss des Medikaments in die Situation, in der er sonst einen Angstanfall erleidet, und lernt, dass er sie aushalten kann. So wird er sie später auch ohne Tabletten ertragen.

    „Wenn eine Angststörung rechtzeitig erkannt und behandelt wird, ist sie häufig behebbar“, machte Manfred Möslein, Sprecher der Selbsthilfegruppe, den Betroffenen Mut. „Aber wir diagnostizieren nicht und wir therapieren nicht“, zeigte er die Grenzen der vor fünf Jahren gegründeten Gruppe auf. In der Gruppe, in der sich zwölf Teilnehmer regelmäßig treffen, geht es um Informationsaustausch. „Unser Hauptziel ist, Betroffene aus der Isolation zu holen.“

    Weitere Informationen über die Angst-/Panik-Selbsthilfegruppe „Erster Schritt“ erteilt Simone Hoffmann vom Selbsthilfebüro Main-Spessart in Karlstadt unter Tel. (0 93 53) 98 17 86.

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