Im Rahmen der Veranstaltungsreihe zur 1200 Jahrfeier von Himmelstadt wurden im Pfarrzentrum zwei Vorträge abgehalten. Auf dem Programm standen die Themen Nikolauskapelle und das Judentum in Himmelstadt.
Der Referent Gerhard Hilpert wartete mit einer großen Überraschung auf. Der Standort der seit Jahrzehnten gesuchten Nikolauskapelle konnte wieder gefunden werden. Die Nikolauskapelle stand am ehemaligen Standort von Kloster Himmelspforten an der Staatsstraße in Richtung Zellingen. Das Lehenbuch von Kloster Himmelspforten (Staatsarchiv Würzburg) aus dem Jahr 1704 lieferte den entsprechenden Hinweis:
Mehr ein Stück Wiesen oberhalb der Mühle, gegen Aufgang (Osten) der gemeine Weeg, gegen Mittag (Süden) die St. Niclauß Cappelle und Garthen, gegen Niedergang (Westen) der Gibelberg, gegen Mitternacht (Norden) die Mühle.
In diesem Lehenbuch werden Grundstücke im Besitz von Kloster Himmelspforten beschrieben. Flurstücksnummern gab es erst ab 1840/41, sodass die Beschreibung, hier eine Wiese oberhalb der Mühle, mit der Benennung der angrenzenden Grundstücke erfolgte. Anhand von geophysikalischen Bodenuntersuchungen 2017 und 2018 kann nunmehr sogar der genaue Standort bestimmt werden, die Nikolauskapelle stand direkt an der markanten Felswand. Für die Himmelstadter war dieser Standort seit jeher im Gespräch. Aber der Nachweis fehlte bis jetzt.
Gerhard Hilpert brachte anhand der Ergebnisse der geophysikalischen Bodenuntersuchungen eine neue Variante ins Spiel. Mittels Georadar können die Tiefenbereiche der gefundenen Fundamente festgestellt werden. Nach dem vorliegendem Ergebnis können in zwei verschiedenen Ebenen Fundamente ausgemacht werden. Ein kleineres Fundament mit den Maßen ca. elf auf sieben Meter in einer Tiefe von 125 Zentimetern und ein größeres Fundament mit ca. 15 auf zehn Metern in 75 Zentimeter Tiefe. Die Folgerung, zwei verschiedene Bauphasen sind möglich. Ein älterer Bau wurde abgerissen, die tieferen Fundamente verblieben im Boden. Darüber wurde eine neue größere Kapelle errichtet.
Mit dem Bau von Kloster Himmelspforten 1231 könnte demnach eine neue und größere Kapelle zur Ausführung gekommen sein. Nach neuesten Forschungsergebnissen wird aufgrund des großen Grundbesitzes vom Bistum Würzburg ein Gutshof und eine Kapelle an diesem Standort noch vor dem Bau von Kloster Himmelspforten vermutet. Der Grundbesitz vom Bistum Würzburg ging mit dem Bau des Klosters auf die Ordensgemeinschaft der Zisterzienser über. Mit dem Bau des Klosters erhöhte sich die Anzahl der Bewohner am dortigen Standort. Eine größere Kapelle könnte demnach notwendig geworden sein.
Nach der Verlegung von Kloster Himmelspforten von Himmelstadt nach Würzburg im Jahr 1251 verblieb die Nikolauskapelle am alten Standort. Die Kapläne bzw. die Geistlichen wohnten laut Urkunden von Kloster Himmelspforten bis zur Säkularisation bei der Kapelle. Neben einem Wohnhaus stand mindestens noch ein Nebengebäude.
Der zweite Vortrag behandelte die jüdische Geschichte von Himmelstadt. In Folge der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus Würzburg durch die Fürstbischöfe Friedrich von Wirsberg, Julius Echter von Mespelbrunn sowie Philipp von Schönborn kam die erste jüdische Familie 1655 nach Himmelstadt. Bereits 20 Jahre später wohnten drei jüdische Familien und ein Schulmeister in Himmelstadt. Somit gab es offenbar bereits ab diesem Zeitpunkt ein bescheidenes jüdisches Gemeindeleben im Ort.
Die aus den Städten vertriebenen Juden siedelten sich auf dem Land an, mussten allerdings dem jeweiligen Landesherrn Schutzgeld bezahlen. Die Bezeichnungen „Landjuden“ bzw. „Schutzjuden“ stammen aus dieser Zeit. Himmelstadt wurden vier Schutzstellen, auch Matrikelstellen genannt, zugewiesen. Nach den damals geltenden Beschränkungen durften sich nur vier Familien niederlassen, wobei die Anzahl der Schutzstellen bei dringendem Bedarf auch kurzfristig erhöht wurde. Die größte Anzahl von jüdischen Mitbürgern besaß Himmelstadt mit 33 Juden im Jahr 1826.
Ein Zeugnis aus dieser Vergangenheit ist eine noch vorhandene Mikwe in der Hauptstraße 61. Diese Mikwe befindet sich im Erdgeschoss direkt an einer Felswand und ist im Boden eingelassen. Das Wasser der Mikwe muss „lebendiges Wasser“ sein. Daher wurden vielerorts Grundwassermikwaot (Mehrzahl) gebaut, die meist unter der Erde auf der Höhe des lokalen Grundwasserspiegels lagen. Das „lebende Wasser“ kam bei dieser Mikwe aus dem Felsen.
Aufgrund der baulichen Gegebenheiten wird auch eine einstige Synagoge oder Betsaal im Erdgeschoss dieses Gebäude vermutet.
Ein trauriger Anlass beendete das jüdische Leben in Himmelstadt. 1892 starb der Familienvater Gideon Mannheimer. Er hinterließ eine Ehefrau mit sieben Kindern in kümmerlichsten Verhältnissen. Sieben kleine Kinder, wovon das älteste ein Knabe von elf Jahren war, strecken weinend die Hände zu ihrer trostlosen und sich im Schmerze windenden Mutter um Brot verlangend empor. Bedarf es nun der Worte noch mehr, um die schreckliche Not und das Hammergeschrei dieser so schwer und hart geprüften Familie zu schildern?
Die letzte in Himmelstadt ansässige jüdische Familie Mannheimer zog kurze Zeit später nach Laudenbach. Mit diesem Ereignis endet die jüdische Geschichte von Himmelstadt.
Von: Gerhard Hilpert für den Arbeitskreis 1200 Jahre Himmelstadt