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Lohr: Verbotene Liebeleien in der Lohrer Forensik

Lohr

Verbotene Liebeleien in der Lohrer Forensik

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    In der Forensik am Lohrer Bezirkskrankenhaus fehlte offenbar die Distanz zwischen Mitarbeiterinnen und Patienten. Klinik und Bezirk ziehen jetzt Konsequenzen.
    In der Forensik am Lohrer Bezirkskrankenhaus fehlte offenbar die Distanz zwischen Mitarbeiterinnen und Patienten. Klinik und Bezirk ziehen jetzt Konsequenzen. Foto: Johannes Ungemach

    Turbulenzen in der Forensik des Bezirkskrankenhauses Lohr (Lkr. Main-Spessart): Recherchen des Medienhauses Main-Echo haben ergeben, dass es in der Klinik über Monate hinweg Beziehungen zwischen Mitarbeiterinnen und Patienten gab. Die Klinikleitung und der Bezirk Unterfranken haben die Informationen bestätigt.

    Dominikus Bönsch, Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses und Leiter der Forensik, räumt ein "massives Problem, was Nähe und Distanz betrifft" ein. Im gravierendsten Fall habe die Klinik Polizei und Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Derzeit arbeite man die Vorfälle arbeitsrechtlich auf. Bönsch kündigte eine Umorganisation in der Forensik an. Denn innerhalb der Stationsteams gebe es eigentlich Mechanismen, die zu enge Kontakte zwischen Mitarbeitern und Patienten verhindern sollen. "Doch", bedauert Bönsch, "nichts davon hat funktioniert".

    Sechs Fälle binnen eines Jahres

    Insider sprachen gegenüber der Redaktion des Main-Echos davon, dass Forensik-Mitarbeiterinnen von Patienten schwanger geworden seien. "Davon haben wir als Klinikleitung keinerlei Kenntnisse", sagt Bönsch. Es habe jedoch binnen eines Jahres "zumindest sechs Fälle" gegeben, in denen sich "Patient und Mitarbeiterin zu nah gekommen sind". Eine höhere Dunkelziffer könne er nicht ausschließen.

    In den ihm bekannten Fällen seien es überwiegend Mitarbeiterinnen des Pflegedienstes gewesen, die die nötige Distanz zu Patienten nicht gewahrt hätten, sagt Bönsch. "Ich habe keinen nachgewiesenen Fall aus einer anderen Berufsgruppe." Der Klinikleiter spricht von zwei Verdachtsfällen, bei denen es allerdings nur Gerüchte gebe.

    Die Balance zwischen Nähe und Distanz bezeichnet Bönsch als größte und permanente Herausforderung des Forensikalltags. Einerseits sei es Aufgabe der Einrichtung, die verurteilten Straftäter sicher zu verwahren. Andererseits wolle man sie aber auch therapieren und wieder ins Leben integrieren.

    Schwieriger Spagat zwischen Nähe und Distanz

    Laut Bönsch kommt es bei diesem Spagat in Forensiken immer wieder vor, dass es Mitarbeitern nicht gelingt, die richtige Balance zu halten. Üblicherweise würden solche Fälle rechtzeitig erkannt, man spreche dann mit den Betroffenen und versetze sie gegebenenfalls auf eine andere Station.

    Offene Worte: Dominikus Bönsch, Ärztlicher Direktor des Lohrer Bezirkskrankenhauses und Leiter der dortigen Forensik.
    Offene Worte: Dominikus Bönsch, Ärztlicher Direktor des Lohrer Bezirkskrankenhauses und Leiter der dortigen Forensik. Foto: Johannes Ungemach

    Zu nah wird das Mitarbeiter-Patienten-Verhältnis laut Bönsch schon dann, wenn beispielsweise ein Patient eine Mitarbeiterin in sozialen Netzwerken oder während eines Freigangs kontaktiert. In der Mehrzahl der Lohrer Fälle sei es auch nicht über dieses Stadium hinausgegangen. Es gebe jedoch auch einen "hanebüchenen Fall". Auf den sei man gestoßen, als man bei einem Patienten ein eingeschmuggeltes Handy gefunden und ausgewertet habe.

    Nach Aussage von Bönsch gab es die Beziehungen ausschließlich in dem Bereich, in dem suchtkranke Patienten untergebracht sind. Meist seien sie zwischen 18 und 30 Jahre und damit etwa so alt wie die meisten Mitarbeiterinnen.

    Mitarbeiterinnen als "Trophäen" 

    Viele Suchtpatienten haben laut dem Forensikleiter "große Fähigkeiten entwickelt, Menschen zu manipulieren und um den Finger zu wickeln". Zudem übe ihr "Bad-Boy-Image" auf viele Menschen einen gewissen Reiz aus. Bönsch sagt, dass die Patienten die Mitarbeiterinnen mitunter als "Trophäe" sehen oder mit einer Beziehung Hoffnung verbinden.

    In den meisten Fällen seien sich Mitarbeiterinnen und Patienten außerhalb des Klinikgebäudes zu nahe gekommen, erklärt Bönsch. Etwa nach einem halben Jahr erhalten die Forensik-Patienten stufenweise Ausgang aus der gefängnisähnlich gesicherten Einrichtung. Später dürfen sie sich auch außerhalb des Klinikgeländes bewegen. Auch wenn sie wieder eine eigene Wohnung und einen Arbeitsplatz haben, gelten sie formal noch eine Zeit lang als Patienten. Die Klinik, so Bönsch, habe dann "wenig oder gar keine Möglichkeit mehr zu sehen, was ein Patient in seiner Freizeit treibt".

    Strafrechtliche Konsequenzen

    Der 49-Jährige führt die Häufung von Beziehungen zwischen Patienten und Mitarbeiterinnen auf ein "Teamversagen" zurück. Die meisten Fälle hätten sich auf einer einzigen Station zugetragen. Es sei eigentlich Aufgabe der Mitarbeiter, solche Fälle schon in der Entstehung zu melden und zu verhindern und auch "aufeinander aufzupassen".

    Er erwarte von den Stationsleitungen, dass sie Fehlentwicklungen bemerken und intervenieren, so Bönsch. Man werde Mitarbeiter zur Rechenschaft ziehen, in deren Zuständigkeitsbereich die Mechanismen nicht funktioniert hätten. Im gravierendsten Fall geht der Klinikleiter von strafrechtlichen Konsequenzen aus. Es sei nicht auszuschließen, dass ein Gericht im Einzelfall die Zulassung für den Pflegeberuf entziehe.

    Bezirk kündigt zusätzliches Personal an

    Die Klinikleitung und der Bezirk Unterfranken als Träger der Forensik wollen auf die Vorfälle organisatorisch reagieren. Bönsch sagt, er habe dem Bezirk schon vor einiger Zeit vorgeschlagen, wieder zur früheren Organisation zurückzukehren und einen eigenständigen Leiter der Forensik zu installieren. Doch das ist laut Markus Mauritz, Sprecher des Bezirks, nicht beabsichtigt.

    Stattdessen werde es zusätzlich eine stellvertretende Pflegedirektorin und einen Oberarzt geben, um Fehlentwicklungen früher zu erkennen. Für das Pflegepersonal soll ein Rotationsprinzip eingeführt werden, um zu verhindern, dass Personal und Patienten zu lange auf der gleichen Station beisammen sind.

    Von der Krankenpflegeschule nicht direkt in die Forensik

    Bönsch kündigt zudem an, dass man keine jungen Mitarbeiterinnen mehr direkt nach der Krankenpflegeschule in der Forensik einsetzen werde. Zwar gehe es im gravierendsten Fall um eine "erfahrene Kollegin", die meisten Fälle beträfen aber recht junge Mitarbeiterinnen gehandelt. Deren Unerfahrenheit erhöhe das Risiko, den Avancen der Patienten nicht widerstehen zu können.

    Grundsätzlich werde jeder Mitarbeiter der Forensik in einer vierwöchigen Schulung auf die speziellen Anforderungen im Umgang mit den dort untergebrachten Straftätern vorbereitet. Dabei gehe es um rechtliche Grundlagen, Verhalten in Krisenfällen und eben den Spagat zwischen Nähe und Distanz.

    Gefahr für die Sicherheit

    Wenn sich Mitarbeiterinnen und Patienten zu nahe kommen, kann das Auswirkungen auf die Sicherheit in der Einrichtung haben. Laut Bönsch resultieren kritische Situationen in Forensiken meist aus Beziehungen. So könne es beispielsweise aus verschmähter Liebe zu einer Geiselnahme kommen. "Es geht nicht nur um Liebelei, sondern darum, dass wir die Sicherheit auf den Stationen in Gefahr bringen", sagt Bönsch. Zu einer kritischen Situation sei es durch die Beziehungen am Bezirkskrankenhaus nicht gekommen

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