Was macht die junge Frau da? Mit einer weißen Stange stochert sie am Ufer des Aschbachs im Flussbett. An einem Tragegurt hat sie einen Tabletcomputer in einer wasserdichten Hülle dabei und tippt immer wieder etwas ein. Die Geografin Christiane Thurmann kartiert den Aschbach.
Die Mitarbeiterin vom Planungsbüro Zumbroich aus Bonn ist eine von rund 30 Kartierern, die momentan feststellen, wie die Flüsse in Nordbayern beschaffen sind. Hat der Fluss viele Mäander oder fließt er eher geradeaus?
Ist er tief in die Landschaft eingeschnitten? Ist die Flusssohle verschlammt oder steinig? Wie sieht der Uferbewuchs aus? Wie schnell fließt das Gewässer? Ist es aufgestaut? Wird im Umfeld intensive Landwirtschaft betrieben oder sind hier Wiesen?
Keine Messungen
Unter dem Begriff Gewässerstruktur fassen die Fachleute solche Eigenschaften eines Gewässers zusammen. Ausdrücklich wird bei der Kartierung nicht der Bestand an Tieren und Pflanzen im jeweiligen Gewässer aufgenommen, ebenso nicht die Wasserqualität. Es gibt also auch keine physikalischen oder chemischen Messungen. Vielmehr werden aufgrund der Flussbeschreibung Rückschlüsse auf die dortige Artenvielfalt gezogen. Es geht also in erster Linie um den Lebensraum.
Eine wichtige Rolle spielt dabei das Substrat des Gewässers. Denn viele Fischarten benötigen Kies zum Laichen. In der Regel ungünstiger ist ein Fluss, der aufgestaut ist. Hier lagert sich Sediment ab, in den hiesigen Breiten also vorwiegend Schlamm. Der Staudamm selbst oder die Schwelle ist wiederum oft ein Hindernis für viele Fischarten.
Genau solche gestauten Abschnitte gibt es etwa an der Wern häufig. Auch sind die Ufer der hiesigen Flüsse meist mit Bäumen bestanden, die als Schutz der Ufer dienen. Es ist davon auszugehen, dass in grauer Vorzeit diese Flüsse breiter waren und flachere Ufer hatten, sich verzweigten und wieder fanden.
Die Kartierung soll später Entscheidungen ermöglichen, wenn es darum geht, Flüsse zu renaturieren oder Ausgleichsmaßnahmen vorzunehmen. So wird beispielsweise gerade aktuell an der Wern zwischen Schönarts und Eußenheim ein Altwasser angelegt, das als Ausgleichsmaßnahme für den Brückenbau in diesem Abschnitt und für die Verlegung der B 26 bei Binsfeld dient.
Verbesserung angestrebt
Spätestens 2027 sollen die Flüsse alle in einem mindestens „guten“ Zustand sein, erklärt Gisela Kangler vom Landesamt für Umwelt (LfU) in Augsburg. Das ist die Note 2 von fünf möglichen. Auftraggeber für die Kartierungen ist das LfU. Anlass ist die Wasserrahmenrichtlinie der EU aus dem Jahr 2000. 2001 wurden die großen Flüsse schon einmal aufgenommen. Jetzt kommen alle dran mit einem Mindesteinzugsgebiet von zehn Quadratkilometern. Auf Nordbayern wird Südbayern folgen.
Etwa fünf Flusskilometer schafft Christiane Thurmann täglich. Um die Ergebnisse einzutragen, wurde eine Software entwickelt, bei der die einzelnen Parameter angekreuzt werden können – ohne Text tippen zu müssen. Die Kartierer sind nur in der vegetationslosen Zeit von November bis Mitte März unterwegs. Die Erhebungen finden nur bei mittlerem Wasserstand statt, da bei Hochwasser die Sohle und die Ufer nicht ausreichend zu erkennen sind.
Zu kartierende Gewässer
Im Landkreis Main-Spessart werden folgende Gewässer kartiert (viele ändern in ihrem Lauf den Namen, daher kommt es zu Mehrfachnamen für ein und dasselbe Gewässer): Wern (37,3 Kilometer); Gainbach, Hörleinsgraben (5,4 km); Schwabbach (10,6 km); Augraben, Reichelsgrund, Teuere, Teuere-graben (14,2 km); Krebsbach (7,8 km); Augraben, Bessinger Augraben (14,2 km); Aschbach (16,5 km); Hundsbach (8,4 km); Kühbach (9,7 km); Sinn (28 km); Aura-Grund, Duttermanns Grund (2,2 km); Aura (1,6 km); Aura (11,8 km); Fella, Rengersbrunner Bach (6,4 km); Fliesenbach (5,2 km); Sindersbach (9,2 km); Ziegelbach (14 km); Bettelmannsgraben, Buchenbach, Riedgraben (16,1 km); Lohr (17,0 km); Laubersbach (5,2 km); Aubach (22,4 km); Lohrbach (13,9 km); Äußerer Bach, Grimmenwiesenbach.