Michael Strotmann, der Leiter des Soziotherapieverbundes Spessart des Deutschen Ordens, zu dem auch das Haus Hirtenhof in Partenstein gehört, erinnerte daran, wie alles anfing. Demnach erntete er zunächst „sehr viel verhaltenes Schweigen“, als er vor einem dreiviertel Jahr den 50 vom Haus Hirtenhof betreuten abstinenten Alkoholikern vorschlug (39 wohnen im Haus, 11 in Wohngruppen außerhalb der Einrichtung), sich beruflich zu qualifizieren.
Die Vorstellung, nach Feierabend noch zu lernen und die Angst, bei der Prüfung möglicherweise zu versagen, hätten sich auf die 35- bis 45-Jährigen erst einmal hemmend ausgewirkt.
Doch trotz dieser Bedenken hätten fünf gesagt: „Ich ziehe das durch“ und an dem IHK-Lehrgang teilgenommen. Darüber, dass sie den Mut dazu gehabt haben, freue er sich „wirklich von Herzen“, sagte Strotmann. Für die erbrachten Leistungen machte er den Qualifizierten ein „ausdrückliches Kompliment“.
In diesem Zusammenhang lobte Strotmann aber auch die hausinternen Ausbilder Jürgen Scheuring (Industriebuchbindermeister) und Elisabeth Kissner (Hauswirtschaftsleiterin), „die das mit euch durchgezogen haben“.
Doch auch die anderen Mitarbeiter des Hauses vermittelten Fachkenntnisse, lobte Strotmann, und nannte als Beispiele den Gartenbereich und die Kreativgruppe. Dass man nur für Buchbinderei und Küche Qualifizierungen habe anbieten können, hänge damit zusammen, dass nur diese beiden Bereiche über die IHK abzuwickeln gewesen seien. Er sei aber glücklich, dass sich die IHK auf einen Qualifizierungslehrgang für Suchtkranke eingelassen habe. Für die Kammer sei dies schließlich auch Neuland gewesen.
Neuland für IHK
Den frisch Qualifizierten riet er, nicht abzuheben. „Bleibt auf dem Boden, so wie ihr eure Therapie auch auf dem Boden gemacht habt, und nicht in der Luft.“ Udo Albert, Leiter Anpassungsweiterbildung der IHK Würzburg/Schweinfurt, sagte, dass die Kammer „nicht gezögert“ habe, als Strotmann mit seinem Anliegen gekommen sei, auch wenn man „eine solche Zielgruppe bislang nicht nicht bedient“ habe.
Die jetzt ausgehändigten Zertifikate seien ein bundesweit anerkannter Abschluss und erleichterten somit den Schritt in die Berufswelt. Die erworbenen Kenntnisse seien eine „solide Basis“. Die bedeute aber auch: „Da ist noch was aufzubauen.“ Die IHK stehe gerne beratend zur Seite, so Albert. Er wünschte, „dass dieses Projekt eine Fortsetzung findet“.
Für ihn sei das Wichtigste an der Geschichte, dass die fünf Teilnehmer der Qualifizierungsmaßnahme die Erfahrung machen konnten, dass sie in der Lage sind, ein selbstgestecktes Ziel zu erreichen, sagte Andreas Reimer, Leiter des Fachbereichs Suchthilfe beim Deutschen Orden. Denn dies gebe Selbstvertrauen.
Sieglinde Blümel, zertifizierte Küchenhelferin, gab zwar zu, dass das Lernen manchmal schwer gefallen sei, aber Ausbilderin Kissner habe immer wieder Mut gemacht. Aufgrund dessen, was sie im Rahmen der Qualifizierung gelernt habe, werde sie sicher eine Anstellung finden, wenn sie das Haus Hirtenhof verlässt, meinte sie. Ihren noch nicht qualifizierten Mitbewohnern riet sie: „Probiert's einfach.“
Sascha Kreutzer (Küchenhelfer) sah dies ähnlich. „Man hat nur gewonnen“, so seine Einschätzung. Auch Tina Ruppert (Buchbinderhelferin) zeigte sich davon überzeugt, dass ihr durch die Qualifizierung am Arbeitsmarkt die Wege etwas offener stehen. Heiko Tschirschky (Buchbinderhelfer) meinte: „Dies ist der erste Schritt, in Richtung 'eigenes Leben aufbauen'“.
„Man hat nur gewonnen“
„Ein Schritt ist gemacht“, meinte abschließend auch Strotmann. Wenn es jetzt noch gelinge, das in Gemünden geplante Sozialkaufhaus (wir berichteten) zu verwirklichen, „ist mir für eure Zukunft nicht bange“.