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LOHR: Wenn Lehrer sich ohnmächtig fühlen

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Wenn Lehrer sich ohnmächtig fühlen

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    Wenngleich die Pädagogen während des Seminars von Dr. Doina Schrepler, Oberärztin in der Akutpsychiatrie, viele hilfreiche Tipps und Informationen erhielten, wurde doch eines überdeutlich: Die Lehrer fühlen sich einigermaßen überfordert im Umgang mit psychisch kranken Schülern – und vor allem allein gelassen.

    „Dafür sind wir nicht ausgebildet“, machte eine Lehrerin die Misere deutlich. Zwar gebe es Schulpsychologen, jedoch viel zu wenige. Auf zehn Schulen käme ein Psychologe, und der sei meist „mit anderen Dingen beschäftigt“, sagte eine andere Lehrerin. Und auch die Aufgabe der Lehrer sei in erster Linie noch immer das Vermitteln von Wissen.

    Gerade für die Schulpsychologen gebe es an den Schulen jedoch jede Menge zu tun. Hier sei eine Aufstockung des Personals dringend notwendig, so die Lehrer. Ihr Erfahrungsschatz unterstrich diese Aussage. Beinahe jeder der Seminarteilnehmer wusste aus eigenem Erleben von magersüchtigen oder depressiven Schülern zu berichten.

    Dass es Lehrer auch bei redlichem Bemühen schwer haben, psychisch kranken Schülern zu helfen, verdeutlichte die Schilderung einer Patientin, die den Pädagogen ihren mittlerweile 17-jährigen Krankheitsweg mit der Magersucht schilderte. „Ich habe niemanden an mich herangelassen“, erinnerte sie sich an die Zeit, als sie als Realschülerin in die Magersucht abdriftete. Sie habe sich nicht krank gefühlt. Auf die Realschule sei sie damals nur gegangen, weil ihre Eltern es gewollt hätten. Als sie eine Klasse wiederholen musste, habe es „Stress mit den Eltern“ gegeben. Am Ende stand die „Flucht in die Krankheit“, so die Frau.

    Begonnen habe die Magersucht mit einer Reis-Diät. Innerhalb von drei Monaten habe sie 20 Kilo abgenommen und bei einer Körpergröße von 1,65 Metern nur noch 32 Kilo gewogen. Der Gewichtsverlust ging einher mit einer kompletten Wesensveränderung. Aus dem ehemals aufsässigen Mädchen sei eine völlig in sich gekehrte Schülerin geworden, so die mittlerweile gut 30-Jährige. „Ich wollte es jedem recht machen.“ Dem Schulabbruch folgte damals der erste Aufenthalt in der Psychiatrie. Es war nicht der letzte.

    „Wie hätten die Lehrer was merken oder helfen können“, lautete die erste Frage an die magersüchtige Frau. Ein Patentrezept wusste jedoch auch sie nicht. Zwar müsse der plötzliche und starke Gewichtsverlust auffallen. Das Problem sei jedoch, dass beispielsweise Magersüchtige sich gar nicht krank fühlen würden. Deswegen würden sie meist auch keinen Rat oder Hilfe annehmen. Oftmals werde eine psychische Erkrankung vom Umfeld „unter den Tisch gekehrt“, schilderte die Frau aus eigener Erfahrung. Nach ihrem Empfinden sei es das Beste, zum Beispiel Magersüchtigen ohne Mitleid zu begegnen und sie so „zu behandeln wie einen Gesunden“.

    Die Lehrer indes machten in der anschließenden Diskussion deutlich, dass im Umgang mit psychisch Kranken Schülern recht große Ratlosigkeit herrscht. Die Eltern würden das Problem häufig verdrängen, wenn sie von der Schule angesprochen würden. „Da herrscht das große Schweigen, wenn das Wort Psychiatrie ins Spiel kommt“, sagte eine Lehrerin.

    Dr. Doina Schrepler machte den Pädagogen deutlich, dass sie verpflichtet seien, notfalls auch gegen den Willen der Eltern bei einem Verdacht auf eine psychische Erkrankung „lieber einmal zu viel als einmal zu wenig“ das Gesundheitsamt einzuschalten. „Ich werde einen Teufel tun und Risiken abschätzen. Das kann ich nicht. Wir sind doch Laien“, erwiderte eine Lehrerin dazu.

    Die Fachärztin hatte Verständnis für die Misere der Lehrer. Sie sagte aber auch: „Sie sind die besten Beobachter, die erste Anzeichen einer Erkrankung erkennen können.“ In jedem Fall gelte es, bei Lehrern die Sensibilität für die Krankheitssymptome zu schärfen. Pädagogen müssten sich bemühen, bei auffälligen Schülern zunächst nach den Ursachen für das auffällige Verhalten zu forschen, bevor sie zu disziplinarischen Maßnahmen greifen, so Schrepler. „Vielleicht sieht man nur einen Eisberg und dahinter steckt eine schwerwiegende Erkrankung“.

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