Nach gut zwei Stunden im Kinosessel regnete es in Marktheidenfeld ebenso wie in der letzten Szene vom Polit-Thriller "Wackersdorf". Mit dem Unterschied, dass im Film der Hauptdarsteller in dem Moment einen bedenklichem Blick nach oben richtete, war im rund 1600 Kilometer entfernten Tschernobyl doch an diesem Tag ein Reaktor im Kernkraftwerk explodiert. Rund dreißig Zuschauer hatten das Film-Drama über die Hintergründe, die zu dem legendären Protest gegen den Bau der atomaren Wiederaufbereitungsanlage im Landkreis Schwandorf führten, im Movie-Kino in Marktheidenfeld verfolgt.
Gezeigt wurde der Film im Rahmen des Agenda 21 Kinos, einer gemeinschaftlich organisierten Veranstaltungsreihe vom Agenda 21-Arbeitskreis Soziales, dem Bund Naturschutz Kreisgruppe Main-Spessart, den Burg-Lichtspielen Karlstadt und dem Movie Lichtspielhaus Marktheidenfeld. Das Konzept beinhaltet eine anschließende Diskussionsmöglichkeit mit einem ausgewählten Gesprächspartner, um das filmische Thema zu diskutieren und zu vertiefen.
Demokratische Werte und Bürgerengagement im Fokus
So stellte sich am Sonntagnachmittag Babs Günther, Sprecherin des Schweinfurter Aktionsbündnisses gegen Atomkraft, den Fragen aus dem Publikum. "Der Film berührt mich immer wieder", beschrieb sie ihre Gefühlslage beim Abspann, obwohl sie ihn bereits zum dritten Mal gesehen habe. Schließlich geht es in den 122 Minuten in geballter Form um demokratische Werte und Bürgerengagement. Im Mittelpunkt steht der Landrat und Lokalpolitiker Hans Schuierer, der seine Karriere und seine Zukunft aufs Spiel setzte, weil er kompromisslos für Recht und Gerechtigkeit kämpfte. An Originalschauplätzen im Landkreis Schwandorf gedreht, verfolgt der Film die Geburtsstunde der zivilen Widerstandsbewegung in der BRD.

Für Babs Günther hat der Film zwei Seiten. Die eine sei bedrückend. Denn: "Warum haben so viele Dinge immer noch ihre Gültigkeit?", fragt sie und bezieht sich dabei auf aktuelle Ereignisse wie die Abholzungen im Hambacher Forst. Zum anderen mache er ihr Mut: Denn er zeige, wie sich Menschen zusammenschließen und für eine Sache kämpfen könnten. Für sie bedeutet das auch Motivation. "Ich komme aus Grafenrheinfeld. Das benachbarte Atomkraftwerk ist zwar stillgelegt. Aber das gesamte radioaktive Material ist noch da", erläutert sie.
Kampf um sichere Lösung in Sachen Abriss und Umgang mit belastetem Material
Gemeinsam mit dem Aktionsbündnis kämpft sie unter anderem für eine sichere Lösung in Sachen Abriss und Umgang mit belastetem Material. "Beim Rückbau fallen Massen an konterminiertem Material an", beschreibt sie. Diese werden so lange gereinigt, bis sie in einem Gerät "freigemessen" werden, sprich einen gewissen Strahlen-Wert unterschreiten. Babs Günther sieht das kritisch. Schließlich strahle das Material noch, auch wenn die Strahlung als unbedenklich bezeichnet werde. "Das belastete Material wird wiederverwertet, in irgendwelche Produkte verbaut und gelangt so wieder in Umlauf, landet auf Hausmülldeponien", erläutert sie. Vom Aktionsbündnis her wünscht man sich hier ein höheres Sicherheitsbewusstsein.
Trotz solcher Bedenken sei es für das Aktionsbündnis derzeit schwer, die Bevölkerung für diese Themen zu mobilisieren. "Wir haben doch jetzt den Ausstieg! Es gibt doch eine Kommission!", bekäme sie oft als Antwort. Dass die Kommission immer noch keine Ergebnisse geliefert habe und dass von dem Kernkraftwerk, obwohl es nicht mehr an Netz sei, immer noch eine Gefahr ausgehe, wolle derzeit so gut wie keiner hören. Was sicherlich auch an den komplexeren Themen rund um den Rückbau liege. "Die Parole 'Abschalten' war einfach", so Günther. Nun werde es schwieriger.
Am Dienstag, 15. Januar, gibt es im Movie Marktheidenfeld um 18.30 Uhr eine weitere Vorstellung von "Wackersdorf" im Rahmen des Agenda 21 Kinos. Am 17. und am 20. Januar wird er dann in den Burg-Lichtspielen in Karlstadt zu sehen sein. Das komplette Programm gibt es hier.