Er war bereit für ein ungewöhnliches Interview: Reinhold Sendelbach beantwortete jede Frage zweimal: einmal persönlich und ein zweites Mal bezogen auf den Stadtteil Sendelbach, in dem er seit 2003 die Grundschule leitet. Die Reihenfolge haben wir ihm selbst überlassen. Wir überlassen es dem kritischen Leser zu erkennen, auf wen welche Antwort gemünzt ist.
Frage: Seit wann gibt es Sendelbach?
Reinhold Sendelbach: • Schon sehr, sehr lange. Um die 1000 Jahre. • Seit 1954. Und seit 28, vielleicht auch schon 30 Jahren hier in Sendelbach.
Wo kommt der Name eigentlich her?
Sendelbach: • Da gibt es verschiedene Deutungsversionen. Es könnte sein, dass es vom Sandbach kommt, das würde passen. Es könnte sein, dass es von Sinterbach kommt, weil hier früher Teer für die Lohrer Schiffsbauwerft gesintert wurde. Es gibt auch noch die Deutung, dass es vom mittelhochdeutschen Vornamen Santilo kommt. Ich tendiere zu der Version Sandbach – das passt einfach gut. • Der Name hat wahrscheinlich einen ähnlichen Ursprung. Wir stammen vermutlich von Zigeunern ab, hat zumindest mein Opa immer erzählt. Die Zigeuner sind durch Billingshausen gezogen, hatten an ihrem Karren einen Radbruch, konnten nicht mehr weiter und haben sich niedergelassen. Seitdem gibt's uns angeblich hier. Das war um 1700, 1800.
Wie tickt denn der Sendelbach(er)?
Sendelbach:
• Weltoffen. Nicht kleinkariert. • Der Sendelbacher ist Neuem gegenüber durchaus aufgeschlossen, sehr entgegenkommend, aber auch sehr genau. Er hinterfragt viel, er schaut genau hin, er beobachtet.
Was kann der Sendelbach(er) noch lernen?
Sendelbach:
• Manchmal etwas ruhiger zu bleiben. • Sendelbach sollte lernen, etwas mehr in die Zukunft zu schauen, etwas weniger konservativ zu sein und teilweise auch etwas toleranter.
Ist Sendelbach stolz auf Hermann Müller-Thurgau?
Sendelbach:
• Ich bin nicht stolz auf ihn, weil ich absolut keinen Müller-Thurgau mag. • Die Sendelbacher sind wohl stolz auf ihn, sonst hätten sie keinen Weg nach ihm benannt. Er hat ja wohl auch Karriere gemacht.
Reden wir mal über Spitz- und Kosenamen.
Sendelbach:
• Sendelbacher sind allgemein die Sandhasen, womit wir wieder beim Namen wären. • Der Sendelbach hat keinen Spitznamen, unter dem er bekannt ist. Zu Gymnasialzeiten war er die Eule – mit Sicherheit aufgrund seiner Weisheit schon in Jugendjahren (lacht).
Nur dem Frühling und dem Sommer sind in Sendelbach Straßen gewidmet. Wie denkt der Sendelbach(er) über Herbst und Winter?
Sendelbach:
• Nachdem es keine Straßen mit Herbst und Winter gibt, mögen sie diese Jahreszeiten offensichtlich nicht so sehr. Es ist hier ziemlich neblig und undurchschaubar. • Der Sendelbach selbst mag eigentlich den Winter fast lieber als den Sommer. Er ist kein Hitze-Liebender.
Bis 1875 verband eine Fähre Sendelbach mit Lohr. Heute sind es zwei Brücken. Was noch?
Sendelbach:
• Gute Frage . . . Eine gemeinsame Regierung (lange Pause). Ich glaube nicht viel. • Der Sendelbach ist in Lohr seit seinem zehnten Lebensjahr, ein alter Aloysianer, hat das Lohrer Gymnasium besucht, wohnt seit 1982 in Lohr-Lindig, ist also eigentlich ein Lohrer – wenn auch ein Schnüdel.
Der Main trennt Sendelbach und Lohr. Was trennt er noch?
Sendelbach:
• Ich glaub' er trennt auch ein bisschen zwei Gesellschaftsausrichtungen. Die Sendelbacher haben noch ein halbwegs gesundes Gemeinwesen, auch wenn viele zugezogen sind. Es gibt noch gesunde Vereine, es gibt noch ein Gemeinschaftsgefühl. Das vermiss ich in Lohr. Auch geschäftlich gibt's in Sendelbach noch ein paar Läden, die auch die Sendelbacher nutzen. Wenn ich es vergleiche mit der Lindig-Siedlung mit ihren 1800 Einwohnern, da gibt's gar nichts mehr.
Welche Lokalitäten bevorzugt der Sendelbach(er), wenn er mal ausgeht?
Sendelbach:
• Mit Vorliebe Blues Corner. Ansonsten das Weinhaus Mehling, mal ein Biergarten, wobei ich einen solchen unten am Main ganz stark vermisse. • Vor allem im Sommer den Biergarten hinter der Post, das Sportfest des Sportvereins und das Pfarrfest als jährliches Highlight. Er bleibt schon zum Großteil hier, wenn hier was geboten ist.
Was isst der Sendelbach(er) am liebsten?
Sendelbach:
• Ich denk' er isst am liebsten bodenständig, Bratwürst' mit Kraut ohne Soße, sag ich jetzt mal. • Am liebsten vegetarisch – und das seit acht bis zehn Jahren.
Der Eidechsen-Korridor hat Sendelbach(er) bewegt. Hat er sich damit abgefunden oder ihn sogar schätzen gelernt?
Sendelbach:
• Ich denke: abgefunden. Schätzen gelernt ..? Da ist wahrscheinlich die Meinung geteilt. Ich denke, Sendelbach fürchtet noch mehr Zuwanderung durch dieses Baugebiet. • Sendelbach hat ihn schätzen gelernt, weil dadurch ein neues Baugebiet entsteht, das für die Schule hoffentlich einen Zuwachs an Kindern bedeutet. Eine Schule kann nur leben, wenn der Nachwuchs stimmt (lächelt verschmitzt).
Wenn Sendelbach(er) drei Wünsche frei hätte(n), welche wären das?
Sendelbach:
• Eine Schulsanierung, eine bessere Ausstattung mit Lehrkräften, eine bessere Grunderziehung der Kinder. • Für die Kinder ein paar Freizeitangebote mehr, eine intensivere Nutzung der Mainlände für Freizeitangebote und insgesamt ein klein wenig mehr Infrastruktur im Einkaufsbereich.
Wie ist er, der Humor von Sendelbach?
Sendelbach:
• Manchmal ein bisschen zu sarkastisch, sehr oft ironisch. • Manchmal bezweifle ich, dass Sendelbach Humor hat (lacht laut).
Wie temperamentvoll ist Sendelbach?
• Mäßig bis zurückhaltend. • Bei den Dorffesten können sie sehr temperamentvoll sein – wie übrigens bei allen Festivitäten. Ansonsten lieben sie auch das Bequeme.
Wie steht es um den Nachwuchs?
• Es wird besser. • Der ist versorgt.
Erlauben Sie mir zum Abschluss noch drei persönliche Fragen, Reinhold Sendelbach betreffend. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie sich nach Sendelbach beworben haben?
Sendelbach: Die Entscheidung war nicht einfach, musste ich über Nacht treffen. Eigentlich bin ich gelernter Hauptschullehrer und ich war sehr nervös, den Umstieg zu wagen von der achten in die dritte Klasse. Bewegt haben mich meine eigenen Kinder, die damals im Kleinkindalter waren. Ich dachte: Wenn ich die zuhause erziehe, müsste es in der Schule auch funktionieren.
Gab die Namensgleichheit auch einen Ausschlag?
Sendelbach: Nein. Das war überhaupt kein Grund.
Wie oft müssen Sie sich wegen Ihres Namens rechtfertigen?
Sendelbach: Sehr oft. Es artet auch öfters in Streit aus am Telefon. (Er zitiert:) „Ich weiß, wie die Schule heißt, ich wollte Ihren (!) Namen wissen.“ (lacht)
Sendelbach – der Rektor, der Name und der Ort Reinhold Sendelbach, geboren 1954 in Würzburg, wuchs auf in Urspringen. Als Lohrer Gymnasiast lebte er im Aloysianum. Nach dem Abitur 1975 war er als Wehrpflichtiger Apothekenhelfer in Veitshöchheim, studierte dann bis 1979 in Würzburg. Nach zwei Jahren als Referendar in Urspringen und an der Teilhauptschule 1 in Lohr war er vier Jahre im mobilen Einsatz im Landkreis Main-Spessart. 1982 zog er in die Lindig-Siedlung, drei Jahre später wurde er Lehrer an der Grundschule Sendelbach, 2003 deren Leiter. Aktuell werden dort 154 Kinder in sieben Klassen unterrichtet. Im Radius von 50 Kilometern um Lohr finden sich über 100 Einträge dieses Namens im Telefonbuch, in ganz Deutschland gut 170. In den Passagierlisten nach New York im Zeitraum von 1850 bis 1934 sind rund zwei Dutzend Sendelbachs aus Deutschland registriert. Sendelbach, 1192 erstmals urkundlich genannt, ist mit 3029 Einwohnern der größte Stadtteil von Lohr (nach der Altstadt mit 4891 Einwohnern). Der Ort, der – im Gegensatz zum Mainzischen Lohr – zum Hochstift Würzburg gehörte, wurde bereits 1939 eingemeindet. Ein weitere Sendelbach gibt es in Mittelfranken als Ortsteil von Engeltal bei Hersbruck. Bachläufe namens Sendelbach finden sich unter anderem bei Kleinsendelbach (Nachbarort: Steinbach) nahe des oberfränkischen Neunkirchens, südlich von Bamberg und 17 Kilometer nordwestlich davon.