Es war kein Abschied für immer – und doch war der 11. Februar ein schwerer Tag für die Familie Wohlfart aus Zellingen. Denn da wurden zwei Frischlinge, die etwa sieben Wochen bei den Wohlfarts lebten, von ihrem neuen Besitzer abgeholt. Seither sind Sixten und Xaver – so heißen die beiden jungen Wildschweine – in der Nähe von Hammelburg zu Hause.
Der neue Ziehvater war auf die Tierchen aufmerksam geworden, nachdem die Main-Post über deren anrührende Geschichte berichtet hatte. Im Dezember hatten Sixten, Xaver und ihre beiden anderen „Brüder“ ihre Wildschweinmutter verloren. Vermutlich war sie beim Zusammenstoß mit einem Auto so schwer verletzt worden, dass sie kurz darauf im Wald starb.
Die vier kleinen Ferkel waren damit eigentlich dem Tod geweiht – wären da nicht die Jagdpächter Stefan Wohlfart und Otto Vogt gewesen. Sie fingen die frierenden Waisen ein und brachten sie in einen Stall auf dem Grundstück der Familie Wohlfart, wo sie von nun an liebevoll aufgezogen wurden. Die Kinder der Wohlfarts, Sophie (13 Jahre), Paul (10) und Moritz (8), schlossen die neuen Mitbewohner sofort ins Herz. Damit sie die Vier besser unterscheiden konnten, gaben sie ihnen Namen: Sixten, Xaver, Rudi und King Kong. Sie fütterten die Kleinen und spielten mit ihnen – und wie gut den Tieren die Fürsorge der Kinder und der ganzen Familie tat, sah man daran, wie gut und schnell sie heranwuchsen.
Ein Quartier auf Zeit
Stefan Wohlfart war jedoch von vornherein klar, dass sein Hof für die Frischlinge nur ein Quartier auf Zeit sein könnte. „Spätestens wenn die Tiere zehn Kilogramm schwer sind, kann ich sie aus Platzgründen nicht mehr bei mir halten“, sagte er, als die grunzenden Gäste gerade ein paar Tage bei ihm lebten.
Seiner Frau Michaela und ganz besonders den Kindern war daran gelegen, dass die Schweinchen nicht beim Metzger enden. Deshalb starteten die Wohlfarts einen Aufruf: Wer Sixten & Co. ein langes Leben garantieren könne, der solle sich melden.
Es dauerte ein Weilchen, da rief ein Mann aus dem Raum Hammelburg an. Er hat ein großes, relativ abseits gelegenes Grundstück. Dort gibt es viele Tiere, darunter Hühner und Enten. Auf sie hat es ein Fuchs abgesehen, der bei seiner Jagd auch immer wieder Erfolg hat. Der Mann hofft nun, dass er sein Fuchs-Problem los wird, wenn er als „Wachpersonal“ zwei Wildschweine auf seinem Grundstück hält. Momentan wirken Sixten und Xaver zwar nicht gerade Furcht einflößend, aber sie werden ja noch größer.
Einfach so wollten ihm die Wohlfarts zwei ihrer Lieblinge natürlich nicht überlassen. „Wir haben den Mann vorher zusammen besucht und uns überzeugt, dass sie es dort gut haben werden – genau so gut wie bei uns“, sagt Mutter Michaela.
Das Schöne am neuen Zuhause der beiden ist: Ganz in der Nähe gehen Stefan Wohlfart und seine Kinder einmal im Jahr zum Zelten und Kanufahren auf der Fränkischen Saale. Natürlich werden sie Sixten und Xaver dann einmal besuchen.
Neuer „Wildschwein-Papa“
Trotzdem: Als der neue „Wildschwein-Papa“ vor knapp drei Wochen mit seinem Auto auf den Hof der Wohlfarts fuhr, um seine zwei Frischlinge abzuholen, hatten alle aus der Familie einen dicken Kloß im Hals. Und nicht nur das: „Es sind auch ein paar Tränen geflossen“, sagt Mutter Michaela. Zum vorerst letzten Mal wurden Sixten und Xaver von den Kindern gestreichelt, dann kamen sie in eine Hundetransportbox – und ab ging die Reise in Richtung Hammelburg.
Ein kleiner Trost für die Wohlfarts war und ist, dass Rudi und King Kong noch eine Zeit lang bei ihnen in Zellingen bleiben. Doch auch von ihnen wird sich die Familie bald trennen müssen. Der Wildpark Gersfeld in der Rhön hat sich bereit erklärt, die beiden borstigen Brüder aufzunehmen – allerdings noch nicht sofort.
Umzug im Frühling
Die Wohlfarts dürfen sie erst bringen, wenn die letzten Schneereste in dem höher gelegenen Wildpark weggeschmolzen sind und die Zeichen auf Frühling stehen. Rudi und King Kong bekommen dort zunächst sogar ein Gehege für sich alleine. Aus gutem Grund: „Eine Rotte würde die zwei Neuzugänge niedermachen“, sagt „Leih-Mama“ Michaela.
Spätestens im Juni werden die Frischlinge dann Gesellschaft von anderen „Flaschenkindern“ bekommen. Alle jungen Wildschweine können sich in Gersfeld eines gewiss sein: Ein Fall für den Metzger werden sie dort garantiert nicht so schnell.