Zumindest für die Politiker in Main-Spessart klingt es eher wie ein Faschingsscherz: Es gibt einige bayerische Städte, die die Wiedereinführung ehemaliger Kraftfahrzeug-Kennzeichen anstreben. Landrat Thomas Schiebel und die Bürgermeister der vier Altlandkreisstädte hingegen winken dankend ab: „Das können wir in Main-Spessart nicht brauchen.“
KAR, GEM, LOH und MAR – dies waren die Abkürzungen für Karlstadt, Gemünden, Lohr und Marktheidenfeld. 1979 erfolgte die Umstellung auf das neue gemeinsame Kennzeichen MSP. Da war der Landkreis schon sieben Jahre jung. Er war 1972 bei der Gemeindegebietsreform zusammengelegt worden.
„Das ist für uns kein Thema, wir sind froh, dass wir MSP haben“, sagt Schiebel. „Wir bemühen uns, ihn homogen zu gestalten und die Altlandkreise zu integrieren.“ Auch gut fast 40 Jahre nach der Gebietsreform gebe es noch Überzeugungsarbeit zu leisten, damit die Menschen in Landkreisstruktur denken und sehen, dass sie örtliche Interessen öfter mal zurückstellen müssten. Zum Beispiel? Schiebel: „Zum Beispiel bei den Kliniken, Schulen oder Straßen.“
Landratsamts-Pressesprecher Holger Steiger ergänzt: Nur das Bundesverkehrsministeriums könne eventuelle Neuregelungen ermöglichen. Vor allem aber gebe es in Main-Spessart keine Anfragen von Bürgern, die die alten Kennzeichen wieder haben wollten.
Stärkung der Identifikation?
Anders ist dies bei den zwölf bayerischen Gemeinden Schrobenhausen, Alzenau, Dinkelsbühl, Eggenfelden, Krumbach, Mainburg, Neustadt bei Coburg, Nördlingen, Pegnitz, Rothenburg ob der Tauber, Rottenburg an der Laaber und Sonthofen. Die Wiedereinführung der alten Kennzeichen stärke die Identifikation der Bürger mit ihren heimatlichen Regionen, begründen die Initiatoren der Nummernschild-Kampagne.
Große Mühe hat sich die Hochschule Heilbronn gegeben, die in 81 deutschen Städten mehr als 17 000 Menschen befragt hat. Demnach gibt es eine eindeutige Zustimmung mit mehr als 68 Prozent für die Wiedereinführung. Dabei habe die jüngste Altersgruppe der 16- bis 30-Jährigen mit 76 Prozent am deutlichsten zugestimmt.
Die Marktheidenfelder Bürgermeisterin Helga Schmitt-Neder berichtet, dass alle MSP-Bürgermeister ein Schreiben der Initiative bekommen haben. Sie habe mit den drei anderen Bürgermeistern telefoniert: „Wir haben dankend abgelehnt.“ Für den 19. Mai lädt die Initiative in die Stadthalle Schrobenhausen ein.
Ausgerechnet die Region bei Schrobenhausen ist die Heimat des Karlstadter Bürgermeisters Paul Kruck. Dort habe es zwischen Neuburg und Schrobenhausen bei der Gebietsreform eine ähnliche „Wallung“ gegeben wie zwischen Karlstadt und Lohr, erinnert er sich. Da sei ebenso um Ämter geschachert worden wie damals im Landkreis Main-Spessart.
Durchgesetzt hatte sich dann das Kennzeichen ND für Neuburg/Donau. NS für Neuburg und Schrobenhausen wäre aufgrund der deutschen Geschichte (NS für Nationalsozialismus) nicht gegangen; und SN ebenfalls nicht, weil Schrobenhausen (altes Kennzeichen SOB) sozusagen „unterworfen“ worden wäre. Er halte die dortige Initiative nicht für zielführend, so Kruck.
Kennzeichen hat sich etabliert
Für Main-Spessart gelte dasselbe. Einerseits arbeite man immer noch an einer gemeinsamen Identität, die fast 40 Jahre nach der Gebietsreform immer noch nicht ganz erreicht sei, sagt der Karlstadter Bürgermeister sinngemäß das Selbe wie der Landrat. Anderseits habe sich gerade das Kennzeichen MSP„in den Köpfen etabliert“.
Das sehen auch der Gemündener Bürgermeister Georg Ondrasch und der Lohrer Bürgermeister Ernst Prüße so. Ondrasch: „Wir können gut mit MSP leben. Ich sehe keinen Bedarf für eine Änderung.“ Er fürchtet, das würde nur Kosten verursachen.
Prüße: „Ich halte davon gar nichts, wir wollen das Rad ja nicht zurückdrehen. Wir sind auf dem besten Wege zusammenzuwachsen.“ MSP sei inzwischen gut bekannt. „Wir identifizieren uns damit.“ Die alten Kennzeichen wieder einzuführen hält er für eine Schnapsidee.
Noch Hunderte alter Kennzeichen im Landkreis unterwegs
Während einer Übergangsphase wurden etliche Fahrzeuge auch aus den Räumen Gemünden, Lohr und Marktheidenfeld mit dem Kennzeichen KAR zugelassen. Daher gibt es unter den vier Altlandkreis-Kennzeichen auch heute noch am meisten jene mit dem Kürzel KAR.
Hier als kleiner Ausschnitt der Zulassungsstatistik die Personenwagen, Motorräder und Traktoren:
• Pkw (insgesamt 60- bis 70 000): KAR 173, GEM 9, LOH 77, MAR 20.
• Motorräder (insgesamt 4500 bis 5000): KAR 85, GEM 11, LOH 14, MAR 8.
• Traktoren: KAR 99, GEM 32, LOH 26, MAR 13.