„Jetzt reicht's!“, hat sich Andreas Köhler aus Thüngen gesagt. Seit 1986 ist er Friseur, also fast 30 Jahre. Tagaus, tagein hatte er mit all den Mittelchen zu tun, die in Frisiersalons üblich sind. Und die machten ihm zu schaffen. Er hatte massiven Ausschlag an den Händen und Probleme mit den Bronchien. Beides führte er auf „die Chemie“ an seinem Arbeitsplatz zurück. Vor zwei Jahren entschied er sich umzustellen auf „Naturfriseur“. Schrittweise ersetzte er in seinem Friseurladen in Thüngen die konventionellen Mittel durch verträglichere Substanzen.
Fünf Monate Ausbildung
Lange habe er über den Kurswechsel nachgedacht, berichtet der Thüngener Friseur rückblickend. Dann war die Zeit für die Wende reif. Knapp fünf Monate lang besuchte er an den Wochenenden Kurse, um sich zum Naturfriseur ausbilden lassen. Auch Pia Joa, die in seinem Salon in Teilzeit arbeitet, absolvierte diese Ausbildung.
Sie spricht von Schwermetallen wie Cadmium oder Quecksilber, und von Arsen und anderen Stoffen, die vor allem in Färbemitteln enthalten seien, um die Farbpigmente haltbarer zu machen. Andreas Köhler: „Die haben aber auf der Haut nichts zu suchen, weil sie auf diesem Weg in den Körper eindringen. Wir vergiften uns mit Kosmetik.“
Das Gegenteil bewirken
Er sehe sich seine Kunden nun ganzheitlich an und frage sie beispielsweise auch, welche Produkte sie zu Hause verwenden. Pia Joa: „Wenn man auf die Kopfhaut schaut, kann man daraus unheimlich viele Rückschlüsse ziehen.“ Sie sagt, teilweise würden die eingesetzten Mittel – etwa Shampoos – das Gegenteil von dem bewirken, was eigentlich beabsichtigt ist.
Viele Kundinnen hätten Kopfhautprobleme und würden die Färbemittel nicht mehr vertragen. Schätzungsweise zwei Drittel der Kundinnen haben gefärbte Haare. Bei den Männern sind es etwa zehn Prozent. Auch würden Weichmacher nicht nur die Haare, sondern auch die Kopfhaut weicher machen, wodurch mehr Schadstoffe in die Haut eindringen können.
Mit der Umstellung wurde auch der Salon neu eingerichtet. In den Regalen stehen auffallend wenig Mittel. Köhler hat eine Waschliege eigens anfertigen lassen. Hier können Haare gewaschen beziehungsweise nach dem Färben kann der Farbbrei ausgewaschen werden.
Denn auch beim Naturfriseur werden Haare gefärbt. Ein Pulver wird dazu mit Wasser und Essig angerührt. Die Naturfarbe halte ebenso lange wie die konventionelle, sagen die beiden Friseure. Doch könne man damit nur auf der bestehenden „Tonhöhe“ färben, also nicht extrem viel dunkler oder heller. Blonde Kundinnen beispielsweise, die schwarze Haare wollen, würden seitdem wegbleiben. Ebenso schrittweise, wie die Umstellung in dem Salon erfolgte, änderte sich die Kundschaft. Manche akzeptieren die Umstellung und kommen weiterhin. Andere bleiben nun weg. Insgesamt hat Köhler aber noch etwa gleich viele Kunden. Denn nun sieht man in seinem Salon auch etliche neue Gesichter, teilweise bis von Würzburg, Aschaffenburg oder Schweinfurt.
Selbst Haarspray gibt es hier. Es enthält Schellack, das Sekret der Lackschildlaus. Und zur Haarpflege dienen Bürsten. „100 Bürstenstriche, wie bei Oma“ sollen das herausholen, was nachts über die Kopfhaut entschlackt wurde, und den Talg in die Haarspitzen ziehen. Während des Auswaschens setzt der Naturfriseur ein Farblichtgerät ein. Dessen Farbstrahlung habe dieselbe Schwingung wie eine Körperzelle, erklären Andreas Köhler und Pia Joa.
Der Gesundheitszustand von Andreas Köhler scheint ihm Recht zu geben. Inzwischen seien seine Hände wieder gesund, sagt er. Das mit den Bronchien werde noch eine Weile dauern. Jahrelang habe er beim Frisieren „Dämpfe“ eingeatmet, die ihm nicht bekommen seien. „Jetzt fühle ich mich abends nicht mehr so benebelt.“