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LOHR: Wo sind nur die Vögel geblieben?

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Wo sind nur die Vögel geblieben?

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    Mahlzeit zu zweit: Eine Blaumeise und ein Buntspecht am Futterhäuschen von Vogelkundler Hartwig Brönner.
    Mahlzeit zu zweit: Eine Blaumeise und ein Buntspecht am Futterhäuschen von Vogelkundler Hartwig Brönner. Foto: Foto: Hartwig Brönner

    Wenig Meisen, wenig Finken, fast keine Kleiber, kaum Kernbeißer – wo sind nur die Vögel geblieben? Das haben sich viele Naturfreunde vor einem Jahr gefragt, als bei der traditionellen Winterzählung bundesweit fast 20 Prozent weniger Tiere beobachtet wurden als in den Jahren zuvor. Wie es wohl jetzt aussieht? Von diesem Freitag bis zum Sonntag ruft der Landesbund für Vogelschutz (LBV) wieder dazu auf, eine Stunde lang gefiederte Gäste am Futterhäuschen auf dem Balkon oder im Garten zu zählen. Hartwig Brönner von der LBV-Kreisgruppe Main-Spessart sagt, wieso das wichtig ist.

    Frage: Im vergangenen Winter war überall zu hören: Keine Besucher am Futterhäuschen, im Garten fehlen die Vögel. Wie ist's heuer?

    Hartwig Brönner: Dass im vergangenen Jahr nur wenige Vögel zu sehen waren, das hatte seine Gründe. Es gab schon während des Jahres Anzeichen, dass es nicht so gut aussieht mit dem Brutverlauf. Auch die Zahl der Einflüge von den Wintergästen aus dem Norden war nicht so hoch. Bruterfolge können sich nicht nur regional, sondern kontinental auswirken. Was die Frage des Klimawandels angeht: Da können wir regional noch keinen konstanten Trend erkennen. Wenn vom Norden große Schwärme einfliegen von Bergfinken oder vielleicht sogar – was die Ornithologen immer hoffen – vom Seidenschwanz, dann hat das oft mit der Nahrungssituation im Norden zu tun.

    Der Seidenschwanz frisst sehr viele Wildbeeren. Wenn ihm die fehlen, muss er nach Süden ausweichen. Die Situation ist jedes Jahr unterschiedlich.

    Besser als im letzten Jahr

    Und, wie ist sie in diesem Winter?

    Brönner: Ich habe eine relativ große Futterstelle auf einer Streuobstwiese bei Neustadt am Main. Im November habe ich begonnen, dort anzufüttern. Was meine ersten Beobachtungen angeht: Da ist viel los, auch was die Anzahl der Vögel angeht. Auch was ich aus dem Bekanntenkreis gehört habe: Es sieht besser aus als im letzten Jahr, es kommen auch wieder mehr Meisen. Und der Feldsperling wird wieder eine starke Rolle spielen. Ich habe die Hoffnung, dass zumindest in den Siedlungsbereichen und an den Ortsrändern die Futterstellen gut besucht sein werden.

    Gibt es eine Vogelart, die Sie schon seit langem nicht mehr gesehen haben?

    Brönner: Ja, beispielsweise den Dompfaff, auch Gimpel genannt. Der ist zumindest in unserer Region sehr, sehr rückläufig. Nicht nur im Winter. In meiner Jugend war er hier in Lohr sehr häufig zu sehen, heutzutage nur noch selten. Der Dompfaff ist ein typischer Waldvogel, ihn kann man inzwischen auch zur Brutzeit kaum noch beobachten.

    Der Dompfaff: Aus der Familie der Finken, Gattung: eigentliche Gimpel. Der Name rührt vom schwarzen Haupt und dem leuchtend roten Rumpf her, der an einen Domherrn erinnert. Kräftige Gestalt, schwarze Kappe und weißen Bürzel hben auch die Weibchen. Das ganze Jahr da, im Winter mit Zuzüglern aus dem Norden.
    Der Dompfaff: Aus der Familie der Finken, Gattung: eigentliche Gimpel. Der Name rührt vom schwarzen Haupt und dem leuchtend roten Rumpf her, der an einen Domherrn erinnert. Kräftige Gestalt, schwarze Kappe und weißen Bürzel hben auch die Weibchen. Das ganze Jahr da, im Winter mit Zuzüglern aus dem Norden. Foto: Ralph Sturm/ LBV

    Woran liegt das?

    Brönner: Der Dompfaff frisst halbreife und reife Samen von Wildkräutern und Knospen von Gehölzen, gelegentlich auch Beeren und kleine Insekten, die er für seine frischgeschlüpften Jungen benötigt. Diese Nahrungsgrundlage ist vielerorts nicht mehr gegeben. Seine Lebensräume, besonders im Siedlungsbereich haben sich geändert. Die meisten Finkenarten leiden genauso stark darunter. Sie ernähren sich normalerweise ganzjährig von sogenannten Unkräutern. Aber die Vielfalt an Hecken, „ungepflegten“, ungenutzten Flächen, Feldrainen, Blühflächen und Randstreifen fehlt. Eine extrem schwierige Situation für viele Arten in unserer Kulturlandschaft.

    Der Distelfink findet nur noch wenig Nahrung

    Für wen zum Beispiel noch?

    Brönner: Für den Bluthänfling, der in einem starken Winter nach Süden zieht. Den haben Sie früher auf jedem Friedhof gehabt, wo er in den Koniferen gebrütet hat. Jetzt fehlt ihm die Nahrung außen rum. Er sucht sein Futter am Boden, in der Krautschicht, und ist auf Feldrandpflanzen und Gartenunkräuter angewiesen. Und den Stieglitz, den Distelfink, muss man nennen, der im Winter ja da ist. Er findet auf den Blühbrachen mit Sonnenblumen und Disteln, die in der kalten Jahreszeit stehen gelassen werden, noch Nahrung. Aber solche Flächen werden oft nur für fünf Jahre aus der Nutzung genommen und sind natürlich im Verhältnis zur Gesamtfläche sehr, sehr klein.

    Es trifft also die Vögel, die direkt Pflanzen fressen. Und auch die, die von Insekten leben?

    Brönner: Genau. Wobei im Winter die meisten Insektenfresser gen Süden ziehen. Das Problem: Auch in den südlichen Regionen verändern sich durch die Bewirtschaftung die Landschaften und damit die Winterquartiere. Und vor allem die „Tankstellen“ auf dem Zug nach Süden. Deshalb muss man hier immer wieder klarmachen, dass wir nicht nur vom Rückgang unserer Brutvögel reden dürfen. Sondern auch von den Arten, die bei uns durchziehen und auf „Reisenahrung“ angewiesen sind.

    Die kleinen Insektenfresser müssen immer wieder zwischenlanden und sich auftanken. Manche bleiben ja auch bei uns, wie der Zaunkönig. Und die Rotkehlchen, die wir im Winter bei uns haben, sind nicht immer die einheimischen Rotkehlchen, sondern Gäste aus Nordeuropa.

    Hartwig Brönner von der LBV-Kreisgruppe Main-Spessart
    Hartwig Brönner von der LBV-Kreisgruppe Main-Spessart

    Zählung hilft den Wissenschaftlern

    Wieso ist es wichtig, die Vögel zu zählen? Wieso sollten viele mitmachen?

    Brönner: Für mich persönlich ist der wichtige Aspekt, dass man sich – am besten zusammen mit Kindern, in der Familie – in einfachster Form direkt vor der Haustür, vor dem eigenen Fenster mit der Natur beschäftigen kann. Das ist wichtig, weil die Umweltbildung heutzutage leider fast nur noch den Umweltverbänden überlassen wird. Man merkt es an den Kindern – sie kennen die einzelnen Arten, ihre Bedürfnisse nicht mehr. Wie sollen künftige Generationen die für unsere Lebensgrundlagen so wichtigen intakten Ökosysteme verstehen und berücksichtigen? Und dann darf man den wissenschaftlichen Aspekt nicht vergessen. Die Zahlen aus der Vogelzählung werden verwendet. Je mehr Leute mitmachen, desto dichter wird das Datennetz, mit dem die Wissenschaftler Trends über lange Zeiträume erkennen können.

    Muss man im Winter füttern? Soll man füttern?

    Brönner: Ob die Vogelwelt früher oder später auf die Winterfütterung angewiesen ist, das steht noch in den Sternen. Klar ist, dass natürlich durch die Veränderung der Lebensräume den Vögeln in der kalten Jahreszeit weniger Nahrung zur Verfügung steht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Vogelwelt heutzutage bei unseren Wintern im Fränkischen noch ganz gut auch ohne Unterstützung zurechtkommen würde.

    Peter Berthold, der Ornithologe vom Max-Planck-Institut in Radolfzell, empfiehlt, das ganze Jahr über zu füttern.

    Brönner: Die Notwendigkeit kann ich nicht erkennen. Wenn jemand das ganze Jahr über Vögel füttern will und ein paar Regeln einhält, hätte ich grundsätzlich nichts dagegen.

    Auf saubere Futterstellen achten

    Welche Regeln?

    Brönner: Hygiene am Futterhaus! Es muss nicht alles steril sein. Aber wenn man immer nur eine kleine Fläche mit Futter voll schüttet und nie sauber macht, fördert man die Ausbreitung von Krankheiten. Grundreinheit ist ein Gebot. Man sollte kein Futter im Feuchten liegen lassen, weil es sonst schimmeln kann. Verkotete Futterstellen sollte man – am besten nur mit heißem Wasser – sauber machen.

    Ein Besen hilft da schon viel. Oder man wählt die Futterstelle so, dass nicht viel verschmutzt, also Futtersäulen. Und ganz wichtig: Wenn ich im Herbst anfange zu füttern, dann sollte ich das durchziehen bis März.

    Egal ob es Frost hat oder nicht und ob es schneit?

    Brönner: Die Vögel stellen sich auf die Nahrung ein, sie werden bequemer, für die ist eine Futterstelle ein Habitat. Bei Frost oder Schnee kommen natürlich mehr Vögel. Dann sind auch die da, die sonst genug Nahrung in der Natur finden. Und Rotkehlchen zum Beispiel sind territorial und verteidigen ihre Plätze. Sie werden kaum an einem Futterplatz mehrere Rotkehlchen finden. Wenn sie dann dort die Fütterung aussetzen, kann das Rotkehlchen schlecht ausweichen.

    Beim Futter auf die Qualität achten

    Was sollte man am besten verfüttern?

    Brönner: Ein hochwertiges Mischfutter. Wenn man nur Sonnenblumenkerne füttert – damit kann ein Rotkehlchen, ein Zaunkönig, eine Amsel nichts anfangen. Haferflocken mit etwas Pflanzenfett, ein paar Nüsse, Rosinen – damit hat man ein hochwertiges Fettfutter, da gehen auch Spechte und Meisen dran. Es gibt im Handel sehr gute Mischungen, aber auch sehr schlechte. Lieber ein paar Euro mehr investieren, dafür weniger füttern. Wenn man zu viel billiges Futter anbietet, verschwendet man viel – denn die Vögel werfen auch viel raus, die merken, was gut für den Stoffwechsel ist und was nicht.

    Über welchen Vogel haben sie sich zuletzt am meisten gefreut?

    Brönner: Über das Pärchen Dompfaffen, das ich im Dezember bei mir an der Futterstelle gesehen habe. Das war schon sehr erfreulich.

    Hartwig Brönner ist seit 40 Jahren Mitglied im Landesbund für Vogelschutz (LBV) und seit 20 Jahren aktiv in der Vorstandschaft des LBV Main-Spessart. Die Kreisgruppe leitet er seit 2006 als Erster Vorsitzender. Der Maschinenbauingenieur ist selbstständig und bietet Dienstleistungen in der Naturschutzarbeit an. Der 61-Jährige lebt in Lohr und betreibt neben den Hobbys Ornithologie und Naturschutz auch Naturfotografie.

    Wintervogelzählung Vom 5. bis 7. Januar findet deutschlandweit wieder die „Stunde der Wintervögel“ statt – in Bayern bereits zum 13. Mal. Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) ruft mit dem Nabu dazu auf, eine Stunde lang die Vögel am Futterhaus zu beobachten und zu melden. Die Zählung gilt als größte wissenschaftliche Mitmachaktion Deutschlands, bei der möglichst viele Menschen große Datenmengen sammeln und so Hinweise zur Entwicklung der Vogelbestände geben. Die Zählung funktioniert ganz einfach: Von einem ruhigen Beobachtungsplätzchen aus wird von jeder Art die höchste Anzahl notiert, die im Laufe einer Stunde gleichzeitig zu beobachten ist. Die Beobachtungen können im Internet bis zum 15. Januar gemeldet werden unter www.stunde-der-wintervoegel.de Man kann die Meldung auch per Post schicken: LBV, Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein oder am 6. und 7. Januar von 10 bis 18 Uhr kostenlos durchgeben unter Tel. 0800-115-7-115. Einen Infostand bietet die LBV-Kreisgruppe Main-Spessart am Samstag, 6. Januar: Von 11 bis 16 Uhr kann jedermann an einer Musterfutterstelle bei der Waldgaststätte Bayrische Schanz in Lohr-Ruppertshütten Vögel beobachten und zählen. Dazu gibt es Informationen zu den einzelnen Arten und zur Fütterung. nat

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