In den vergangenen Jahren kam es im Schnitt zu drei bis vier Fällen der von Viren verursachten Erkrankung des zentralen Nervensystems. Das Gesundheitsamt rät den Menschen daher dringend zur Impfung gegen FSME.
Walter S. (Name von der Redaktion geändert) war nicht geimpft. Obwohl der 73-Jährige direkt am Waldrand wohnt und regelmäßig im Forst spazieren geht, dachte er sich, was so viele denken: Mich wird es schon nicht treffen. Ein Leichtsinn, der auf der Intensivstation des Lohrer Krankenhauses im künstlichen Koma endete.
Als S. Ende Juli dieses Jahres eine Zecke entdeckt, die sich neben seiner Brustwarze festgebissen hatte, ist das Tierchen ebenso schnell mit der Zeckenzange beseitigt, wie manch anderes zuvor. Damit ist die Sache für Walter S. erledigt. Rund einen Monat später klagt er über Glieder- und Kopfschmerzen. Eine Sommergrippe, denken S. und seine Frau. In den folgenden Tagen schwitzt und schläft Walter S. viel. Dann verschwinden die Beschwerden wieder. Aber nur für zwei Tage. Innerhalb weniger Stunden verschlechtert sich dann der Zustand des zuvor so rüstigen Rentners dramatisch. Walter S. kann nicht mehr laufen. "Er ist umgefallen wie ein Sack", erinnert sich seine Frau. Der alarmierte Arzt ruft sofort den Rettungswagen.
Im Lohrer Krankenhaus verschlechtert sich der Zustand von Walter S. weiter. Er kann nichts mehr essen. Selbst das Trinken aus der Schnabeltasse gelingt nicht mehr. Die Untersuchung macht klar: Die Zecke hat Walter S. nicht nur mit FSME-Viren infiziert, sondern auch mit der Borreliose, der zweiten gefährlichen Krankheit, die durch Zecken übertragen werden kann.
"Jeder ist für seine Gesundheit selbst verantwortlich"
Dr. Lorenz Scherg, Leiter des staatlichen Gesundheitsamtes
Walter S. fällt das Atmen immer schwerer. Er muss an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden. Schließlich entscheiden sich die Ärzte, ihn in ein künstliches Koma zu versetzen. Der Zustand des Patienten ist ernst. "Das war richtig schlimm", erinnert sich seine Frau an die Woche, die Walter S. im künstlichen Koma zubringt. Voll des Lobes ist die Frau über die Arbeit des Lohrer Krankenhauspersonals, das sich fürsorglich um ihren Mann gekümmert habe.
Nach einer Woche holen die Ärzte den Patienten langsam aus dem Koma zurück. In kleinen Schritten verbessert sich sein Zustand. Wahrnehmung und Reaktion sind allerdings nach wie vor verlangsamt. Ihr Mann schlafe fast den ganzen Tag, sagt die Frau von Walter S.. Die Mediziner hätten deutlich gemacht, dass sie ihren Mann "wie ein rohes Ei" behandeln müssten. Sein noch instabiler Zustand könnte zum Beispiel durch eine Lungenentzündung völlig aus dem Lot geraten.
Wie lange es noch dauern wird, bis Walter S. wieder Aufstehen oder gar das Krankenhaus verlassen kann, ist unklar. Ebenso die Antwort auf die Frage, ob Folgeschäden zurückbleiben.
Dr. Lorenz Scherg, Chef des staatlichen Gesundheitsamtes in Karlstadt, rät angesichts des rapiden Anstiegs der FSME-Fälle dringend zur Impfung gegen FSME. Scherg: "Jeder ist für seine Gesundheit selbst verantwortlich." Die Impfung werde von den Krankenkassen bezahlt.
Walter S. hat seine Lehren aus den vergangenen Wochen gezogen. Seiner Frau, die bereits seit Jahren geimpft ist, hat er gesagt: "Wenn ich wieder gesund bin, lass' ich mich impfen". Das freilich wäre überflüssig. Denn wenn jemand erst einmal eine FSME-Erkrankung überstanden hat, ist er lebenslänglich immun.
Um Zeckenbisse von vorneherein zu verhindern, gibt das Landratsamt folgende Tipps: · Helle Kleidung, die möglichst viel Körperoberfläche bedeckt, erleichtert die Erkennung von Zecken. · Da Zeckenstiche häufig unbemerkt bleiben, empfiehlt sich nach einem Aufenthalt in der freien Natur ein sorgfältiges Absuchen des Körpers. · Bei einem Zeckenbefall sollte die Zecke schnell entfernt werden. Ein Quetschen sollte man vermeiden, da die Zecke dabei vermehrt Viren in die Stichwunde spuckt. Deshalb sollten auch Öl, Klebstoff oder Wachs nicht verwendet werden.
Bei Unsicherheit sei es ratsam, einen Hausarzt aufzusuchen, so das Gesundheitsamt.