Um Langzeitarbeitslosen eine neue Chance zu geben, hat eine gemeinnützige Einrichtung in Ulm ein Sozialkaufhaus gegründet. Es bietet ihnen sogenannte Ein-Euro-Jobs, die umstritten sind.
Sigmund hat in einem Metallbetrieb gearbeitet, bis ihm vor drei Jahren gekündigt wurde. „Ich bin a bissle krank mit der Hüfte“ sagt der 55-jährige Schwabe. Die Arbeit im Sozialkaufhaus in Ulm findet er besser, als zu Hause rumzusitzen. Insgesamt 26 sogenannte Ein-Euro-Jobber sind dort beschäftigt. „Meistens fünf Stunden am Tag, mehr können sie gar nicht“, sagt Sozialpädagogin Ina-Maria Blumstein. Die Neue Arbeit gGmbH, eine gemeinnützige Einrichtung, gründete vor wenigen Monaten das Sozialkaufhaus in der Donaustadt, um Langzeitarbeitslosen mit einem kleinen Job zu helfen.
Seit gut einem Jahr dürfen die sogenannten Ein-Euro-Jobs nicht mehr in Konkurrenz zu anderen Unternehmen stehen, sondern nur in Einrichtungen für Bedürftige angeboten werden. „Mit dem Sozialkaufhaus konnten wir unseren Langzeitarbeitslosen eine Beschäftigung geben“, sagt Geschäftsführerin Birgitt Wölbing. „Von einem vergleichbaren Fall in Baden-Württemberg weiß ich nichts“, erklärt Ralf Nuglisch vom Paritätischen Landesverband in Stuttgart.
Die Zahl der Ein-Euro-Jobs sei massiv reduziert worden, kritisiert Nuglisch. Und auch die Fördergelder habe die Regierung drastisch gekürzt. „Von den rund 100 sozialen Einrichtungen in Baden-Württemberg sind ein Fünftel in einer wirtschaftlichen Notlage. Viele müssen ihre Maßnahmen kürzen“, sagt Klaus Kittler von der AG Arbeit in Stuttgart, einem Zusammenschluss verschiedener Wohlfahrtsverbände. „Auch die Neue Arbeit gGmbH in Ulm ist existenziell bedroht“, betont Geschäftsführerin Wölbing.
Monika ist 58 Jahre alt und hat Rheuma. Vor sieben Jahren starb ihr Mann, sie war viele Jahre zu Hause. „Ich habe meine Enkel großgezogen“, erzählt die frühere Schuhverkäuferin. In der Zeit war sie arbeitslos gemeldet. Nun arbeitet sie wieder, im Sozialkaufhaus. „Aber abends bin ich platt.“ Sie bekommt 1,80 Euro die Stunde.
„Der typische Langzeitarbeitslose, der hier Waren verkauft, umetikettiert oder umsortiert, ist ungelernt geblieben – wegen Krankheit, Sucht oder Migrationshintergrund“, sagt Blumstein. „Im Zuge des Älterwerdens sind sie auf der Strecke geblieben und haben hier eine neue Aufgabe gefunden.“ Die Sozialpädagogin stärkt das Selbstbewusstsein der Beschäftigten, hilft bei Schulden, Räumungsklagen, Gerichtsprozessen, spricht mit Frauen, die Gewalt erlebt haben und kümmert sich um diejenigen, die Behördenbriefe nicht verstehen. „Jeder hat ein anderes Problem“, so Blumstein.
Das Sozialkaufhaus ist im ersten Stockwerk eines großen Second-Hand-Ladens der Neuen Arbeit untergebracht. „Das Teuerste, was es hier gibt, kostet acht Euro“, erzählt Regionalleiterin der Neuen Arbeit, Birgit Slave. Bücher, Haushaltswaren, Spielsachen – alle Artikel sind übersichtlich auf Regalen gestapelt, gut erhaltene Kleider aufgehängt. „Einkaufen dürfen hier nur Menschen mit einem Berechtigungsausweis, Hartz-IV-Empfänger, Besitzer einer Karte für den Tafelladen oder einer sogenannten Lobbycard, für die man nur ein bestimmtes Einkommen haben darf“, sagt Slave.
„Die Zahl der bedürftigen Menschen hat zugenommen, das sieht man auch an den Tafelläden“, betont Geschäftsführerin Wölbing. Etwa 20 bis 30 Kunden kommen derzeit pro Tag in Sozialkaufhaus.
Ein Großteil der Produkte, die im Sozialkaufhaus verkauft werden, sind Spenden. Morgens um 9 Uhr, wenn das Sozialkaufhaus öffnet, stehen schon Frauen mit Wäschekörben voller Kleidern davor. Die Artikel werden erst drei Wochen im Second-Hand-Laden ausgelegt. Wenn niemand sie kauft, kommen sie zum kleinen Preis ins Sozialkaufhaus, das vom Jobcenter und dem Europäischen Sozialfonds gefördert wird.
Die Beschäftigung von Ein-Euro-Jobbern sieht der Regionschef des DGB-Südwürttemberg, Peter Fischer, prinzipiell kritisch. „Je größer der Anteil der Ein-Euro-Jobber oder Leiharbeiter ist, desto größer ist der Druck auf das gesamte Lohngefüge“, sagt Fischer. Der Gewerkschafter glaubt nicht, dass der Ein-Euro-Job – wie ursprünglich von der Bundesregierung gedacht – eine Brücke für den normalen Arbeitsmarkt ist, sondern die Beschäftigten in ihrer unterbezahlten Situation hängenbleiben.