Ganz so schlimm wie in der Finanzkrise 2008/2009 wird es dieses Mal nicht kommen, sind sich Karin Käppel, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim und Professor Wolfgang Reinhart sicher. Die Agenturchefin und der Minister a.D. und Fraktionschef der CDU-Landtagsfraktion hatten sich zu einem Treffen angesichts der aktuellen Herausforderungen auch am Arbeitsmarkt verabredet.
Die neuesten Zahlen der Arbeitsagentur für den Monat Mai werden zwar erst im Laufe dieser Woche veröffentlicht, aber Käppel konnte schon mal soviel verraten, dass die Arbeitslosenzahlen nicht in dem Maße gestiegen sind, wie vor zwölf Jahren, in der letzten Krise. Sicher sei die Talsohle noch nicht erreicht, aber die vielen Maßnahmen von Bund und Ländern würden vieles abfedern. Käppel geht von einer etwas höheren Arbeitslosenquote als von den 3,4 Prozent im April aus für ihren Bereich. Das sei angesichts der vielen geschlossenen Betriebe ein sehr guter Wert, pflichtete ihr Reinhart bei. Vor allem das Kurzarbeitergeld habe vieles aufgefangen.
Trotzdem sieht Käppel auch einige Traditionsunternehmen in der Region auf wackeligen Füßen. "Wir können keine Vollkasko-Mentalität aufkommen lassen, aber weitestgehende Hilfen anbieten", so Reinhart, der in Stuttgart auch der Fraktionsvorsitzende der Landtags-CDU ist. Fest steht für ihn, dass "wir nicht mehr zurück zum Ausgang können, aber wir können die Zukunft sichern".
Kundenberater springen ein
Er lobte die gute Arbeit der Agentur für Arbeit, die vor allem bei der Auszahlung des Kurzarbeitergeldes sehr schnell reagiere. Käppel berichtete, dass im operativen Bereich der vier Bezirke normalerweise 24 Mitarbeiter beschäftigt seien. Aktuell werden diese jedoch von Kundenberatern unterstützt, die im Moment nicht so stark nachgefragt sind. Mit einer Bearbeitungsdauer von durchschnittlich 3,2 Tagen sei man Spitze in Baden-Württemberg.
Vor allem der Maschinenbau sei hart von der Krise betroffen, erläuterte die Agenturchefin, dann folgen Handel und Gastgewerbe. Allein bei letzterer seien 136 Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen. Aber "es ist noch Bewegung im Arbeitsmarkt", so Käppel. In einigen Branchen gebe es nach wie vor unbesetzte Stellen, wie in der Pflege oder in der Baubranche. Durch die Corona-Krise habe die Digitalisierung einen gewaltigen Schub bekommen, viele Betriebe hätten sich umgestellt und würden soweit möglich Heimarbeit anbieten, aber auch die Beratungen in der Agentur für Arbeit seien nun viel häufiger am Telefon oder per E-Mail möglich.
Professor Reinhart stellte in Aussicht, dass die Digitalisierungsprämie gewaltig erhöht wird, um den Ausbau von digitalen Arbeitsplätzen voranzubringen. Dies werde im Rahmen anstehender weiterer Konjunkturpakete als wichtiger Zukunftsbereich gefördert werden, meinte der ehemalige Bundesratsminister und jetzige Fraktionsvorsitzende in Stuttgart.
Betriebe und Azubis zusammen bringen
Positiv stimmt Käppel, dass viele Betriebe an ihren Auszubildenden festhalten und teilweise sogar weitere Plätze für das kommende Ausbildungsjahr anbieten wollen. Das Problem sei derzeit nur, die Betriebe und die potenziellen Auszubildenden zusammenzubringen. Hier wird hoffentlich nach den Pfingstferien Besserung eintreten, wenn die Berufsberater wieder in die Schulen dürfen. Anders als IHK oder Handwerkskammer ist sich Käppel sicher, dass fast alle Ausbildungsplätze belegt werden können.
Käppel wies außerdem darauf hin, dass Qualifizierungsmaßnahmen für den Arbeitsmarkt weiter laufen, natürlich mit allen notwendigen Hygienemaßnahmen. In Kürze werde auch das Gebäude in der Pestalozziallee wieder für Publikumsverkehr öffnen.
Wolfgang Reinhart dankte ihr für die konstruktiven Gespräche und plädierte dafür, dass alle einschränkenden Maßnahmen in der Krise "immer neu im Lichte der Verhältnismäßigkeit der Lage beurteilt werden müssen".