Kostenlos eine neue Friseur plus professionelles Bewerbungsfoto – die Aktion lockt die Kunden in Scharen in das Geschäft. „Heute morgen waren schon 20 Leute da. Wahnsinn“, sagt Sybille Singer. Sie hat diesen Tag ausschließlich für ihre Aktion reserviert, die sie mit Plakaten bei der Agentur für Arbeit und beim Tafelladen angekündigt hat. Ihr Partner ist dabei das Fotogeschäft Besserer, in dem sich die Arbeitslosen nach dem Friseurtermin auch noch fotografieren lassen können. Mit ihrer Aktion will Sybille Singer genau den Menschen helfen, die Hilfe brauchen können.
„Mein Sohn war ganz entsetzt, als ich ihm erzählt habe, dass ich hierher kommen will“, verrät lachend Beate T. (Name geändert) aus Weikersheim. Die 42-Jährige sucht derzeit einen Job als Erzieherin. Damit es bald klappt mit der neuen Arbeit, möchte sie für ein professionelles Bewerbungsfoto chic aussehen. Ihr Lebensgefährte Alex F. (Name geändert) ist ebenfalls arbeitslos.
Beide haben die Chance genutzt und sich bei Sybille Singer eine neue Frisur machen lassen. Alex F. ist schon fertig: Mit seinen fransig geschnittenen schwarzen Haaren und – fürs Foto – sogar ein bisschen Puder im Gesicht, wartet der gelernte Gärtner auf seine Freundin. „Dieser Schnitt ist ein bisschen ausgeflippt“, sagt Alex F. zu seinem neuen Look. „Ich bin sehr zufrieden.“
Beate T. muss unter ihrem Umhang noch eine Weile ausharren: Die frisch aufgetragene Farbe wirkt gerade ein. Und wie soll die neue Frisur aussehen, wenn sie fertig ist? Beate T. kramt ein Foto aus ihrer Handtasche: „So!“, sagt sie. Das Foto zeigt keine Geringere als Model Heidi Klum mit feschem blondem Fransenschnitt. „Nur blond wird es nicht“, ergänzt Beate T., die von Natur aus dunklere Haare hat. „Es soll ja an mir natürlich aussehen.“
Wer heute in den Salon Singer kommt, ist für das Friseurteam ein ganz normaler Kunde – auch, wenn der Haarschnitt diesmal nicht bezahlt werden muss. Jeder darf sich die Frisur aussuchen, die er möchte: Farbe, Locken, Stufenschnitt, dazu für die Damen ein passendes Make-up. Heike B., die Dame mit den schönen Haaren, hat sich nur vom unteren Teil der prächtigen Mähne getrennt. „Zehn Zentimeter, hat mein Mann gesagt, mehr nicht“, so die 33-Jährige aus Bad Mergentheim, die im bequemen Frisiersessel inmitten ihrer abgeschnittenen Spitzen vor dem Spiegel sitzt. Bei der Agentur für Arbeit hat sie das Plakat mit der Ankündigung der Aktion gesehen und beschlossen, die Chance zu nutzen.
Das hat auch Carina Ziemehl getan. Die 23-jährige arbeitssuchende Floristin aus Bad Mergentheim hat ihren kleinen Sohn zum Friseurtermin mitgebracht. Während bei der Mama die Farbe aufgetragen wird, marschiert der anderthalbjährige Yannis durchs Friseurgeschäft. An Aufsichtspersonen mangelt es nicht: Einer der 20 Mitarbeiter aus den beiden Salons von Sybille Singer hat immer ein Auge auf den kleinen Mann. Da er noch kein Bewerbungsfoto benötigt, bleiben seine Haare an diesem Tag ungeschoren.
Ob er seine Mama noch wieder erkennen wird, wenn Jung-Stylistin Svetlana Brunßen mit ihr fertig ist? „Bis jetzt passt alles“ meint Carina Ziemehl. „Ich vertraue ihr.“ Die Stylistin nimmt das Kompliment lächelnd entgegen. „Es ist immer schön, wenn sich jemand über eine gelungene Frisur freut“, sagt sie. Trotzdem ist dieser Tag kein gewöhnlicher Arbeitstag für sie. „Es ist etwas Besonderes, jemandem eine Freude zu machen.“