Eitel waren sie, die Kelten. Liebten schon in der Zeit vor Christus farbenfrohe Kleidung mit Karo-Muster und Streifen. Asterix, der wohl bekannteste Kelte, ist mit seinem roten Beinkleid das beste Beispiel für diese von Geschichtsforschern entdeckte Vorliebe der Kelten. Doch nicht nur in Gallien, auch an der Tauber lebten Angehörige dieser Volksgruppe. Burgstall, ein zu Creglingen gehörender Weiler, liegt mitten in einer von Kelten angelegten Siedlung. Dort soll nun sogar ein keltisches Haus entstehen.
Ortstermin in der Flachsbrechhütte, einem „Kleinstmuseum“ auf dem Gelände des keltischen Oppidums. Die Pressevertreter sollen erfahren, wie man nach 2000 Jahre alten Vorbildern ein Haus errichtet. Ortsvorsteher Fritz Danner ist da, mit ihm der stellvertretende Bürgermeister Karl Haag, ein Archäologe, der Planer und Mitglieder des Vereins Keltisches Oppidum Finsterlohr-Burgstall. Vor einigen Jahren schlossen sich geschichtsbegeisterte Creglinger zu diesem Verein zusammen. Die Creglinger „Kelten“ wollten die bedeutende kulturelle Anlage vor ihrer Haustür aus ihrem Dornröschenschlaf erwecken.
Fliehburg für Notzeiten
Unter dem Stichwort „sanfter Tourismus“ sollte das Oppidum Besucher anlocken. Zuerst entstanden ein Info-Zentrum und ein keltischer Lehrpfad. Außerdem wurde ein Stück der Pfostenschlitzmauer, die die Siedlung in alten Zeiten umgab, wieder aufgebaut. In einem zweiten Schritt wird nun ein keltisches Wohnhaus rekonstruiert. Dass über einen längeren Zeitraum Kelten in Burgstall lebten, hält Vereinsmitglied Hermann Riederer für sehr wahrscheinlich. Auch wenn bisher keine konkreten Hinweise wie Pfeil- oder Lanzenspitzen gefunden wurden.
Denn das Oppidum, so bezeichneten die Römer bedeutende befestigte Siedlungen, beansprucht eine Fläche von 123 Hektar und hat einen Umfang von fünf Kilometern. Hier muss in der Zeit um 200 vor Christus Einiges los gewesen sein. Hermann Riederer glaubt, dass die Kelten die Anlage als große Fliehburg für Notzeiten errichteten. Aber warum? Dass sie Angriffe seitens der Römer befürchteten, glaubt Riederer nicht. „Die Römer überschritten den Limes nur sehr ungern.“ Vielleicht aber waren es die Germanen, die sich auf dem Land der Kelten ansiedeln wollten und diese bedrohten.
Die gallische Mauer
Doch vor wem auch immer die Kelten sich schützen wollten – sie gingen strategisch sehr geschickt vor. Das Oppidum liegt auf einer Hochebene über dem Taubertal, die nach drei Seiten hin steil abfällt. Zur flachen Seite, nach Hohenlohe hin, bildete die schon erwähnte Pfostenschlitzmauer ein nur schwer zu überwindendes Hindernis. Julius Caesar bezeichnete diese Art von Verteidigungsanlage in seinem „Gallischen Krieg“ übrigens als „Murus Gallicus“, die gallische Mauer. Und die Erbauer dieser Mauer lebten wahrscheinlich in genau solchen Häusern, wie nun in der Nähe der Flachsbrechhütte eines errichtet wird.
„Der Verein will möglichst dicht am Original bauen“, sagt Archäologe Markus Rehfeld von der Universität Würzburg, der für das Projekt sein Fachwissen zur Verfügung stellt. Da aber in Burgstall kein Hausgrundriss gefunden wurde, haben sich die Planer bei den bayerischen Nachbarn bedient. In Manching befand sich ebenfalls eine große Keltensiedlung. Von dort stammt der Grundriss für das neue Haus. 6,40 auf 5,40 Meter groß und rund sechs Metern hoch wird es werden. Errechnet wurden die Maße aus den ursprünglichen Längenangaben, die auf dem 31 Zentimeter langen „keltischen Fuß“ basieren. Mit den Details durften sich die Planer herumschlagen: Martin Schuch und sein Vater Hans. „Ich bin seit über 40 Jahren Architekt und Bauleiter“, verrät Hans Schuch. „Und es fällt mir schwerer, so ein Haus zu planen als ein Einfamilienhaus.“ Es gab Vieles, was Schuch dazu lernen musste. Denn aus Materialien wie Weidengeflecht, Stroh und Lehm entstehen heutzutage kaum noch Außenwände.
Hilfe vom Projekt Chance
Zum Glück hat die Bauausführung jemand übernommen, der so etwas schon einmal gemacht hat: Christian Soldner und seine Truppe vom Projekt Chance in Frauental. Vier bis fünf junge Männer werden in den kommenden Monaten im Oppidum Eichenstämme in der Erde verankern und aus Flechtwerk und Lehm Wände hinauf ziehen. Obenauf kommt ein Dach aus handgespaltenen Lärchenschindeln. „Schilf wäre zu teuer gewesen“, sagt Architekt Schuch. Im Allgäu trieb er stattdessen die Schindeln auf. Damit liegt er in Sachen originalgetreues Arbeiten nicht weit daneben, denn auch im Allgäu lebten Kelten.
Ohne die Mithilfe des Projekts Chance wäre die Verwirklichung des Hauses kaum möglich gewesen, betont Ortsvorsteher Danner. Denn auch ein Haus aus Lehm und Mist kostet Geld. 30 000 Euro verschlingt das Projekt „Keltenhaus“. Wider Erwarten, freut sich Danner, seien staatliche Zuschüsse bewilligt worden. Trotzdem muss der Verein noch immer 7000 Euro selbst aufbringen. Doch beim Projekt Chance sei man sogleich Feuer und Flamme gewesen, sagt der Ortsvorsteher.
Das Projekt Chance ermöglicht es jugendlichen Straftätern, statt einer Haftstrafe ein soziales Training zu absolvieren. In der Einrichtung in Frauental unterwerfen sich die jungen Männer strengen Regeln und nehmen gleichzeitig ihre berufliche Zukunft in Angriff. Einige haben sich im Rahmen ihrer Hauptschulausbildung für Bautechnologie entschieden. Ein Fach, das von Christian Soldner unterrichtet wird.
Er wird mit seinen Jungs das Keltenhaus bauen und freut sich schon. „Insbesondere Männer haben den Wunsch, Spuren zu hinterlassen“, erklärt Soldner. Wie erfolgreich manche damit seien, könne man am Oppidum Burgstall erkennen. Vor 2000 Jahren hätten hier Menschen ihre bis heute sichtbaren Spuren hinterlassen. Es den Kelten gleichzutun, sei eine Herausforderung für seine Jungs, so Soldner. Für die jungen Männer wird das Keltenhaus deshalb wohl immer „ihr“ Haus sein.
Beton unter der Erde
Für geschichtsbegeisterte Besucher wird es eine Möglichkeit sein, sich in den Alltag der Kelten hineinzuversetzen. Das Haus liegt an dem Wanderweg, den der Keltenverein auf der Hochebene bei Burgstall angelegt hat. Es soll auch innen zugänglich sein und einen Garten mit zur Keltenzeit verwendeten Nutzpflanzen erhalten.
Der erste Pfosten wurde beim Pressetermin gesetzt. Ende 2010 soll das Keltenhaus fertig sein. Und lange stehen bleiben. Denn mögen auch die Kelten keine Bauaufsichtsbehörde besessen haben – der Nachbau muss den heutigen Anforderungen der Statik gerecht werden. Deshalb werden die Eichenpfosten unter der Erde in Beton verankert.
Wandern rund ums Oppidum
Auf den Spuren der Kelten kann man bei Burgstall wandern. Der 2,5 Kilometer lange Keltenlehrpfad beginnt an der Flachsbrechhütte, führt zur restaurierten Pfostenschlitzmauer, dann auf den Wall und bis zur Steilkante des Taubertals. Zu erkennen ist noch, dass hier früher einmal eine Toranlage stand. Der Weg folgt der Steilkante noch einige hundert Meter nach Osten, geht über in einen Feldweg und führt zurück zum Parkplatz an der Flachsbrechhütte.
Der Kleeblattweg erschließt dem Wanderer neben dem Keltenwall die Ortschaften Schonach, Burgstall und Finsterlohr. Er ist 8,5 Kilometer lang und überwindet 45 Höhenmeter.
Die Fernwanderwege Main-Donau und E 8 führen ebenfalls in Sichtweite an das Oppidum heran.
Ein Rundwanderweg führt von Tauberzell über das Oppidum, Schonach, Seldeneck, Bettwar und Tauberscheckenbach zurück nach Tauberzell.