Unter dem Motto „Weltstar trifft Bigband“ ist am Samstag, 18. November, um 19.30 Uhr, im Kloster Bronnbach Jiggs Whigham mit der New-Jazzattack-Big-Band beim Charity-Konzert des Kiwanis Club Tauberbischofsheim zu erleben. Der in Cleveland (Ohio) geborene Posaunist, Jazzpädagoge und Big-Band-Leiter Jiggs Whigham ist nicht nur eine lebende, sondern höchst lebendige Jazz-Legende mit einem randvollen Terminkalender.
Schon mit 17 Jahren begann er im Glenn-Miller-Orchester, spielte mit Stan Kenton, Ella Fitzgerald, Donna Summer, Benny Goodman, Klaus Doldinger, Count Basie, Peter Herbolzheimer, Bert Kaempfert, Kurt Edelhagen und vielen anderen Jazz-Größen. An der Kölner Musikhochschule war er der erste Jazz-Professor in Deutschland und wurde so zum Pionier der Jazzausbildung. Bei einem Workshop mit der Bad Mergentheimer New-Jazzattack-Big-Band im Sitzungssaal des Landratsamtes in Tauberbischofsheim stand Jiggs Whigham in einer Kaffeepause gemeinsam mit dem Trompeter und Bandleader Christoph Lewandowski und dem in der Jazzszene bestens vernetzten Musikverleger Luk Murphy Rede und Antwort.
Frage: Wie kam es zu diesem Projekt und der Zusage von Jiggs Whigham?
Luk Murphy: Vor genau einem Jahr besuchte ich mit Tanja und Peter Lohmeyer das vom Kiwanis-Club Tauberbischofsheim organisierte Konzert im Kloster Bronnbach mit dem Saxophon-Damenquartett „Sistergold“. Dabei ging es schon darum, was wir im nächsten Jahr machen könnten. Eher flapsig hatte ich gemeint, wenn es um eine Big Band geht, könnte ich vielleicht jemand besorgen, der – wenn er denn Zeit hat – das Nonplusultra ist. Mit Jiggs Whigham habe ich 15 Jahre lang regelmäßig bei Workshops und Konzerten zusammengearbeitet, deshalb wusste ich, wie exzellent er mit Musikern umzugehen versteht. Für mich persönlich ist er der beste Jazzposaunist, den es gibt. Vor allem hat er eines nie verloren: Er steht immer mit beiden Füßen auf dem Boden. Auch bei diesem Workshop spricht er mit allen Musikern so, als ob er sie schon 100 Jahre kennen würde. Nicht von oben herab, obwohl er das mit seiner Erfahrung könnte. Das ist eine Kunst, die er beherrscht und deshalb hat er so viel Erfolg. Es war Riesenglück, dass meine Anfrage an – ich darf sagen - den Freund Jiggs trotz des randvollen Terminkalenders erfolgreich war.
Ist es nicht schwierig, Jazzer jeden Alters mit jeweils einem anderen musikalischen Level zu einer Einheit zu formen?
Jiggs Whigham: Ich will immer das Beste herausholen, da ist es völlig egal, ob wir in der Carnegie Hall oder in Bronnbach spielen. Für mich ist es weniger eine Frage der Qualität, sondern der unterschiedlichen Stilistik; so habe ich in der Londoner BBC Big Band einen fast Siebzigjährigen und einen deutlich jüngeren Dreißigjährigen mit krassen Unterschieden, aber sie ergänzen sich auf ihre Weise ideal. Bei diesem Workshop sind manche Profis, andere studieren noch, das passt wunderbar zusammen. Das Wichtigste ist, dass sie motiviert sind, Musik zu machen; es ist auch mein Job, dass alle an einem Strang ziehen.
Christoph Lewandowski: Was Jiggs Whigham so prägnant auf den Punkt gebracht hat, ist auch meine Aufgabe über einen längeren Zeitraum. Die Musiker hole ich dort ab, wo sie musikalisch sind. Wir haben einen gewissen Anspruch und wenn wir Konzerte machen, dann benötige ich auch Profis, die den anderen die Richtung weisen. Wir sind ein Orchester, das immer eine Schwierigkeitsstufe schwerer spielt als der Level, auf dem es gerade steht. Es gilt dann, immer wieder zu motivieren und die Latte ein wenig höher zu legen. Grundlegend ist immer die Liebe zur Musik und der Anspruch, etwas Schönes zu schaffen.
Geht es auch um Anerkennung?
Lewandowski: Es gibt Menschen, die machen etwas, um Erfolg zu haben, die anderen glauben an das, was ihr Herz ihnen sagt. In unserer Truppe tun es alle aus Liebe zur Musik. Es ist nicht immer leicht, mit allen Musikern ganz unterschiedliche Projekte zu realisieren.
Wie haben denn Ihre Musiker reagiert, als die Zusage von Jiggs Whigham bekannt wurde?
Lewandowski: Die Musiker waren begeistert; nicht alle kannten Jiggs, was sich natürlich durch dieses Projekt grundlegend geändert hat. Denn es ist nicht nur die Leistung des Musikers, sondern seine Persönlichkeit, die zählt. Und diese haben ich den Bandmitgliedern zu vermitteln versucht und dann wohl alle im Vorfeld mit meiner Begeisterung auch anstecken können.
Sie waren schon vorher zum Proben in Italien?
Lewandowski: Ja, wir haben eine Woche geprobt, für die manche sogar extra Urlaub genommen haben. Eine besondere Motivation für alle war dabei, mit Jiggs auftreten und gut spielen zu können.
Whigham (ergänzt): Die Musiker sind nicht hier beim Workshop, weil sie etwa kommem müssen oder viel Geld verdienen – ganz im Gegenteil! Es macht allen einfach riesig Spaß.
Wie ist das Programm für Bronnbach ausgewählt worden?
Murphy: Als Jiggs nach einem Blick im Kalender grünes Lichtes gab, fragte er, um welche Bigband es sich handelt. Damals sagte ich ihm, es gibt noch keine Bigband. Denn Christoph hatten wir damals noch nicht angesprochen. Der ursprüngliche Gedanke war, eine Bigband mit Musikerinnen und Musikern aus dem Main-Tauber-Kreis zu formen. Durch meine Aktivitäten in der Musikbranche kenne ich in dieser Region viele Interessenten, die gerne Jazz-Bigband spielen, aber bisher keine Möglichkeiten hatten. Früher haben wir mit Peter Leicht eine Bigband in Külsheim gehabt, die auf einem guten Weg war. „Wenn Du was machst, bin ich dabei“, sagten ehemalige Bandmitglieder zu mir.
Warum klappte es dann doch nicht?
Murphy: Als der Termin 18. November stand und ich alle informierte, dass ab sofort monatlich geprobt wird, wurde rasch – auf gut Deutsch – der Schwanz einzogen. Dann hat Christoph gemeint, wenn ihr wollt, kann ich meine Truppe in Bad Mergentheim fragen. Er hatte den Satz noch nicht beendet, als alle bereits „ja“ gesagt haben.
Hat Jazz bei der Jugend wieder einen höheren Stellenwert?
Whigham: Eine komplexe Frage, denn die Zeiten ändern sich rasch. Was gestern wahr war, ist heute nicht mehr wahr. Die Generation um 1940 und ihre Musik ist längst Geschichte. Als Mitte der 60iger Jahre die Tanzorchester von Kurt Edelhagen, Max Greger und Hugo Strasser beliebt waren, interessierte die Zwanzigjährigen nur freie Musik. Das Verbot des Swing im Krieg spielte in Deutschland eine große Rolle. Der Nachholbedarf der Kriegsgeneration war riesig. Aber auch bei den nachfolgenden Generationen änderten sich die Geschmäcker rasch. Wenn etwa vor fünf Jahren noch Hip-Hop angesagt war, ist diese Musikrichtung bei den Jungen schon längst wieder „out“. Heute ist selbst Techno Pop bei den Teenies nicht mehr cool.
Lewandowski: Jedes Jahr verlassen viele gut ausgebildete Jazzmúsiker die Hochschulen; ein Pool, der nicht weniger wird. Derzeit fehlt jetzt das Publikum, das zuhört, wenn diese Musiker auf den „Markt“ kommen. Aber ich bin überzeugt, dass sich dies ändern wird. Murphy: Ich stelle fest, dass sich immer mehr Musikvereine für Big-Band-Musik interessieren, vorrangig solche, die für Anfänger geeignet ist. Vor 20 Jahren hätte niemand gedacht, dass wir in der Region fünf, sechs sehr gute Brass-Bands haben; in zehn, fünfzehn Jahren werden sich nach meiner Überzeugung auch Big-Bands angesiedelt haben.