Animations- und Trickfilme florieren in den Kinos. Und auch die Wirtschaft kommt ohne visuelle Effekte nicht mehr aus. Unternehmen aus der Region Stuttgart mischen in der Animationsbranche ganz vorne mit – und tricksen sich sogar bis nach Hollywood.
Monster ohne Manieren, fliegende Hexen und sprechende Kakerlaken – in den Backsteingebäuden im Städtchen Ludwigsburg erwachen merkwürdige Gestalten zum Leben. Ihre Schöpfer sitzen in Kapuzenshirts vor dem Computer oder haben Berlin oder London am Telefon. Eigentlich sieht hier alles aus wie in einem gewöhnlichen Büro – auffällig sind nur die bunten Zeichnungen, die überall an die Wände gepinnt sind. Und die vielen Trickfilmpreise, die sich in den Regalen stapeln.
Herausragender Standort
An einem der Computer sitzt Johannes Weiland. Der 37 Jahre alte Trickfilmregisseur bringt mit seiner Maus ein Monster auf dem Bildschirm zum Tanzen. Das wuschelige Wesen ist der Hauptdarsteller in dem Kurzfilm „Trudes Tier“, den Weiland für den Westdeutschen Rundfunk (WDR) produziert hat. Für knapp sieben Minuten Sendezeit hat er ein dreiviertel Jahr an dem Ungeheuer geschraubt. „Das ist ganz viel Handarbeit, von alleine macht der Computer nichts“, sagt der junge Mann mit dem Dreitagebart und dem verschmitzten Lächeln.
Weiland war einer von sieben Studenten der Filmakademie Baden-Württemberg, die vor zwölf Jahren die Animationsfirma „Studio Soi“ in Ludwigsburg gegründet haben. Die Animationsbranche in der Region Stuttgart/Ludwigsburg steckte damals noch in Kinderschuhen, heute hat sich hier eine Vielzahl an Firmen angesiedelt. In den Unternehmen erwecken kreative Zeichnungen, Skulpturen und Computerbilder mit Kameras und Software zum Leben. Animations- und Trickfilme florieren in den Kinos – und Stuttgarter Unternehmen wie Pixomondo, M.A.R.K.13, oder Luxx Studios sind erfolgreich auf internationalen Festivals. Zuletzt drehten die beiden Akademieabsolventen Max Lang und Jan Lachauer im Ludwigsburger Studio Soi ihren Animationsfilm „Room on the Broom“, der beim Oscar 2014 in der Sparte „Animierter Kurzfilm“ nominiert war.
Die Region habe sich zu einem herausragenden Produktionsstandort für Animationsfilme und Trickfilmtechnik entwickelt, sagt Ulrich Wegenast, der künstlerische Geschäftsführer des Internationalen Trickfilmfestivals (ITFS) in Stuttgart. Die Trickfilmer aus dem Südwesten seien mittlerweile der „Motor der gesamten Branche in Deutschland“. Nicht zuletzt das Tüfteln spiele bei Animationen eine wichtige Rolle: „Das passt sehr gut zur schwäbischen Mentalität.“
Carl Bergengruen, Geschäftsführer der Filmförderung Baden-Württemberg, sieht in der Region „eine in Europa einmalige Standortsituation für Animation und visuelle Effekte“. Längst produziert die Branche nicht nur für Kino und Fernsehen, sondern auch für Werbung, Game-Design und Realfilme. „Die Qualität der hiesigen Firmen liegt auf Weltniveau“, sagt Bergengruen. Die Nachfrage der hier ansässigen Branche werde weiter wachsen. Trickfilmer Weiland führt den Erfolg auf die Filmakademie in Ludwigsburg zurück. Wie fast alle im Studio Soi hat auch er sein Handwerk an der Talentschmiede gelernt. Egal ob Drehbuch, Regie, Kamera, Schnitt – rund 450 Studierende lernen hier so ziemlich alles, was man am Set braucht. Ein Alleinstellungsmerkmal Ludwigsburgs ist zudem der Schwerpunkt mit einem Animationsinstitut, das als eine der besten Ausbildungsstätten für Animation in Deutschland gilt. Und die Absolventen der Hochschule sorgen in der Filmszene für Furore.
Oscar für visuelle Effekte
Christian Schwochow etwa, der 2013 für den TV-Zweiteiler „Der Turm“ den Grimme-Preis bekam, lernte hier. Oder Volker Engel, der für die visuellen Effekte von „Independence Day“ sogar den Oscar einheimste. Er lehrt inzwischen hier. Ebenso wie Volker Schlöndorff („Blechtrommel“) und Nico Hofmann („Jesus liebt mich“). Aus dem Animationsinstitut hat sich nicht nur ein Netzwerk mit rund 15 Firmen (Animation Media Cluster) entwickelt, sondern mit der Messe fmx auch ein international wichtiger Treffpunkt der Animationsbranche, für die sich inzwischen selbst Experten der US-Riesen Disney und Pixar interessieren. Laut Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG) beschäftigen die 1500 Unternehmen der Filmwirtschaft im Land 3700 Menschen. Nicht zuletzt wegen der langen Produktionszeiten sind die Trickfilmer für ihren Erfolg auf den Topf der Filmförderung angewiesen.