Norddeutsche würde sich gruseln: Wenn die Rottweiler tief im Süden Fasnet feiern, geht es zu wie im Mittelalter. Wohl nirgendwo sonst wird Tradition so hoch gehalten – zur Freude von 20 000 Besuchern.
Nein, zartbesaitet darf man in der Rottweiler Fastnacht wirklich nicht sein. Plötzlich stürmt ein Federahannes mit seinem derben Gesicht und den gefletschten Stoßzähnen auf die Zuschauer los. Oder ein anderer Kleidlesträger fährt ihnen mit einem Wedel durch das Gesicht. Ein paar Meter weiter wird ein Bennerrössle mit lautem Peitschengeknall angetrieben. Eigentlich müsste man es am Fastnachtsmontag in Rottweil mit der Angst bekommen. Aber die 20 000 Menschen, die wie jedes Jahr die Strecke gesäumt haben, mögen diese derben Traditionen. Denn der Rottweiler Narrensprung zählt zu den traditionsreichsten Höhepunkten in der schwäbisch-alemannischen Fastnacht.
Mit lautem Geschrei und dem Ruf „Hu-hu-hu-hu-hu“ sind die rund 4000 Kleidlesträger durch das Zentrum der ältesten Stadt Baden-Württembergs gezogen. Die freundlichen Gschellnarren mit ihren rund 20 Kilogramm schweren Kostümen forderten die Zuschauer immer wieder zum Singen auf. „Auf, wachet auf, wachet auf, Ihr alten Narren wachet auf, 's bricht der Tag an, zieht Euch nur rasch an, denn 's ist heut Fasnacht, die uns viel Freud macht“ – so beginnt der historische Rottweiler Narrenmarsch. Wer ihn an der Strecke singt, wird mit Süßigkeiten belohnt.
Das Besondere an den Holzmasken der Rottweiler Narren ist die aufwendige Bemalung – und auch die ist in Rottweil stark traditionell geprägt: Das sogenannte Fassmalerhandwerk ist in der Stadt schon im 15. Jahrhundert bekannt gewesen und seitdem über alle Generationen hinweg gepflegt worden.
Der Narrensprung ist in Rottweil aber nur der Auftakt. Denn die Narreteien gehen am Abend traditionsgemäß weiter: Dann strömen die Kleidlesträger in die vielen kleinen Gassen, Lokale und Häuser der Altstadt. Am Dienstag starten die Narren um 8 und um 14 Uhr zum Narrensprung durch Rottweil.