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BADEN-BADEN: Reiche Russen, arme Kliniken

BADEN-BADEN

Reiche Russen, arme Kliniken

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    Klinik wirbt um reiche Russen: Xenia Hübner, Mitarbeiterin des Universitätsklinikums Freiburg, zeigt zwei Informationsbroschüren in Englisch und in Russisch von der Repräsentanz des Universitätsklinikums Freiburg, in Baden-Baden.
    Klinik wirbt um reiche Russen: Xenia Hübner, Mitarbeiterin des Universitätsklinikums Freiburg, zeigt zwei Informationsbroschüren in Englisch und in Russisch von der Repräsentanz des Universitätsklinikums Freiburg, in Baden-Baden. Foto: Foto: dpa

    Die Freiburger Uniklinik umwirbt in Baden-Baden betuchte Russen und erzürnt damit die Gemüter. Rosinenpickerei oder neue Patienten für das Land? Sauer ist man vor Ort vor allem über die Heimlichtuerei.

    „Der einzige große Reichtum ist unsere Gesundheit“ umwirbt die Uniklinik Freiburg in Baden-Baden russische Touristen in deren Muttersprache. Weil diese sich bevorzugt in Deutschland medizinisch behandeln lassen und Baden-Baden schon seit dem 19. Jahrhundert für betuchte Russen das zweite Zuhause ist, wollen im Kurort einige an deren Vermögen teilhaben. Seit Juli auch die Uniklinik Freiburg, die im Herzen der Stadt nahe dem Fabergé-Museum eine eigene Repräsentanz eröffnet hat - mit hellen Sofas, Weltuhren und gediegenem Ambiente.

    Vor Ort stößt das auf Unverständnis und Widerstand. Eine „Konkurrenzsituation von Kliniken in öffentlicher Trägerschaft“ auf Kosten normaler Patienten befürchten die CDU-Landtagsabgeordneten Tobias Wald und Karl-Wolfgang Jägel - und fordern in einem Antrag an die grün-rote Landesregierung gleich die Schließung der Repräsentanz. Auch die Stadt Baden-Baden und der Landkreis Rastatt als Träger des örtlichen Klinikums Mittelbaden verlangen vom Land, „die Werbung der Universitätsklinik Freiburg in Baden-Baden zu unterbinden“.

    Sie befürchten, dass lukrative Patienten abgeworben werden. „Es entsteht eine deutliche Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der regionalen Anbieter in kommunaler Trägerschaft“, heißt es aus der Stadt. Bei der Uniklinik versteht man die Aufregung nicht: „Wir konkurrieren nicht mit dem Klinikum Mittelbaden, sondern mit Berlin und München um ausländische Touristen“, betont Sprecher Benjamin Waschow. Schon jetzt zählen die Freiburger unter ihren 65 000 stationären Patienten im Jahr an die 2400 Ausländer.

    Die meisten kommen aus dem russischsprachigen Raum - wegen onkologischen, chirurgischen, neurochirurgischen, orthopädischen oder gynäkologischen Problemen. „Wir wollen Angebote aufzeigen, nicht lokale Patienten wegholen“, betont Waschow. Angesichts vieler, wie es heißt, auch dubioser Vermittler habe man nur einen „ungefilterten Zugang für komplizierte Fälle“ schaffen wollen - Fahrdienst, Dolmetscher und Organisation des Aufenthalts inklusive.

    Auch im Stuttgarter Wissenschaftsministerium wiegelt man ab: „Es geht darum, potenzielle ausländische Patienten über Möglichkeiten zu informieren, sich in Baden-Württemberg behandeln zu lassen“, sagt ein Sprecher. „Es geht um eine Gesamtstrategie, durch die mehr Patienten nach Baden-Württemberg geholt werden sollen und nicht um eine Konkurrenz mit örtlichen Kliniken.“ Das Büro in Baden-Baden sei rechtsaufsichtlich nicht zu beanstanden. Es gebe für die Stelle auch keine öffentlichen Gelder: „Sie trägt sich durch die Einnahmen, die durch die Behandlung der ausländischen Patienten reinkommen.“ Jürgen Jung, Geschäftsführer des Klinikums Mittelbaden, ist dennoch alarmiert. Auch weil die Stelle heimlich installiert worden sei: „Wir haben von der Repräsentanz erst durch die Presse erfahren.“ Zudem liegen viele Prospekte in Hotels aus.

    Da darin mit 1200 medizinischen Experten und der gesamten Breite des medizinischen Spektrums für Freiburg geworben wird, glauben die Baden-Badener nicht an pure Hochleistungsmedizin. „Für uns bedeutet das schon Konkurrenz“, sagt Jung. Mit 930 Betten und jährlich 40 000 stationären Patienten kommt das Klinikum mit seiner wohnortnahen Versorgung besonders für viele Ältere gerade so über die Runden. Die kleine, aber zahlungskräftige russische Klientel ist auch hier hochwillkommen. Besonders wurmt Jung die Ungleichbehandlung: „Wir dürfen nicht außerhalb unserer Landkreisgrenzen aktiv werden, das Land erlaubt seiner Klinik aber alles.“ Wenn schon, so Jung, dann „Freiheit für alle“.

    Zwar buhlen auch andere Krankenhäuser im Land um die einträgliche Klientel aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Dass eine Uniklinik ein „Vertriebsbüro“ aufmacht, ist nach Wissen von Jung aber ein bundesweit beispielloser Vorgang. Allerdings: Bis Mitte August zählte die Repräsentanz in der Kurstadt erst an die zwei Dutzend Interessierte - vermittelt wurde bis dahin noch niemand.

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