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GERMERSHEIM: Römerschiff auf Barbarenjagd

GERMERSHEIM

Römerschiff auf Barbarenjagd

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    (lsw) Geschichte zum Anfassen: In Germersheim wurde ein römisches Kriegsschiff originalgetreu nachgebaut. Am kommenden Donnerstag wird es im Rheinhafen von Wörth erstmals zu Wasser gelassen.

    Der Bug des römischen Kriegsschiffes ragt spitz und gebogen wie ein Dorn in die Höhe, darüber thront ein furchteinflößender Widderkopf aus Holz. Wer der 18 Meter langen und 2,70 Meter breiten „Lusoria Rhenana“ in die Quere kommt, braucht starke Nerven – und einen noch stärkeren Panzer. „Wenn das Schiff zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort war, sah es für die gegnerische Besatzung eher ungünstig aus“, sagt Projektleiter Ralph Lehr.

    Den Wurzeln auf der Spur

    Das Boot steht in einer Bundeswehrhalle in Germersheim, durch die letzte dumpfe Hammerschläge von Bootsbaumeister Matthias Helterhoff dröhnen. Eine bunte Truppe aus Studenten, Arbeitslosen und Schülern hat das Schiff in mehr als einjähriger Arbeit gebaut – nun naht der Praxistest für das Projekt. Am Donnerstag soll die „Lusoria“ in Wörth im Rheinhafen erstmals zu Wasser gelassen werden. Nach Lehrs Einschätzung ist der Nachbau in dieser Form europaweit einmalig.

    Was bringt einen im 21. Jahrhundert dazu, in mühsamer Kleinarbeit ein Verkehrsmittel der Spätantike nachzubauen? „Die Idee entstand vor dem Hintergrund der eigenen römischen Geschichte“, erklärt Lehr. In der Region verläuft eine alte Römerstraße, die der Kreis Germersheim touristisch vermarktet. Auch gibt es viele Funde aus jener Zeit. Der bedeutendste ist der 700 Kilo schwere Hortfund von Neupotz – ein aus Münzen, Werkzeug und Waffen bestehender Schatz, der vor 25 Jahren im Altrhein entdeckt wurde.

    Vermutet wird, dass Alemannen die Wertsachen um 259/260 bei einem ihrer Raubzüge im römischen Gebiet erbeuteten, dass ihr Floß aber beim Rückzug über den Rhein von einem römischen Patrouillenboot versenkt wurde. Vor diesem Hintergrund habe der Germersheimer Landrat Fritz Brechtel (CDU) die Idee gehabt, als Ergänzung zum Schatz ein solches Römerboot zu bauen, erklärt Diplom-Verwaltungswirt Lehr. Wissenschaftlich betreut wird das Projekt von dem Trierer Professor Christoph Schäfer – nach Lehrs Angaben „mit Sicherheit europaweit der Experte zum Thema römische Flussschifffahrt“.

    Beim Bau orientierten sich die Partner an den Überresten von Römerschiffen, die in den 80er Jahren in Mainz entdeckt worden waren. Das Boot sollte Platz für 27 Menschen bieten, darunter 24 Ruderer. Das waren Soldaten, die notfalls auch kämpfen mussten. „Man kann das auch als Wasserschutzpolizei der Spätantike bezeichnen“, sagt Dieter Heim, einer der vielen ehrenamtlichen Helfer bei dem Projekt.

    3000 Eisennägel

    Unter Anleitung von Bootsbaumeister Helterhoff von der Insel Usedom wurden Eichenplanken auf Eichenspanten genagelt – ein Germersheimer Kunstschmied hatte dafür mehr als 3000 Eisennägel angefertigt. Schwierig sei das Annageln im unteren Bereich des Hecks gewesen, wo sich eine der Planken auf drei Metern um 70 Grad drehe, erläutert der Bootsbaumeister. Mit Schraubzwingen wurde sie in Form gebracht. „Irgendwann nimmt das Holz die Form an.“ Die Nägel wurden durch vorgebohrte Löcher geschlagen, umgelegt und wieder zurückgeschlagen. „Das nennt man Vernähen“, erklärt Helterhoff die nicht mehr gebräuchliche Technik.

    Zum festen Team gehörten neben Helterhoff und einem Bootsbaugesellen auch ein Historiker. Bei der Arbeit halfen vorübergehend Studenten, Berufsschüler, arbeitslose Jugendliche und Ein-Euro-Jobber – insgesamt arbeiteten 80 bis 100 Menschen mit, zumeist ehrenamtlich. Finanziert wurde das vom Verein zur Förderung von Kunst + Kultur e.V. getragene Projekt über Spenden. Auf 360 000 bis 380 000 Euro beziffert Lehr den Aufwand.

    Wenn das Schiff fertig ist, soll es aber nicht in einem Museum verschwinden. Geplant sei, Besuchergruppen und Schulklassen über Baggerseen zu fahren und ihnen die römische Geschichte der Region und die Landschaft nahezubringen, erklärt Lehr. „Wie ein schwimmendes Klassenzimmer“, ergänzt Heim. Zudem sollen es Studenten für Untersuchungen nutzen dürfen. Schwimmt es denn? „Ja“, sagt Helterhoff. Und wenn nicht? „Dann muss ich einen ausgeben.“

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