Susanne Drechsler-Kompa ist eine resolute, analytisch denkende und freundliche Frau. Über ihre Krankengeschichte gibt sie offen Auskunft. Sie möchte, dass dem Thema Organspende in der Öffentlichkeit mehr Platz eingeräumt wird. „Die Leute sollten sich darüber unterhalten“, sagt sie. „Und zwar sachlich. Ich möchte, dass den Menschen die Angst vor dem Organspenderausweis genommen wird. Sie sollen sich bewusst entscheiden – dafür oder auch dagegen – und diese Entscheidung in dem Ausweis dokumentieren. Ich wünsche mir natürlich, dass die Menschen sich dafür entscheiden.“
Mit 30 an die Dialyse
Mit 13 Jahren erfährt Susanne Drechsler-Kompa, dass sie Zystennieren hat – vom Vater geerbt. „Meine Mutter brach in Tränen aus“, sagt die Tiefbauingenieurin aus Markelsheim. Das Mädchen selbst nimmt die Diagnose gelassen hin. Beschwerden hat sie noch keine. Nur einen ziemlich dicken Bauch. Er wird von großen, mit Wasser gefüllten Blasen in den Nieren verursacht. Dass die Krankheit irgendwann zum Nierenversagen führen wird, weiß die 13-Jährige wohl. Man sagt ihr aber auch, dass sie durchaus 70 Jahre alt werden könnte, bevor es so weit sei.
Susanne Drechsler-Kompa ist jedoch erst 30, als beide Nieren versagen. „Innerhalb eines Vierteljahres ging es steil bergab“, erinnert sie sich. Ihre Zunge fühlt sich taub an, der ganze Körper irgendwie krank – Vergiftungserscheinungen. Die Nieren können keine Schadstoffe mehr aus dem Blut filtern. Das muss von nun an die Dialyse übernehmen.
Auf der Warteliste
Susanne Drechlser-Kompa entscheidet sich von Anfang an für eine positive Einstellung der Dialyse gegenüber. „Ich versuchte, sie in mein Leben zu integrieren“, sagt sie. Von nun an hat sie drei feste Termine in der Woche, zu denen sie sich im Dialysezentrum in Igersheim einfindet und mehrere Stunden lang ihr Blut reinigen lässt. Die meisten anderen Patienten dort hadern mit ihrem Schicksal, sagt Susanne Drechlser-Kompa. Sie aber sieht in dem Gerät zur Blutwäsche keinen Horror-Apparat, sondern einen Lebensretter. „Ohne Dialyse stirbst du“, sagt sie unumwunden.
Mit Dialyse aber ist das Leben voller Einschränkungen. Der Körper altert schneller, verträgt nicht alles Essen. Urlaub ist nur da möglich, wo es ein Dialysezentrum gibt. Deshalb befasst sich Susanne Drechsler-Kompa auch mit der Möglichkeit der Organspende. Seit sie zur Dialyse muss, steht sie auf der Warteliste für eine Spenderniere. Die steht schließlich viel schneller zur Verfügung, als die Ingenieurin sich das vorgestellt hatte. Nach nur zweieinhalb Jahren auf der Warteliste – „das ist nichts!“ – kommt eines Abends der Anruf aus der Uniklinik Würzburg.
Susanne Drechsler-Kompa hat gerade Freunde zu Besuch, das Essen steht auf dem Herd. „Eigentlich hat mir das gar nicht gepasst“, erzählt sie lachend. Doch natürlich springen sie und ihr Mann trotzdem sofort ins Auto. Ohne Tasche, ohne Nachthemd. Geschwindigkeit ist alles. Nicht einmal ihre Brille hat die Ingenieurin dabei, als sie in der Uniklinik eintrifft.
Während sie für die Operation vorbereitet wird, sind ganz in der Nähe andere Menschen in Trauer versunken. Die Angehörigen der 53-jährigen Frau, die kurz zuvor einem Schlaganfall erlegen war. Ihre Niere ist es, die das Leben von Susanne Drechsler-Kompa zum Besseren verändern wird.
Plötzlich wieder frei
Dass da nun etwas Fremdes, einem Toten Entnommenes in ihr arbeitet, dieser Gedanke kommt Susanne Drechsler-Kompa nie in den Sinn. Als sie am Tag nach der Transplantation die neue Niere auf dem Ultraschall sieht, da ist sie überwältigt. Glücklich. „Das ist so ein irres Gefühl, dass sich jemand im Tod für das Leben entschieden hat“, sagt sie. „Dass man plötzlich wieder frei ist.“
Seit acht Jahren lebt die 43-Jährige nun mit der Niere der fremden Frau. Zwar ist Susanne Drechsler-Kompa angewiesen auf die Medikamente, die die Abstoßung des Spenderorgans verhindern. Trotz aller Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Haarausfall und einem erhöhten Hautkrebsrisiko empfindet sie ihr neues Leben aber als normal und gut.
Ihr ist bewusst, dass längst nicht alle Patienten mit geschädigten Organen ein solches Leben führen können. Viele kommen gar nicht erst auf die Liste, weil sie beispielsweise Begleiterkrankungen haben. Und viel zu viele warten lange oder gar vergeblich auf ein Spenderorgan. Susanne Drechsler-Kompa fühlt mit den Menschen, die an anderen Organen erkrankt sind und nicht auf die Dialyse ausweichen können. Besonders aber mit nierenkranken Kindern, die sich einfach nicht normal entwickeln können.
Deshalb engagiert sie sich als Leiterin des „Gesprächskreises Niere“ und beteiligt sich am Tag der Organspende, der an diesem Samstag stattfindet. An einem Stand auf dem Deutschordensplatz in Bad Mergentheim ist sie Ansprechpartnerin für Interessierte. Am Abend nimmt sie an einer Informationsveranstaltung teil, die unter anderem vom Zentrum für Nieren- und Hochdruckerkrankungen in Igersheim veranstaltet wird.
Die Veranstaltung findet am Samstag, 5. Juni, von 14 bis 16 Uhr im Hotel Granfamissimo in Bad Mergentheim, Erlenbachweg 17, statt. Interessierte sind willkommen.