Dass die Mor-Gabriel-Kirche kein ganz gewöhnliches Gotteshaus ist, lässt schon die Adresse erahnen. Die Industriestraße in Kirchardt sieht so aus, wie sie heißt: links die langgezogenen Hallen einer Gießerei, rechts ein großer Produzent für Holzkisten. Und auf der Freifläche dazwischen: das helle Kirchenschiff und die dunklen Zwiebeltürme von Mor Gabriel, gekrönt von goldenen Kreuzen.
An den Anblick der syrisch-orthodoxen Kirche, geweiht im Jahr 2005, haben sich die knapp 4000 Einwohner in dem Örtchen bei Heilbronn gewöhnt. Nicht aber an die Idee, dass hier womöglich auch Tote bestattet werden. Nach langem Rechtsstreit war das Vorhaben auch eigentlich vom Tisch - hätte die Kirchengemeinde jetzt nicht mit einer Verfassungsklage Erfolg. Seit Freitag ist wieder alles offen.
„Wir freuen uns riesig“, sagt Pfarrer Isa Demir. Nach seinen Vorstellungen soll aus dem Lagerraum im Untergeschoss der Kirche eine Krypta werden – zehn Sarkophag-Nischen für die Geistlichen der Gemeinde.
„Diener des Altars sollen nach unseren Vorschriften in der Nähe des Altars beerdigt werden“, erläutert er. Priester auf einem Friedhof beizusetzen ist bei den Syrisch-Orthodoxen, einer der christlichen Urkirchen, verboten. Wie alle anderen Geistlichen aus den 51 deutschen Gemeinden mit ihren rund 80 000 Gläubigen ist Demirs Vorgänger deshalb in einem Kloster in den Niederlanden bestattet, 500 Kilometer von Kirchardt entfernt. „Wir würden gerne jeden Samstag Weihrauchgebete für ihn halten – aber das ist zu weit“, bedauert Demir.
Der Mannheimer Verwaltungsgerichtshof (VGH) hatte 2011 geurteilt: Die Krypta sei nicht mit den Belangen der Kommune vereinbar. Die „Hauskirchenbestattung“ sei auch kein unabdingbarer Bestandteil der Religionsausübung. Für das Bundesverfassungsgericht ein unzulässiger Eingriff in die Glaubensfreiheit: Kein staatliches Gericht kann ohne die Hilfe von Sachverständigen entscheiden, ob eine Glaubensregel zwingend ist oder nicht, heißt es in seinem Beschluss. Der VGH muss sich den Fall nun noch einmal vornehmen.