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WENKHEIM: Unermüdlich gegen das Vergessen

WENKHEIM

Unermüdlich gegen das Vergessen

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    Feierstunde in der Synagoge: Landrat Reinhard Frank (links) übergibt den Ehrenpreis des Main-Tauber-Kreises samt Urkunde an Pfarrar Johannes Ghiraldin.
    Feierstunde in der Synagoge: Landrat Reinhard Frank (links) übergibt den Ehrenpreis des Main-Tauber-Kreises samt Urkunde an Pfarrar Johannes Ghiraldin. Foto: Foto: Claudia Schuhmann

    Hätte er 1980 mit seiner Klasse nicht eine Radtour nach Wenkheim unternommen, wäre Johannes Ghiraldin nie auf die ehemalige Synagoge gestoßen, deren Schicksal er von da an in die Hand nahm. Sein unermüdliches Engagement für die Wiederbelebung des jüdischen Gotteshauses sowie für die Erforschung der jüdischen Geschichte im Taubertal führte 31 Jahre später zu einer ganz besonderen Auszeichnung für den Pfarrer aus Tauberbischofsheim. Er erhielt den Ehrenpreis des Main-Tauber-Kreises.

    „Ich will diesen Preis nicht für mich allein“, sagte Johannes Ghiraldin in seiner Ansprache in der ehemaligen Synagoge, wo der Festakt stattfand. „Mein Dank geht an alle Helfer.“ Obwohl Ghiraldin bei seinen Bemühungen um die Synagoge viel Unterstützung erfuhr, so war doch er stets die Triebfeder. Das hob Landrat Reinhard Frank hervor, der die Laudatio auf den Preisträger hielt. Ghiraldin ist nach Hugo Kistner der zweite Träger des 2007 vom Kreistag gestifteten Ehrenpreises. Die Auszeichnung wird für ehrenamtliche und herausragende Dienste im Bereich Kultur, Sport und Soziales verliehen.

    Johannes Ghiraldin sei es zu verdanken, dass mit der wieder aufgebauten Synagoge ein Mahnmal gegen das Vergessen geschaffen wurde, sagte Landrat Frank. Seit 1984 ist Ghiraldin Vorsitzender des Vereins zur Erforschung jüdischer Geschichte und Pflege jüdischer Denkmäler im tauberfränkischen Raum. Durch seine Initiative wurde aus der verwahrlosten Synagoge ein kulturelles Zentrum. „Ich bemerkte die unscheinbare Synagoge mit der hebräischen Inschrift und warf einen Blick in den Gebetsraum“, erzählt Ghiraldin von dem Tag, als er das Gebäude in Wenkheim „entdeckte.“

    „Dieser Preis hat den Richtigen getroffen“, sagte der ehemalige Wenkheimer Ortsvorsteher Walter Schmidt. In seinem Bestreben, dem Gotteshauses die alte Würde zurück zu geben, habe er sofort Mitstreiter gefunden, ergänzte der Preisträger. Darunter waren auch der damalige wie auch der derzeitige Bürgermeister der Gemeinde Werbach. Schmerzlich vermisst wurde an dieser Stelle Elmar Weiß, der wenige Tage zuvor verstorben war und eigentlich einen Überblick über die Geschichte der Juden in Tauberfranken geben sollte. Nun hofft Ghiraldin, der am Tag der Preisverleihung zugleich seinen 68. Geburtstag feierte, dass andere sein Werk fortführen mögen.

    Die Landjuden in Franken

    An Stelle von Elmar Weiß hatte sich Leonhard Scherg, ehemaliger Bürgermeister von Marktheidenfeld, des geschichtlichen Exkurses angenommen. Er erzählte vom Leben der sogenannten „Landjuden“, wie es auch im tauberfränkischen Raum zahlreiche gab. Nachdem sie im 15. und 16. Jahrhundert aus den größeren Städten vertrieben worden waren, mussten sich die fränkischen Juden auf dem Land ansiedeln, erklärte Scherg. Als „Schutzjuden“ fanden sie Aufnahme in den Dörfern, wo sie zumeist als Händler tätig waren, denn Landwirtschaft oder ein Handwerk zu betreiben war ihnen verboten.

    Als Kleinkrämer oder Viehhändler wurden die Landjuden nicht reich. Nicht wenige waren sogar auf Almosen angewiesen. Ihr von religiösen Regeln geprägter Alltag führte zu einem Nebeneinanderherleben von Juden und Christen in den Dörfern. Diese Absonderung wiederum schürte Vorurteile gegen die jüdischen Dorfbewohner, die nicht selten unter Übergriffen zu leiden hatten.

    Erst die Ideen der Aufklärung im 18. Jahrhundert ermöglichten eine Integration der jüdischen Bevölkerung in den 1871 gegründeten deutschen Nationalstaat. Von da an wanderten auch immer mehr Juden in die Städte, wo sich für sie mehr Möglichkeiten boten. Die Erinnerung an dieses Landjudentum ebenso wie an die zwölf schrecklichen Jahre der Nazi-Diktatur, so Scherg, sei ein Verdienst von Johannes Ghiraldin und seinem Verein.

    Johannes Ghiraldin

    Geboren wurde er am 29. Juni 1943 in Pforzheim. 1968 machte er sein Examen in Theologie und wurde 1969 zum Priester geweiht. Nach Kaplanstellen in Karlsruhe und Wiesental wurde Ghiraldin als Präfekt ans Erzbischöfliche Studienheim St. Michael in Tauberbischofsheim berufen.

    Als Religionslehrer am Matthias-Gründewald-Gymnasium in Tauberbischofsheim fing er 1974 nach seiner zweiten Dienstprüfung an. 2008 ging er in Pension.

    Ehrenamtlich engagiert sich Johannes Ghiraldin außerdem für brasilianische Straßenkinder.

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