(lsw) Es bleibt dabei: Für die Staatsanwaltschaft ist Harry Wörz der Täter. Daran haben mehr als zwölfeinhalb Jahre und mittlerweile drei Prozesse nichts geändert. Trotz offener Fragen zweifelte Staatsanwalt Philipp Zinkgräf bei seinem Plädoyer am Montag nicht daran, dass der 43-Jährige aus Birkenfeld im April 1997 versucht hat, seine Ex-Frau umzubringen.
„Im Ergebnis kommt für mich nur der Angeklagte in Betracht“, sagte Zinkgräf vor dem Landgericht Mannheim. Er forderte neuneinhalb Jahre Haft wegen versuchten Totschlags für Wörz. Dieser beteuert jedoch weiterhin seine Unschuld. Sein Fall gehört zu den ungewöhnlichsten der deutschen Rechtsgeschichte.
Wichtigstes Beweismittel für die Staatsanwaltschaft sind zwei Fingerlinge von Plastikhandschuhen, die am Tatort gefunden wurden. An ihnen haften DNA-Spuren von Wörz. Das Motiv sieht der Staatsanwalt im Streit zwischen Wörz und dem heute 38 Jahre alten Opfer um den gemeinsamen damals zweijährigen Sohn. Das Verhältnis der getrenntlebenden Eheleute sei zum Tatzeitpunkt keineswegs so harmonisch gewesen, wie es der Angeklagte vor Gericht geschildert habe. Indiz dafür seien Kassetten, die Wörz seinerzeit von Gesprächen der beiden aufgenommen habe.
Er habe sich „sehr intensiv“ Gedanken darüber gemacht, ob der Tatort manipuliert worden sei, sagte Zinkgräf mit Blick auf Verschwörungstheorien gegen den Angeklagten. Letztlich zeigte sich der Ankläger aber überzeugt: „Die Tat wurde mit den Handschuhen ausgeübt und der Angeklagte hat sie begangen.“
Verteidiger und Angehörige von Wörz gehen dagegen von einem Komplott gegen den 43-Jährigen aus. Denn das Besondere an diesem Fall ist: Das Opfer, ihr damaliger Liebhaber und ihr Vater waren alle Pforzheimer Polizisten. Ex-Liebhaber und Vater standen zunächst selbst unter Verdacht. Der Vater scheint zwischenzeitlich über jeden Zweifel erhaben, an der Unschuld des ehemaligen Geliebten zweifeln aber nicht nur Prozessbeobachter. Intensiv befragten Richter Rolf Glenz und seine Kollegin Petra Beck im Juli den 50-Jährigen, der zum Tatzeitpunkt erheblich unter Druck stand, weil er sich nicht zwischen der früheren Geliebten und seiner Ehefrau entscheiden konnte.
Genährt wurden die Zweifel durch die mitunter heftige Kritik des Gerichts an den Ermittlungen der Pforzheimer Polizei. Auch Zinkgräf kritisierte in seinem Plädoyer Fehler in der Ermittlungsarbeit und bei der Spurensicherung. „Das ist sicher keine ideale Situation“, räumte er ein. Dem angeklagten Wörz sei daraus aber kein Nachteil entstanden, betonte er. Möglicher Grund für die Schlamperei: In der Tatnacht gingen die Polizisten noch davon aus, dass ihre Kollegin den Anschlag überleben und ihnen den Namen des Täters sagen würde.
Die heute 38-Jährige ist jedoch seit dem Angriff schwerst hirngeschädigt und völlig auf Hilfe angewiesen. Sie wird von den Eltern gepflegt. Diese ziehen auch den inzwischen 14 Jahre alten Sohn des Angeklagten und des Opfers auf.
Der Anwalt der Familie, Michael Schilpp, erinnerte als Nebenkläger in dem Prozess an das Leid der Familie. „Sie haben lebenslang an den Folgen der Tat zu leiden“, betonte er. Seinen Mandanten gehe es nicht darum, dass Wörz hinter Gittern komme - auch wenn sie von seiner Schuld überzeugt seien. „Sie wollen nur endlich Gewissheit.“
Staatsanwalt Zinkgräf sprach von einer Beziehungstat, der ein Streit vorangegangen sei. „Es spricht alles für eine Spontan-Tat aufgrund eines Sozialkonflikts“, meinte er. Die Nebenklage schloss sich dem Antrag des Staatsanwalts an. Ursprünglich war dieser von einem Mordversuch ausgegangen.
Davon hatte aber bereits das Landgericht Karlsruhe Abstand genommen, als es Wörz 1998 wegen versuchten Totschlags zu elf Jahren Haft verurteilte. Einen Teil der Strafe hat er verbüßt. Ein Wiederaufnahmeverfahren endete mit einem Freispruch. Der BGH ordnete aber 2006 eine Neuauflage des Prozesses an. Aus diesem Grund wurde in Mannheim neu verhandelt. Am 13. Oktober ist nun das Plädoyer der Verteidigung geplant, am 22. Oktober soll das Urteil folgen.