Die Bäckerei Erbacher aus Tauberbischofsheim hat den Ersten Platz beim Zukunftspreis des Main-Tauber-Kreises zum Thema „Willkommenskultur“ erreicht. Nachdem aus Deutschland keine einzige Bewerbung für eine Bäckerausbildung kam, hat der Betrieb zwei junge Menschen aus Spanien angeworben und bei ihrem Berufseinstieg in Deutschland vorbildlich unterstützt, heißt es in einer Pressemitteilung des Landratsamtes.
Der Zweite Preis ging an die Bass GmbH aus Niederstetten, die sich stark dafür engagiert, dass sich neue Mitarbeiter in ihrer neuen Lebens- und Arbeitswelt wohlfühlen. Mit dem Dritten Preis wurde der Fecht-Club Tauberbischofsheim ausgezeichnet, insbesondere für seinen integrativen Ansatz gegenüber Menschen mit Behinderung.
Landrat Reinhard Frank übergab die Preise bei einer festlichen Veranstaltung in den Räumen der Firma Systemair in Boxberg. 19 Unternehmen, Handwerksbetriebe und Kommunen aus dem gesamten Landkreis hatten sich um den Preis beworben. Als Preise wurden individuelle Glasskulpturen und insgesamt 5000 Euro Preisgeld vergeben.
Zum zweiten Mal nach 2012 hatte der Main-Tauber-Kreis seinen Zukunftspreis ausgeschrieben. Nachdem es beim letzten Mal um familienfreundliche Unternehmen ging, wurden nun Betriebe mit einer besonderen Willkommenskultur gesucht. Wie Landrat Reinhard Frank in der Veranstaltung deutlich machte „lag das Thema Willkommenskultur in der Luft“. Der Main-Tauber-Kreis stehe vor der paradoxen Situation, dass es hier immer mehr Arbeitsplätze, gleichzeitig aber auch deutliche Bevölkerungsrückgänge gibt. „Wir brauchen mehr denn je Menschen, die aus dem In- oder Ausland zu uns kommen.“ Eine ausgeprägte Willkommenskultur sei ein wichtiger Beitrag für den notwendigen Zuzug aus anderen Regionen. Alle 19 Bewerber um den Zukunftspreis seien mit ihrem Engagement „Leuchttürme“ gewesen.
Die Preisträger
Peter Vogel, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Tauberfranken, hielt die Laudatio für die Bäckerei Erbacher. Das Unternehmen mit 60 Beschäftigten habe bei allen Wettbewerbskriterien vorne gelegen. Nachdem für zwei offene Ausbildungsstellen zum Bäcker keine Bewerbung aus Deutschland kam, ging man im Ausland auf die Suche. Letztlich wurden ein 26-jähriger Spanier und eine 34-jährige Spanierin eingestellt. Die Bäckerei Erbacher organisierte für die neuen Mitarbeiter Ferienwohnungen, Fahrräder und Handys, begleitete sie bei Behördengängen, stellte sie für Sprachkurse von der Arbeit frei und legte den Urlaub so, dass die beiden möglichst lange nach Hause fahren konnten. Außer-dem erkundete man gemeinsam per Fahrrad die Stadt und zeigte Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten.
Ansporn für andere
Über die Integration der beiden Spanier hinaus setzt sich die Firma Erbacher auch vorbildlich für die Kinderbetreuung aller ihrer Mitarbeiter ein. Bäckereichef Hermann Erbacher machte deutlich, dass er mit seinem Engagement auch andere kleinere Unternehmen anspornen wolle, seinem Beispiel zu folgen.
Die Firma Bass aus Niederstetten hatte vor zwei Jahren den dritten Platz beim Zukunftspreis zum Thema „Familienfreundlichkeit“ erreicht. Nun schaffte der Gewindewerkzeug-Hersteller mit 143 Mitarbeitern den Sprung auf Platz zwei. Für sein Wachstum ist das Unternehmen auf Zuzug aus dem In- und Ausland angewiesen. Deshalb erhalten neue Mitarbeiter Informationen über regionale Veranstaltungen und Feste sowie Unterstützung bei der Wohnungssuche und Behördengängen. Jeder neue Mitarbeiter bekommt zwei „Paten“ aus dem Unternehmen, die auch bei der privaten Integration helfen. Ausländische Mitarbeiter absolvieren während der Arbeitszeit individuelle Sprachkurse, und der jeweilige Partner wird bei der Arbeitssuche im Main-Tauber-Kreis unterstützt. „Wir wollen unseren Mitarbeitern nicht nur ein erstes Willkommen zurufen, sondern dies täglich tun und sie dauerhaft binden“, sagte Dr. Stefanie Leenen.
Bürgermeister Elmar Haas (Ahorn) hielt die Laudatio für den Fecht-Club Tauberbischofsheim. Der Verein mit 60 Mitarbeitern pflege eine Unternehmenskultur, die auf Gastfreund-schaft, Völkerverständigung, sozialer Verantwortung und dem Leistungsprinzip begründet sei.
Seit 15 Jahren widmet sich der Fecht-Club der Ausbildung und Umschulung schwer vermittelbarer Jugendlicher und junger Menschen mit Behinderung. Dieser Aspekt wurde von der Jury besonders berücksichtigt.
Rahmenprogramm
Moderiert wurde die Veranstaltung von Jochen Wobser, Journalist beim Bayerischen Rundfunk. Er führte auch durch zwei Gesprächsrunden. Bürgermeister Christian Kremer machte hier deutlich, dass in Boxberg in den vergangenen 15 Jahren 1300 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. Gleichzeitig werde es jedoch immer schwieriger, neues Personal zu gewinnen. Deshalb sei die Willkommenskultur eine „große Aufgabe“. VS-Geschäftsführer Bernhard Schwering zeigte sich als Jurymitglied „freudig überrascht“ über die hohe Zahl und die große Qualität der Bewerbungen um den Zukunftspreis.
Der neue Sparkassenchef Peter Vogel berichtete, dass er mit seiner Familie im Main-Tauber-Kreist gut aufgenommen worden sei und selbst die Willkommenskultur gespürt hat. Alexandra Waltritsch von der IHK Heilbronn-Franken kam vor 22 Jahren aus Weißrussland nach Deutschland. Sie sagte, dass Integration keine Einbahnstraße sei: „Man muss auch bereit sein, die Sprache zu lernen und die Gesetze anzuerkennen.“
Landtagsangeordneter Wolfang Reinhart setzt auf „bedarfsgerechte Zuwanderung“. Ulrich Bopp, Präsident der Handwerkskammer Heil-bronn-Franken, machte deutlich, dass das Handwerk händeringend Auszubildende suche. Gerne würde man daher Flüchtlinge, zum Beispiel aus Syrien, ausbilden. Hier benötige das Handwerk die Unterstützung der Politik.
Prof. Dr. Seon-Su Kim, Leiter des Campus Bad Mergentheim der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, setzte sich in einem kurzweiligen Vortrag mit dem Begriff der Willkommenskultur auseinander. Eine wichtige Komponente sei die Wertschätzung gegenüber kultureller Vielfalt, zum Beispiel wenn Menschen aus anderen Kulturkreisen für einen Arbeitsplatz in Deutschland gewonnen werden sollen.