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EBRACH (BG): „29 Kinder in einer Kombi-Klasse – ein Skandal!“

EBRACH (BG)

„29 Kinder in einer Kombi-Klasse – ein Skandal!“

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    „29 Kinder in einer Kombi-Klasse, das ist ein Skandal. Es sind zu viel“, so Bürgermeister Max-Dieter Schneider, der sich damit auf die Seite der Eltern stellt. Die hatten sich lange und vehement gegen die Zusammenlegung der ersten und der zweiten Klasse der Grundschule gewehrt, da sie fürchteten, die Kinder würden dadurch gegenüber den anderen benachteiligt. Ihr Protest war vergeblich. Im Schuljahr 2006/2007 kam die Jahrgangskombinierte Klasse in Ebrach ebenso wie in Rauhenebrach.

    „Wir sind nicht grundsätzlich dagegen. Aber wenn es schon sein muss, dann mit weniger Kindern. Etwa 20, das wäre ideal“, sagt Ruth Becker und die anderen Eltern nicken. „Es stimmen die Rahmenbedingungen nicht, deshalb überwiegen die Nachteile“, fügt Helga Christel an.

    „Sparmodell“

    Als Sparmodell bezeichnet Rektorin Johanna Frischmann die Kombi-Klasse. Durch die Zusammenlegung zweier Klassen zu einer werden in der Regel Lehrerstunden eingespart. Auch entstehen dadurch große Klassen wie in Ebrach. Damit das Modell der jahrgangsübergreifenden Klassen gelinge, seien aber gerade in diesen Klassen mehr Lehrerstunden vonnöten und auch die Schülerzahl sollte deutlich niedriger sein. „Dies machen uns die Finnen ja vor, die uns als gutes Beispiel immer dienen sollen“, erläutert sie.

    Die Kombi-Klasse laufe nun nach den Anfangsschwierigkeiten dennoch gut. Den Kindern werde bewusst, wo sie stehen. Die Erstklässler lernen von den Zweitklässlern und die bekommen wiederum den Stoff der ersten Klasse oft noch einmal mit. Die Kinder seien sehr hilfsbereit, was sich auch in dem Partnersystem zeige, bei dem sich die Zweitklässer um die Erstklässer kümmern. Sie übernahmen Verantwortung, was die soziale Kompetenz fördert.

    „Das Helfersystem greift. Das ist Lernen durch Lernen“, führt die Schulleiterin aus. Positiv sei auch der Aufstieg eines begabten Kindes aus der ersten in die zweite Klasse. „Eines aus der zweiten Klasse wurde zurückgestuft in die erste. Es ist kein Sitzenbleiben im herkömmlichen Sinn, da das Kind es anders empfindet. Es ist weiterhin in der gewohnten Gesellschaft und Umgebung und kommt so besser damit zurecht“, so die Pädagogin.

    Nachteilig habe sich die Kombi-Klasse auf Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen ausgewirkt. Sie brauchten den Kontakt zum Lehrer sowie genaue Anweisungen und Rückmeldung über den eigenen Stand, was in dem Maße nicht mehr möglich sei. „Sie finden ihren Platz nicht, da sie die starke Aufmerksamkeit des Lehrers nicht mehr haben“, betonte sie. Außerdem stellte sie fest, Kinder, die selbstständig arbeiten, kommen besser zurecht.

    Ruth Becker machte die Erfahrung, dass sich die Kinder der ersten Klasse leichter mit der Kombi-Klasse taten, da sie es nicht anders kannten. Die Zweitklässer hätten anfänglich unter der Situation gelitten, da sie nicht gewohnt waren die Lehrerin „zu teilen“ sowie nun so viele in einer Klasse zu sein. Allmählich habe es sich aber eingependelt.

    „Die Erstklässer sind nervig. Ich mag, dass ich jetzt zu den Großen gehöre“, meint Rebecca Schreiner. Die Kombiklassen gut findet Jonathan Köstler. Weniger gefällt ihm allerdings, dass es manchmal so laut ist.

    „Die Kombi-Klasse war auch für mich ein Lernjahr“, berichtet Lehrerin Johanna Frischmann. Alles war neu und anders. Sie musste zwei Lehrpläne im Kopf haben und ausführen, was nicht ganz einfach war. „Ich setzte Schwerpunkte. In einigen Bereichen wie Sport, Kunst oder Musik war das kein Problem. In Deutsch und Mathematik wurden Differenzierungsstunden angeboten“, informiert sie. „Das heißt pro Kombiklasse bekamen die Kinder fünf Stunden mehr. In diesen Differenzierungsstunden sind die Kinder in zwei getrennte Gruppen aufgeteilt, es findet also die so genannte äußere Differenzierung statt.

    „Innere Differenzierung bedeutet, ein Lehrer unterrichtet zwei Gruppen gleichzeitig“, ergänzt der stellvertretende Schulleiter Ernst-Georg Pelikan. Der Fabrikschleichacher unterrichtet die vierte Klasse.

    Enge Grenzen gesetzt

    Wie die Pädagogin ausführt, sieht sie, was machbar ist. Enge Grenzen seien ihr von der Organisation her sowie von der Durchführbarkeit gesetzt. „Mir wird jeden Tag vor Augen geführt, wie schwer es ist, jedem Kind gerecht zu werden. Es ist in einer Jahrgangsklasse schon schwer und jetzt noch mehr. Es ist ein Unterschied, ob ich eine erste oder zweite Klasse habe. Eine Kombi-Klasse belastet psychisch mehr als eine normale“, sagt sie und weist darauf hin, dass sie Kombi-Klassen als Modell grundsätzlich positiv sieht.

    „Bayern hat das Modell von Finnland übernommen. Hier bei uns wird es allerdings nicht so umgesetzt wie dort. Gedacht waren altersgemischte Klassen, bei denen das Voneinander-Lernen im Vordergrund steht. Die dafür zusätzlichen Lehrkräfte, die die Kinder für eine individuelle Förderung brauchen, stehen in dem Bayerischen Modell nicht zur Verfügung. Es gibt dafür wenige oder keine Förderlehrer. In Finnland kümmern sich um wenige Kinder mehr Pädagogen als hier“, teilt die Lehrerin mit, die für eine überschaubare Schule plädiert. Sie soll heimatnah sein, damit die Schülerinnen und Schüler sich mit ihrer Schule und ihrem Ort identifizieren können.

    Um dies beizubehalten werden auf Dauer die Zusammenlegung von Schülergruppen unabdingbar sein. In der praktischen Durchführung sollten die einzelnen Schulen jedoch mehr Freiheiten dahingehend haben, wie sie angesichts der Budgetierung von Lehrerstunden (deren Zuweisung richtet sich nach der Schülerzahl) und der sinkenden Schülerzahlen den Unterricht organisieren.

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