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GRETTSTADT: 425 Jahre altes Rathaus: Historisch, aber kein Museum

GRETTSTADT

425 Jahre altes Rathaus: Historisch, aber kein Museum

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    In vollem Glanz: das sanierte Rathaus.
    In vollem Glanz: das sanierte Rathaus.

    "Ein bisschen auf Show gemacht haben die damals schon“, sagt Bürgermeister Ewald Vögler und guckt die schicke Außentreppe des alten Grettstadter Rathauses hoch. Als man das Haus gebaut hat, im Jahr 1590, war es eigentlich ein bisschen zu groß und zu schick für das kleine Dörfchen. „Man wollte wohl in Richtung der evangelischen Reichsdörfer in der Nachbarschaft ein Zeichen setzen“, vermutet Stefan Menz. Der Kreisheimatpfleger und Bürgermeister Vögler sind quasi für Partyvorbereitungen gekommen, denn der Bau hat Geburtstag. 425 Jahre wird er alt, von Donnerstag bis Sonntag wird gefeiert (Programm siehe Kasten).

    Es sei wirklich eines der schönsten Rathäuser in der Region, findet Menz – er muss es als Kreisheimatpfleger wissen. Im Stil der Gotik gehalten, dazu ein bisschen Renaissance, zum Beispiel beim sandsteinernen Geländer der Freitreppe in den ersten Stock. Zwei Jahrhunderte lang hatten hier gleich zwei Schultheißen ihren Schreibtisch: einer vom Kloster Ebrach, einer vom Hochstift Würzburg. Im Erdgeschoss, wo mächtige Eichenstützen aus dem Grettstadter Wald den Raum tragen, lieferten die Bauern ihren Zehnt ab. „Vor allem Korn, aber auch Wein“, erzählt Bürgermeister Vögler.

    Erst mit der Säkularisation 1803 war Schluss mit der Herrschaft der Kirche, die Bauern waren frei. Heute veranstaltet die Gemeinde hier Konzerte, in der Ecke steht eine Einbauküche und es gibt Fußbodenheizung.

    Randalierer landeten im "Narrenhäuschen" unter der Treppe

    In einem kleinen Schaukasten an der Wand liegt noch eine alte Halsgeige, eine hölzerne Fessel, mit der man damals Hals und Handgelenke von (möglichen) Kriminellen fixiert hat. So gefesselt, steckte sie der Dorfgendarm unter der Freitreppe in ein kleines Kämmerchen mit Tür und Mini-Fenster – das „Narrenhäuschen“. Wer vorbeikam, „narrte“ den Insassen, der möglicherweise betrunken randaliert oder sich sonst wie danebenbenommen hatte.

    Die Treppe über dem Narrenhäuschen war der eigentliche Eingang ins Rathaus. Seit 1803 gab es nur noch einen Bürgermeister, nicht mehr zwei Schultheißen. In einem vielleicht 30 Quadratmeter großen Raum im ersten Stock, den heute die Volkshochschule nutzt, war die komplette Gemeindeverwaltung untergebracht. Das Gemeindearchiv – ein Schrank, der den meisten heute als Kleiderschrank zu klein wäre. Ein Fach „Geburtenregister“, ein Fach „Sterberegister“ und das war's dann schon fast.

    Auch hier drinnen sind die Wände aus prächtigem, ochsenblutrotem Fachwerk. „Genastes Andreaskreuz“, sagt Vögler und meint damit das „Muster“ im Fachwerk, zusätzlich verziert mit „Schattenfugen“ für die räumliche Wirkung und gebogenen Balken. „Wie die die Kreise damals hingekriegt haben, wissen wir noch immer nicht genau“, sagt Stefan Menz.

    Die gewisse Freiheit von den Vorschriften

    Der Bau steht bestens da, 2010 und 2011 hat die Gemeinde das Schmuckstück für eine gute halbe Million Euro saniert, die Hälfte des Geldes kam für die Dach-Reparatur aus dem damals laufenden Konjunkturpaket II. Fördermittel aus dem Denkmalschutz? Fehlanzeige. Die Gemeinde hat darauf verzichtet, um sich nicht bei jedem Detail an die Vorschriften halten zu müssen. Die Deckenbalken im Trauzimmer unterm Dach, wo früher auch Schule stattfand, sind zum Beispiel gelb wie im Parterre, nicht original-ochsenblutig. „Fanden wir freundlicher“, sagt Vögler.

    Es sollte einfach kein Museumsstück werden, sondern ein Treffpunkt, etwa für den Historischen Arbeitskreis oder eine Krabbelgruppe. „Das Haus wird bewohnt und belebt. Sanft zwar, aber wir packen es nicht in Watte“, sagt Vögler. Die Geburtstagsparty wird es auch noch überstehen.

    425 Jahre Rathaus – das Programm

    Donnerstag, 3. September, 19.30 Uhr
    Vortrag von Kreisheimatpfleger Stefan Menz auf Einladung des Historischen Arbeitskreises: Berichte von Pfarrern zum Kriegsende in Grettstadt, dazu interviewen Jugendliche Zeitzeugen aus dem Ort.

    Freitag, 4. September, 19.30 Uhr
    „Es menschelt im Getier“, eine literarisch-musikalische Revue mit Peter Hub.

    Sonntag, 6. September
    Ab 10 Uhr stündliche Führungen mit Bürgermeister Ewald Vögler über die Sanierung des Rathauses, Bilderausstellung zur Geschichte des Rathauses und der Dorfgeschichte aus allen Ortsteilen, ab 14 Uhr Festbetrieb mit Bewirtung und Familienprogramm (Familienrallye, rollende Spielkiste), Standkonzert der Blaskapelle Rolf Mauder.

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