Das ASA-Programm der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit vergibt Stipendien für dreimonatige Projektaufenthalte in Afrika, Asien oder Lateinamerika. Philipp Lemmerich hatte sich 2011 zur Teilnahme an einem solchen Projekt gemeldet, konkret wollte der Schweinfurter beim angebotenen Community-Radiosender in Bassar im Norden Togos arbeiten.
Üblich ist, dass ASA zwei junge Leute entsendet. Zu seiner „Tandempartnerin“ wurde Stefanie Otto aus Berlin. Die 28-Jährige und Lemmerich (23) kehrten jetzt von ihrem Afrika-Trip mit ganz vielen Erlebnissen und – einem Film zurück. Der Streifen ist freilich kein Bericht über den Radiosender, bei dem die Studenten ein Vierteljahr gearbeitet haben. Er zeigt vielmehr Menschen aus Togo, die „auch Ideen haben, die anpacken, ohne dass eine deutsche Hilfsorganisation ihnen zeigt, wie es geht“, verrät Lemmerich. Der Film wird am 7. März in der Kulturwerkstatt Disharmonie gezeigt.
Lemmerich studiert im siebten Semester Politikwissenschaften und Soziologie in Kiel. Aus dem ASA-Programmkatalog stach ihm das Radioprojekt ins Auge. Bei einem der Vorbereitungsseminare wurde ihm Stefanie Otto „zugeteilt“. Sie hat ihr Studium der Kommunikationswissenschaften bereits beendet, arbeitet als freie Journalistin.
Das Duo für Togo lernte bei einem Seminar Daniela Schaffart kennen, Studentin aus Freiburg. Als angehende Dokumentarfilmerin war sie schon mal mit der Kamera in Afrika unterwegs. Der Plan des Trios: den offiziell drei Monaten eine vierwöchige Tour voranstellen. Man machte aus: fünf Länder Westafrikas, kein Flieger.
Das war so schon für die Anreise geplant. Der Frachter ab Hamburg in den Senegal lief aber wegen eines Defekts nicht aus. Mit dem Flieger also nach Dakar. Von Senegals Hauptstadt ging es mit Sammeltaxis und Minibussen weiter nach Mali. Sieben Passagiere, man fährt über Schotterpisten. „Aufregend und eng“, fasst Lemmerich dieses Fortkommen zusammen. Vor Antritt hatte sich das Trio eine ungefähre Reiseroute ausgeguckt, hatte die Krisengebiete wie Liberia, Elfenbeinküste oder Nordmali „natürlich ausgespart“.
Was habt ihr gemacht? Wo geschlafen? Lemmerich schildert es am Beispiel Burkina Faso, dem dritten Land, das man wieder mit einer Art Buschtaxi erreichte. In der burkinischen Hauptstadt Ouagadougou sind sie in die Kulturszene eingetaucht. In einer Bar lernte das Trio Rasmané Nignan kennen. Er wird einige Tage ihr Begleiter. Nicht viele Touristen finden den Weg nach Burkina. Zu Unrecht: Denn die Kulturszene dieser Stadt sei eine der Vielfältigsten Westafrikas, sagt Lemmerich.
Das Trio besucht natürlich Christoph Schlingensiefs Operndorf, 30 Autominuten entfernt, im Dorf Laongo. Francis Kéré führte über die Baustelle. Der burkinische Architekt lebt in Berlin, wo er studiert und gelehrt hat. Er verkörpert die Schnittstelle zwischen Schlingensiefs schier unerschöpflichen Ideen und ihrer Umsetzung vor Ort. Dass er da war, war Zufall. Das Übernachten fehlt noch. „Couchsurfing“, antwortet Lemmerich. Nignan, auch er Couchsurfer, hat Azara vermittelt, eine 40-jährige Mutter. „Die hat uns bekocht, herzlich aufgenommen.“
Die dritte Woche ist vorbei, weiter nach Ghana. In einem modernen Reisebus. Erste Station ist Tamale. Die jungen Deutschen übernachten bei einem (befreundeten) Entwicklungshelfer aus Deutschland. Weiter Accra, die Hauptstadt, vier Millionen Einwohner. Eine ASA-Stipendiatin ist hier Übernachtungsstation. Daniela hatte diese Möglichkeiten vor der Reise ausgecheckt.
Dann sind die vier Wochen „Urlaub“ vorbei. Beim Wort lacht Lemmerich. 4000 Kilometer hat das Trio abgespult, „sehr anstrengend“ sei das gewesen. Gefahren? Nie. Natürlich fallen drei Weiße auf, aber Probleme, irgendeine Anmache, „hat es nie gegeben“.
Ab Accra reisen Philipp und Stefanie alleine weiter nach Togo. Hauptstadt Lomé, eine Million Einwohner, dann weiter nach Bassar, 25 000 Einwohner. Der Lokalradiosender ist das einzige Medium in der Kleinstadt in Nordtogo. „Es gibt keine Zeitung, (fast) keiner hat einen Fernseher“. Einzige Kommunikationsmöglichkeit ist das Radio, geführt von einem gelernten Sportjournalisten.
Der Sender spielt natürlich Musik, verbreitet Mitteilungen, für die bezahlt wird. Der Tod Angehöriger wird verkündet, ein anderer kommt vorbei und lässt das Verschwinden eines seiner Schafe vermelden. Er bittet um Hinweise.
Warum sich die Radioleute für das ASA-Programm gemeldet haben, weiß Lemmerich nicht so genau. Vielleicht erhoffen sie sich eine finanzielle Unterstützung, die ASA nicht gibt, vielleicht will man nur den Kontakt zu einem Deutschlandaufenthalt nutzen. Und der Nutzen für die deutschen Studenten? „Im Hinblick aufs Radiomachen nicht viel“, sagt Lemmerich. Gleichwohl habe die Reise alle beeindruckt.
Und dann ist da ja noch der Film. Die Idee dazu wurde schon vor der Reise formuliert, deshalb befand sich auch eine Videokamera im Gepäck. Immer in der Freizeit – das Duo lebte in einem kleinen Mietshaus – zogen Stefanie und Philipp los. Interviewt wurden der katholische Priester, der lokale Chef der Stadt, eine Marktfrau, eine Bäuerin, der Lehrer der Grundschule und Jugendliche einer Theatergruppe oder auf der Straße. Und viele mehr. Derzeit sind Stefanie und Philipp dabei, die 25 Stunden Material zu sichten, zu schneiden, Texte zu schreiben. Eine Stunde Dokumentarfilm ist geplant über das wahre Leben in Afrika, das viele von uns mit anderen Augen sehen. 7. März, 20 Uhr, Disharmonie.