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SCHWEINFURT: Akut-Geriatrie in St. Josef: Mehr von allem, nicht weniger

SCHWEINFURT

Akut-Geriatrie in St. Josef: Mehr von allem, nicht weniger

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    Akut-Geriatrie in St. Josef: Mehr von allem, nicht weniger
    Akut-Geriatrie in St. Josef: Mehr von allem, nicht weniger

    Es kommt schon vor, dass ein alter Patient sagt, „was wollen Sie denn noch mit mir, ich bin doch schon 90“. Das Team der neuen Station für Akut-Geriatrie am Krankenhaus St. Josef wird er damit nicht beeindrucken. Denn, so die Philosophie der Station, die am 15. Oktober die ersten Patienten aufgenommen hat: Der alte Patient braucht mehr medizinische Sorgfalt, Zuwendung, Aufmerksamkeit, Pflege. Nicht weniger.

    Zunächst einmal mehr Platz: Die Station mit zehn Patientenzimmern a zwei Betten ist seit dem Umbau der Räume im vierten Stock doppelt so groß wie herkömmliche Stationen. Hier ist alles rollstuhlgerecht, von der Breite der Türen und Gänge bis hin zu den Bädern. Es gibt einen Bewegungsraum und Einzeltherapiezimmer. Und aus dem – eigentlich lästigen – Sprung der Ebenen vom Neubau in den Altbau haben sie auch gleich Kapital geschlagen: Neben den Treppenstufen gibt es eine Rollstuhlrampe, auf der trainiert und geübt werden kann.

    Denn mehr Bewegung ist ein weiterer Grundsatz: Jeder Tag im Bett beschleunigt bei alten Menschen den Abbau von Muskeln und geistiger Leistungsfähigkeit. Deshalb sollen die Patienten – wenn möglich – selbst die Toilette aufsuchen, ihre Mahlzeiten (in Alltags-, nicht in Klinikkleidung) im großen, hellen Gemeinschaftsraum einnehmen und möglichst früh, etwa nach einer einer Operation am Oberschenkelhals, mit dem Training beginnen.

    Dr. Roswitha Pfaffinger, 48, ist Chefärztin der neuen Abteilung. Sie arbeitet seit 1996 in der Geriatrie, zuletzt in einer Rehaeinrichtung in Bad Kissingen. Wo sie oft festgestellt hat, dass die Patienten, die frisch aus dem Krankenhaus kamen, noch gar nicht rehafähig waren. Weil sie dort eben – nach der Versorgung ihres akuten Leidens – nicht weiter gefördert worden waren.

    Das soll auf ihrer Station anders sein: „Wir wollen durch aktivierende Pflege die Selbstständigkeit fördern und möglichst das Pflegeheim verhindern“, sagt Pfaffinger. Die Statistik gibt Anlass genug: 20 Prozent der Patienten sterben im ersten Jahr nach einer Oberschenkelhals-Operation, wenn sie nicht die richtige Nachsorge bekommen – eine Mortalitätsrate wie bei Tumoren. Und nur zehn Prozent erreichen wieder ihren Ausgangsstatus.

    Für das Team um Roswitha Pfaffinger keine Option. Im Gegenteil: Die Lage der Patienten soll sich verbessern. Dem eindimensionalen Wiederherstellen von Organen wird hier ein ganzheitliches Konzept entgegengesetzt. Während des Klinikaufenthalts sollen ungenutzte Ressourcen aufgespürt und gefördert werden. So können alte Menschen, die sich zu Hause bisher mit Müh und Not gerade noch selbst versorgen konnten, mit Hilfe der Therapeuten wieder mobiler werden, aber auch ein maßgeschneidertes Konzept für altersgerechte Hilfsmittel oder pflegerische Unterstützung bekommen.

    Womit ein weiteres Mehr angesprochen ist: mehr Personal. Der Pflegeschlüssel hier lautet 1:1,6 im Gegensatz zu 1:2,1. Die Station arbeitet eng mit den anderen Abteilungen und dem Sozialdienst zusammen. Alle Schwestern und Pfleger haben geriatrische Zusatzausbildungen, zum Team gehören Ergo- und Physiotherapeuten, Logopäden und Seelsorger. Und der Neuropsychologe Günter Borgholte. Seine Aufgabe ist es abzuklären, wo die Ursachen für seelische Probleme und/oder kognitive Ausfälle liegen könnten. Allein dies ein weites Feld zwischen Schlaganfall, Depression oder Demenz. In täglichen Besprechungen tragen alle ihre Erkenntnisse zusammen, so dass von jedem Patienten ein differenziertes Gesamtbild entsteht.

    Krankenhausdirektor Josef Stapper benutzt das Wort „Markt“ nicht so gerne. Dennoch schließe man mit der neuen Akut-Geriatrie so etwas wie eine Marktlücke, bevor andere es tun. Ein bewusster Schritt in Zeiten, in denen jede Klinik im Wettbewerb steht. Vergleichbare Einrichtungen gibt es erst wieder in Bad Brückenau, Bamberg, Marktheidenfeld und Coburg. Aber Stapper ist überzeugt, dass bald weitere folgen werden. Denn die demografische Entwicklung sei längst spürbare Realität: „Die Zukunft ist schon da.“

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