Für Streichinstrumente ist die Tonart es-Moll eine Gemeinheit: Die Saiten sind auf die Töne C, G, D, A und E gestimmt – kein einziger davon kommt in der Ausgangsstellung von es-Moll vor. Das heißt, die Fingersätze für die Musiker sind weitaus komplizierter, vor allem aber heißt es, dass die Instrumente längst nicht so frei klingen. Sie sind über die Jahrhunderte für Tonarten optimiert, in denen die natürliche Obertonreihe der Saiten mitschwingen kann. G-Dur, D-Dur, A-Dur und a-Moll, e-Moll oder d-Moll sind beliebte Tonarten.
Peter Tschaikowsky wusste das natürlich, als er sein drittes Streichquartett in es-Moll komponierte. Es ist ein aufgewühltes, zerrissenes Werk voller Zweifel und Trauer. Da passt eben auch eine gleichsam gebrochene Tonart. Nur: Die muss makellos intoniert werden. Und das gelang nicht immer beim Konzert des Asasello-Quartetts im Rahmen der besonderen Konzerte im Theaterfoyer. Die recht unterschiedlichen Timbres der Instrumente sorgen grundsätzlich für ein interessantes Klangbild, fallen aber bei Trübungen der Intonation umso negativer ins Gewicht.
Das Asasello-Quartett gehört nicht zu den Ensembles, die größtmögliche Homogenität anstreben. Das Spannende seiner Interpretationen entsteht eher aus der – offensichtlich bewusst eingesetzten – Spannung unterschiedlicher Charaktere. So ist Rostislav Kozhevnikov kein klassischer Primarius, der immer alle anderen überstrahlt. Sein Ton ist eher fein und leicht, seine Körpersprache zurückhaltend. Barbara Kuster an der zweiten Geige wirkt – und klingt – da deutlich zupackender. Justyna Œliwa mit ihrem offenen, direkten Bratschenton und Teemu Myöhänen mit seinem besonders in der Tiefe wuchtigen und damit schnell dominanten Cello machen von unten weiteren Druck.
So bekommt das Eröffnungswerk des Abends – Felix Mendelssohn Bartholdys Es-Dur-Quartett – etwas Erdenschweres, das jeglichen Überschwang immer ein wenig bedroht erscheinen lässt. Die Wiederkehr des Sturm-und-Drang-Themas im vierten Satz erscheint denn auch in anderem Licht: nicht triumphierend, sondern nostalgisch und melancholisch, was sich mit der c-Moll-Stimmung des Anfangs durchaus begründen lässt. Der offene Schluss wirkt dadurch umso rätselhafter.
Offensichtlich in seinem Element ist das in Köln beheimatete Quartett in Dmitri Schostakowitschs neuntem Streichquartett in Es-Dur: Hier ist Engagement bis an die Geräuschgrenze (und darüber hinaus) gefragt, hier zählen Witz und Timing. Und hier funktioniert das Mit- und Gegeneinander der unterschiedlichen Charaktere. Es ist im Stück regelrecht vorgegeben. Schostakowitsch lässt die Affekte changieren wie stürmisches Aprilwetter – gallig verfremdete Themen im Volkston, wilde Verdichtungen oder gläserne Oktavpassagen jagen nur so dahin. Das Asasello-Quartett wirft sich da ganz hinein und findet über das vermeintlich Chaos zu echtem Miteinander. Da ist es nur folgerichtig, dass auch die Zugabe eine ironische Polka von Schostakowitsch ist.