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SCHWEINFURT: Auf dem Fahrrad nach Singapur

SCHWEINFURT

Auf dem Fahrrad nach Singapur

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    Das Rad für Australien: Mit einem Haibike unterstützt der Fahrradhersteller Winora den Weltenbummler Maximilian Semsch. Links: Haibike-Produktmanager Christian Malik. Rechts Felix Puello (Produktmanager Winora-Staiger GmbH).
    Das Rad für Australien: Mit einem Haibike unterstützt der Fahrradhersteller Winora den Weltenbummler Maximilian Semsch. Links: Haibike-Produktmanager Christian Malik. Rechts Felix Puello (Produktmanager Winora-Staiger GmbH). Foto: Foto: Waltraud Fuchs-Mauder

    Am Ende seiner Reise hat Maximilian Semsch 13 500 Kilometer zurückgelegt, 900 Stunden auf dem Rad verbracht, zehn Länder durchquert, zwölf Zentimeter Bart und 80 Stunden Filmmaterial. Das sind die nackten Zahlen einer Tour, vor der man ihn – wohl Berufsvoraussetzung jedes Abenteurers – für verrückt erklärt hatte. Was nicht wirklich überrascht, wenn man die Ausgangslage betrachtet: Maximilian Semsch, 24-jähriger Münchner, völlig untrainiert, beschließt, mit dem Fahrrad von München nach Singapur zu fahren. 13 500 Kilometer allein über den eurasischen Kontinent, ohne Kenntnis der Landessprachen und als Ausrüstung lediglich einen Gepäck-Anhänger mit Zelt und seine Film-Kamera. Die Reaktionen der Verwandtschaft sind vorstellbar. „Du spinnst doch, haben sie gesagt“, erzählt Semsch. „Hör auf deine Oma, mach was Vernünftiges mit deinem Leben.“ Aber Semsch hört nicht auf die Oma, sondern bricht unbedarft auf. Was daraus entsteht, ist der 80-minütige Film „What a Trip“, auf dem er seine Reise festhält und der unter anderem den bayerischen Nachwuchsfilmpreis 2010 erhält. Bei einem Vortrag im Pfarrzentrum von St. Kilian, veranstaltet von Sponsor Haibike, zeigt Semsch Bilder und Filmausschnitte der Reise und berichtet von seinen Erfahrungen.

    Anfangs hat er wenig Ahnung, was auf ihn zukommt. Am ersten Tag schafft Semsch 35 Kilometer und liegt abends erschöpft mit Muskelkater im Zelt. Wenige Monate später wird er durchschnittlich 139 Kilometer pro Tag zurücklegen. Es ist der Frühsommer 2008, das Wetter warm und sonnig. Semsch fährt nach Tschechien, von da aus über Polen und in die Ukraine. Erst dort realisiert er, was auf ihn zukommt. „Plötzlich waren da überall kyrillische Buchstaben. Kein Mensch konnte deutsch oder englisch und ich konnte kein Wort ukrainisch. Da wurde mir klar: Das Abenteuer hat begonnen.“

    Keine Fahrradwege, keine Duschen, irgendwann auch keine Menschen mehr. Je weiter Semsch nach Osten kommt, desto verlassener wird die Gegend. Er fährt tagelang an unberührten Wiesen und Steppen entlang, zeltet in Bauruinen oder auf Waldlichtungen und wäscht sich in Straßenpfützen die Haare.

    „Die Begeisterung der Menschen hat mich motiviert“

    Maximilian Semsch

    Doch je einsamer es wird, umso persönlicher werden die Begegnungen mit den Menschen. In Russland laden ihn Dorfbewohner oft spontan zum Übernachten ein, Kinder zücken bei seiner Ankunft ihre Kameras und in Kasachstan reicht ihm ein Autofahrer unvermittelt zehn Euro fürs Abendessen aus dem Fenster. „Die Leute waren unglaublich freundlich. Die Begeisterung dieser Menschen hat mir jeden Tag Kraft und Motivation gegeben. Man fühlt sich wie ein Tour-de-France-Fahrer.“

    Irgendwann beschließt er, die Dörfer zu umfahren, um den oft wodka-lastigen Einladungen zu entkommen. Denn Semsch steht unter Zeitdruck: Sein Visum für Russland geht 30 Tage, ebenso das für Kasachstan. Das bedeutet mindestens 100 Kilometer am Tag. Und ganz ungefährlich ist die Reise durch Steppen und Wüsten nicht. Semsch braucht acht Liter Wasser am Tag, aber oft gibt es keine Teiche. Die Dörfer liegen vielfach eine komplette Tagesfahrt auseinander: Ein Sturz, eine falsche Abzweigung, eine unerwartete Erkrankung würden ihn ernsthaft in Gefahr bringen. „Ich weiß bis heute nicht, wie ich da raus gekommen bin“, gesteht Semsch. „Irgendwann kam ich auch körperlich an meine Grenzen.“ In einer Filmsequenz sieht man ihn völlig erschöpft am Boden sitzen: „Ich habe nur noch von Baum zu Baum gedacht.“

    Der Tiefpunkt folgt auf dem Weg nach China. Es ist der Sommer der Olympischen Spiele und die Volksrepublik gewährt ihm kein Visum. Einige Bedrohungen, Beschimpfungen und Bestechungsversuche später muss Semsch einsehen, dass er nicht nach China kommen wird. Der Weg über Pakistan und Afghanistan kommt politisch nicht infrage. Es bleibt ihm nichts anderes, als sich in einen Flieger nach Bangkok zu setzen. Die Durchquerung völlig ohne Hilfsmittel ist gescheitert, aber von Bangkok aus erreicht Maximilian Semsch über Kambodscha und Malaysia schließlich dennoch Singapur. „Ich war glücklich, dass ich es geschafft hatte. Aber es überwog die Traurigkeit, dass es jetzt vorbei war. Ich hatte mich so an die Einfachheit des Lebens gewöhnt. Ich habe mich nie so befreit und glücklich gefühlt wie auf der Reise.“

    Semsch möchte das Gefühl zurück. Im Dezember wird er zu seiner zweiten Reise nach Australien aufbrechen, um dort den Kontinent auf einem E-Bike zu umrunden. Es wird wohl weniger anarchisch sein als seine erste Tour: Semsch nimmt ein Kamerateam mit, auf www.what-a-trip.de wird es jeden Freitagnachmittag eine neue Folge geben. Abenteuer für die Familie, live ins Wohnzimmer. Semsch geht es aber vor allem um den Trip selbst: „Mein ganzes Leben dreht sich um die nächste Reise.“

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