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GEROLZHOFEN: Auf der Alm, da geht's auch ohne Ritalin

GEROLZHOFEN

Auf der Alm, da geht's auch ohne Ritalin

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    Daheim gelten sie als schwierig und haben in der Schule große Probleme. Sie werden zu vielen Therapeuten geschickt und kommen irgendwann mit der Diagnose ADS, sprich Aufmerksamkeitsdefizitstörung, oder ADHS (in Verbindung mit H wie Hyperaktivität) nach Hause. Als letzter Ausweg wird häufig zu Metylphenidat, besser bekannt als Ritalin, gegriffen. Zwar steigert das Medikament die Konzentration und Aufnahmefähigkeit der AD(H)S-Kinder, doch die Nebenwirkungen sind gravierend und alles andere als „ohne“. Dementsprechend steigt die Zahl der Ritalin-Gegner. Und alternative Heilmethoden werden immer populärer.

    „„Medikamente wie Ritalin sind eine Notlösung, keine wirkungsvolle Therapie.“

    Corina Keller-Kaesler

    Corina Keller-Kaesler kennt die Probleme auch aus der täglichen Arbeit in ihrem Logopädenhaus in Gerolzhofen. Sie betont: „Medikamente wie Ritalin sind eine Notlösung, keine wirkungsvolle Therapie und bieten keine wirkliche Perspektive für diese Kinder.“

    Über einen Artikel im Magazin „Der Stern“ hat sie zur deutschen Sinn-Stiftung gefunden und unter deren Regie mit ADHS-Kindern eine Woche lang in einfachsten Verhältnissen auf der Alm verbracht. Großes Zukunftsziel von Corina Keller-Kaesler, die seit Oktober 2004 ihr Logopädenhaus in Gerolzhofen betreibt, ist die Eröffnung eines so genannten Aktiv-Hofes zur Potenzial-Entfaltung in der hiesigen Gegend, und zwar als Teil des Aktiv-Hof-Netzwerks.

    Der Präsident des Stiftungsrates der Sinn-Stiftung, der Göttinger Neurobiologe und Hirnforscher Professor Dr. Gerald Hüther, führt ADS und ADHS entgegen der von der Schulmedizin verbreiteten Meinung nicht auf eine Stoffwechselstörung im Gehirn zurück, sondern auf das einseitige Aufwachsen der Kinder mit Medien und die damit verbundene Reizüberflutung. Dadurch würden bestimmte Hirnteile nicht entwickelt und miteinander vernetzt. Das sei die eigentliche Ursache für die Probleme dieser Kinder, wobei Buben dreimal häufiger betroffen sind als Mädchen.

    Hüthers etwas anderer Lösungs- und Therapieansatz geht davon aus, das Potenzial, das in dessen angeblichen Problemkindern steckt, zu entdecken und zu entfalten. Dazu dient seit 2009 nicht zuletzt das Alm-Projekt „Via nova“, zu Deutsch: Der neue Weg. Entwickelt wurde es von Hüther gemeinsam mit Christian Rauschenfels, dem Vorsitzenden der Sinn-Stiftung. Zeitweise als so genannter Potenzialcoach mit dabei im Hochgebirge war jetzt erstmals, wie erwähnt, Corina Keller-Kaesler.

    Ohne Strom und Wasser aus der Leitung, sowie ohne Fernseher, PC, Handy oder Playstation soll oben auf der Alm die Grundlage dafür gelegt werden, dass alles auch ohne das vorher abgesetzte Ritalin besser wird.

    Das Zusammenleben unter einfachsten Bedingungen ermöglicht es den heuer in zwei Gruppen im Alter von acht bis zwölf 12 Jahren sowie von 13 bis 18 Jahren eingeteilten Jungen, ihre Stärken zu entdecken, zu zeigen und weiter zu entwickeln. Ihre Schwächen lernen sie als Herausforderung anzunehmen und von sich aus – ohne Medikamente – damit klar zu kommen.

    Um Ordnung, Struktur und Klarheit in das Leben der jungen Menschen zu bringen, müssen sie sich selber versorgen und Aufgaben übernehmen, die insbesondere für die Gemeinschaft bedeutsam sind.

    Corina Keller-Kaeslers Erfahrungen: „Hier in der Abgeschiedenheit erfahren die Kinder die unmittelbare Wirkung ihres Verhaltens. Sie lernen auf ganz einfache Weise, wie wichtig das Zusammenarbeiten im Team ist.“ Hat jemand, um nur ein Beispiel zu nennen, am Morgen keinen Bock zum Holzhacken, gibt es kein Essen, weil das Feuer im Ofen ausgeht und nicht gekocht werden kann.

    Die Frau aus Gerolzhofen: „So merken die Kinder auf der Alm allmählich, dass sie jemand sind und welches Potenzial in ihnen steckt. Hier können sie spüren, dass sie nicht dumm und hyperaktiv sind, wie sie häufig dargestellt werden.“

    Die staatlich geprüfte Logopädin hatte Trommeln und Percussions-Instrumente mit auf die Alm gebracht, um mit den Kindern gemeinsam am Feuer Musik zu machen. Das habe allen großen Spaß gemacht, erzählt sie.

    Aber Corina Kaesler-Keller möchte sich nicht nur bei Alm-Aufenthalten für die Sinn-Stiftung engagieren, sondern auch zu deren Anlaufstelle werden. Zu diesem Zweck ist sie auf der Suche nach einem Bauernhof in der Gegend, um einen Aktiv-Hof zu eröffnen – mit Tieren, Kletterscheune, Theater- und Musikbühne, Heulager, Zeltlager, Feuerstelle und vielen anderen Angeboten für Kinder, Eltern und Senioren, je nachdem, was sich aus dem Hof machen lässt.

    Die 44-Jährige: „Es heißt, diese Kinder sind schwer erziehbar. Aber es sind starke Kinder, die sich nicht funktionalisieren lassen. Ich möchte diese Kinder inspirieren, damit sie neue Erfahrungen machen. Um ihnen zu helfen, muss man sie aus dem System herausnehmen und ihnen einen neuen Erfahrungsraum bieten, indem sie sich selbst als jemand erleben, der etwas bewirken kann.“

    Kontakt und nähere Information: Corina Keller-Kaesler, Tel. (0 93 82) 31 65 73. Mehr über die Sinn-Stiftung im Internet: www.sinn-stiftung.eu

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