Ganz zum Schluss, als der Himmel doch noch ein Einsehen hat und seine Schleusen schließt, beweisen die Schweinfurter einmal mehr, dass sie keine Berührungsängste kennen, auch nicht bei Prominenten.
Dicht gedrängt stehen die Menschen um den Biertisch, an dem sich Edmund und Karin Stoiber, Gastgeberin Gudrun Grieser und Ehemann Utho ein wenig stärken nach der Abschiedstour durch die Stadt. Auch Landtagsabgeordneter Hans Gerhard Stockinger, Regierungspräsident Paul Beinhofer und Bezirkstags-Vizepräsident Peter Heusinger kommen in den Genuss eines Seidla Bier und einer Brotzeit. Karin Stoiber freilich beweist Zurückhaltung – nur zaghaft beißt sie von der Bratwurst ab. Aber wer mag schon mit vollen Backen genießen, wenn ihm das Volk auf den Mund schaut.
Nach dieser öffentlichen Brotzeit in den Wallanlagen, wo an diesem Montagabend das Mittelalterliche Bürgerfest zu Ende geht, verabschiedet sich Edmund Stoiber endgültig als Ministerpräsident von dieser Stadt, die er im Laufe seines Politikerlebens so oft besucht hat. OB Grieser bringt die Gäste mit ihrem Dienstwagen nach Schwebheim, wo der Hubschrauber wartet. Im Gepäck haben Stoibers ein paar Geschenke – edle Weine und kleine Schweine – und den riesigen Rosenstrauß, den Gudrun Grieser eigenhändig ausgesucht hat. Fast scheint er zu schwer für Karin Stoiber, die sich nach ihrer Bandscheiben-Operation noch ein wenig schonen muss. Trotzdem absolviert sie das fünfstündige Besuchsprogramm von Anfang bis Ende. Und das in eleganten Pumps.
Gudrun Grieser als Stadtführerin
Nach dem Empfang in der Rathausdiele (wir berichteten), steht eigentlich Hände schütteln auf dem Programm. Weil es in diesem Moment wie aus Kübeln gießt, steigt der Tross sehr schnell in den Bus. Draußen werden Fotohandys gezückt, innen winken Stoibers. Nur wenige haben die Ehre im Bus mitzufahren, neben Beinhofer, Heusinger, Stockinger und Gerhard Eck natürlich Utho Grieser, die Presse und der Personenschutz, so dass nur noch Platz ist für die Fraktionsvorsitzenden, nicht für den ganzen Stadtrat. Wirtschaftsförderer Hans Schnabel lotst den Fahrer, Gudrun Grieser im goldglänzenden Regenmantel übernimmt die Rolle der Stadtführerin.
Bereits am Ende der Brückenstraße stellt sich Edmund Stoiber neben die OB, der besseren Sicht wegen auf Museum, Hauptzollamt, Ebracher Hof, Landessozialgericht. Zustimmendes Nicken, schön, schön, sagt er immer wieder und lässt sich gerne daran erinnern, welchen Anteil er und seine Regierung an diesen Projekten haben. Bei so vielen Bauten und Erklärungen ist es kein Wunder, dass der Gast auch etwas missversteht. Als die OB von der Galerie spricht, die derzeit gebaut wird, fragt Stoiber, ob die denn nun in den Ebracher Hof käme.
Gemeint ist aber die ECE-Stadtgalerie, deren Großbaustelle der Tross eigentlich besichtigen will. Was ins Wasser fällt. Dafür steigen Center-Managerin Andrea Poul und Projektleiter Eberhard Sturm kurz in den Bus und nennen die wichtigsten Zahlen. Sagenhaft, sagt Stoiber, 100 Shops, 22 000 Quadratmeter, 170 Millionen Bausumme. „Was jammert ihr da noch“, ruft er nach hinten Richtung Eck und Stockinger. „Das wird in der Region Neid hervorrufen“, sagt Stoiber beim Weiterfahren, und Grieser kontert: „Neid ist die höchste Form der Bewunderung“ – ein Satz, den der Ministerpräsident bei seiner Abschlussrede im Wallgraben übernehmen wird. Bei der Fahrt Richtung Maintal fragt Stoiber leise, was denn die Frau Beckmann in Würzburg zu all den Erfolgen sage.
„Die ECE-Stadtgalerie wird in der Region Neid hervorrufen“
Ministerpräsident Edmund Stoiber zu OB Gudrun Grieser
Da zeigt sich Gudrun Grieser ein wenig verschnupft, weil Pia Beckmann ihr heimlich den Referenten Martin Baldauf abwerben wollte. „Die haben nie was aus sich machen müssen“, schiebt Gudrun Grieser noch hinterher, und damit ist das Thema Würzburg abgehakt. Schließlich gibt es so viel über Schweinfurt zu erzählen und seinen Aufschwung zur dynamischsten Stadt. Zu sehen leider nicht, weil die Busfenster ständig beschlagen. Grieser zählt auf: Fresenius, ZF Sachs, SKF, Bosch-Rexroth, links Gewerbe, rechts Industrie. Und dann: „Wir brauchen Fachkräfte.“ Stoibers nicken. Grieser weiter: „Ich bin im Gespräch mit Dr. Goppel wegen der Fachhochschule. Wir haben da was im Rohr.“
Mehr verrät sie nicht. Nennt aber weiter Daten und Fakten zum Maintal und sagt irgendwann zu Edmund Stoiber: „Sie können stolz auf Schweinfurt sein.“ Der nickt wieder. Nächste Station: Kunsthalle im Ernst-Sachs-Bad. Die Baustelle ist aufgeräumt. Kulturamtsleiter Erich Schneider wartet mit einem großen Regenschirm. Viel Zeit für Ausführungen bleibt nicht. Aber Karin Stoiber zeigt sich beim Blick in die ehemalige Schwimmhalle sehr interessiert und stellt konkrete Fragen, was hier denn einmal zu sehen sein wird. Der Ministerpräsident wird ans Handy gerufen. Er zieht sich zurück und spricht länger. Eine gute Nachricht offensichtlich. Es geht um den Zuschuss des Bundes zum Transrapid, mehr verrät er nicht.
Weil die Zeit drängt, darf Karin Stoiber entscheiden: Museum Georg Schäfer oder Ebracher Hof. Sie sagt „unbedingt ins Museum“. Dort warten Fritz und Otto G. Schäfer mit Gattinnen, Museumschefin Sigrid Bertuleit und die schöne Flora von Artur Volkmann in der Lovis-Corinth-Schau. Allerdings ist hier auch wieder Stadträtin Ulrike Schneider mit Kleinkind mit von der Partie, das schon beim Empfang in der Diele durch lautstarke Mama-Rufe und Herumtollen aufgefallen ist. Im Museum kann das Kind nur mit vereinten Kräften von der Eroberung diverser Kunstwerke abgehalten werden. Auch hier zu wenig Zeit für ausgiebigen Kunstgenuss. Sigrid Bertuleit gelingt es trotzdem, die Aufmerksamkeit auf einige spannende Corinth-Stillleben zu richten. Am meisten begeistert Edmund Stoiber dann aber doch der Spitzweg.
Im Gleichschritt zum Wallgraben
Inzwischen stehen Stadtpfeifer, Schützengesellschaft Ebern, Sennfelder Böllerschützen und die „Bürgerlichen“ bereit. Die OB bekommt ihre Schützenkette umgehängt, Gatte Utho übernimmt die Handtasche, und dann marschiert die OB mit Vogelkönigin Inge Hilsenbeck, Silvesterkönig Fritz Schäfer und Edmund Stoiber im Gleichschritt zum Wallgraben. Dort ist ein Biertisch gedeckt, die Schweinfurter applaudieren, die Böller krachen, und Edmund Stoiber verabschiedet sich in einer für seine Verhältnisse kurzen Rede von den Schweinfurtern, denen er vor Augen hält, wie großartig sie den Weg aus der Krise zur dynamischsten Stadt geschafft haben. „Schweinfurt hat mehr auf Lager“, ruft er ihnen zu, und damit ist klar, dass die Imagekampagne bis nach München vorgedrungen ist.