Der berühmte Club Voltaire in Tübingen war der Ort der Premiere des Cyrano von Max Sauer. Und nun gab es im Literaturhaus eine zweite Aufführung. Der Hauptdarsteller Lukas Schädler, der bereits als Poetry-Slammer einen guten Namen hat, stand dabei jedoch zum ersten Mal auf der Bühne, eingesprungen für Laurenz Lerch. Und entfaltete furios das Leben eines Mannes aus dem 17. Jahrhundert, der uns auch heute noch viel zu sagen hat.
Mit wenigen Bühnenrequisiten war er schnell mitten in Frankreich. Da, hinten eine Wiese, vorne das Kloster der Geliebten, rundherum unbeschriebenes Papier und mitten in allen Lebensfragen.
Wie soll ein Mann leben, hineingepresst in die Zwänge seiner Zeit, zum Kämpfen verpflichtet und getrieben? Wie soll einer leben, dessen Selbstwertgefühl ihn nicht trägt? Weil er eine zu lange Nase hat, zum Beispiel?
Dabei ist es doch die Liebe, die lebendig macht. Die Liebe auch zur Sprache, da er sich seiner Geliebten nicht nähern will aus Angst, verschmäht zu werden. So schreibt er an sie unter falschem Namen, Worte, die heute noch berühren:
„Ihr Lächeln ist das Paradies auf Erden … zum Glockenspiele machtest du mein Herz … wir sind uns nah und ahnen uns doch kaum … wie voll mein Herz von Zärtlichkeit gewesen.“ Aber auch: „Der Hass, mein Duzfreund, stärkt mir jeden Morgen.“ Denn wie soll einer „ein Loblied singen auf volle Taschen“, rechnen, Kröten schlucken, Weihrauchfässer schwingen? „Niemals!“, sagt Cyrano de Bergerac, und deshalb ist er heute noch berühmt. Er gilt als erster Science-Fiction-Autor, als Vorläufer der Aufklärung. Neben anderen Stücken beschrieb er eine Reise zum Mond, eine weitere Reise zur Sonne blieb unvollendet. „Auf dieser safranfarbenen Kugel stand ich … in meinen Augen sitzt Kometenstaub ... der Himmel schickt mich her.“ Cyrano befand sich mitten in der kopernikanischen Wende, in der der Astronom Kopernikus das Weltbild der Menschen komplett veränderte, denn es ist nicht die Sonne, die sich um die Erde dreht.
Dandy, Haudegen, Duellist, Literat und Kirchenkritiker – der Cyrano sei in Frankreich ebenso berühmt wie Goethes Faust hierzulande, erklärt Dramaturgin Corinna Huber im Nachgespräch. Im Jahr 1897 schrieb Edmond Rostand ein mehrstündiges Stück über sein Leben und hat so seinen Namen verewigt.
Die jungen Theatermacher, die sich aus ganz Deutschland in Wipfeld getroffen haben, zogen den Cyrano buchstäblich bis auf die Unterhosen aus und machten aus dem mehrstündigen Stück einen 45-minütigen Monolog. Mit der Leidenschaft, dem Mut und der Klugheit der Jugend destillierten sie aus einer historischen Figur einen echten Menschen in seiner Purheit und Intensität, der uns gerade jetzt Antworten geben kann. Das Publikum war begeistert.