Im Titel der Ausstellung sagt bereits viel: „Wenn ihr hier ankommt. . .“ Es sind Worte voller Sehnsucht aus dem Brief eines Mädchens an seine Eltern. Das Mädchen, sie heißt Eva, wartet in einem fremden Land darauf, dass seine Eltern endlich nachkommen.
Etwa 10 000 Kinder aus jüdischen Familien konnten von Ende 1938 bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs mit den sogenannten Kindertransporten vor der NS-Diktatur nach England fliehen. Unter dem Eindruck der Novemberpogrome 1938 hatte das britische Parlament entschieden, unbegleiteten Kindern die Einreise zu gestatten, nicht aber ihren Eltern.
Christoph Gann, Richter am Landgericht Meiningen, hat anhand von Briefen und Dokumenten, die den Krieg überdauert haben, das Schicksal Eva Mosbachers und ihrer Familie nachgezeichnet und zu einer Ausstellung verarbeitet, die nun bis 1. Juni in St. Johannis zu sehen ist. „Einerseits eine Geschichte der Bewahrung und der Rettung von Leben. Andererseits eine ganz traurige Geschichte der Trennung und der Zerstörung von Familien“, beschreibt Dekan Oliver Bruckmann seine Eindrücke.
Es ist eine äußerlich unspektakuläre Ausstellung. Bilder, Briefe, amtliche Dokumente – man muss sich erst einlesen und einlassen auf die vielen kleinen Mosaiksteine, aus denen sich dann das Bild eines Lebens zusammensetzt.
Die zwölfjährige Eva Mosbacher, Tochter des Kaufmannsehepaars Hedwig und Otto Mosbacher in Nürnberg, verlässt ihre Heimat mit einem Transport am 8. Mai 1939. Zu dieser Zeit sind die Repressalien gegen Juden allgegenwärtig, etliche Verlautbarungen zeigen die ganze Gemeinheit der NS-Bürokratie. Evas Eltern bemühen sich seit 1937 – spät genug – um die Emigration. Es fällt ihnen nicht leicht, die Tochter wegzuschicken, aber wenigstens gibt es in Cambridge, wo Eva leben wird, Verwandte. Es sind allerdings zwei – christliche – Pflegemütter, die das Mädchen dann bei sich aufnehmen.
Mit im Zug sind etwa 40 weitere Kinder jüdischer Familien aus Bayern, unter ihnen die 15-jährige Eva Susanne Marx aus Schweinfurt, Tochter des Weingroßhändlers Max Marx und seiner Frau Herta. Elisabeth Böhrer, die wohl beste Kennerin jüdischen Lebens in in der Region Schweinfurt, hat die Geschichten von Eva Susanne (die 2008 in den USA starb), ihrer Eltern, denen später ebenfalls die Flucht gelang, und der Schwestern Rosie und Senta Berlinger zur Ausstellung beigesteuert.
Die Briefe Eva Mosbachers an ihre Eltern, in denen sie von all den neuen Eindrücken und manchmal auch Ärgernissen berichtet, zeichnen das Bild eines lebhaften, offenen Teenagers. Aus langen Schreiben voller Hoffnung werden – kriegsbedingt – auf 25 Wörter beschränkte Notizen, ins nunmehrige Feindesland – geschickt über das Rote Kreuz. Herzzerreißend der letzte bekannte Nachrichtenwechsel: Eva erwähnt Ferien und Kinobesuche, die Eltern antworten am 3. Mai 1942: „Wir geben uns Mühe, uns gesund und tapfer zu erhalten.“
Die Emigration der Eltern scheitert schließlich an einem fehlenden Visum der USA. Sie werden deportiert und ermordet. Eva bleibt in England und wird Krankenschwester. Doch auch sie wird nicht glücklich: Von Depressionen gepeinigt, nimmt sie sich 1963, nur 37 Jahre alt, in London das Leben.
Die Ausstellung ist bis 1. Juni täglich von 9 bis 17 Uhr in St. Johannis zu sehen.