„Wir wissen nicht, was morgen ist, und fürchten uns doch davor. Wir wissen nicht, was übermorgen ist, und sehnen es doch herbei.“ Weise Worte von Jennifer Simpson in der Disharmonie. Nur das „Jetzt“ komme immer zu kurz, klagt die Musikerin mit hessisch-texanischem Hintergrund. Dabei müsste der Mensch es doch schon ahnen, dass er weder in der Vergangenheit noch der Zukunft ein echtes Zuhause hat: „Jetzt ist immer“. So nennt sich auch eine CD von „Paul Simpson Project“.
Der Bandname setzt sich aus dem Nachnamen von Gitarrist Bernd Paul und dem der Sängerin zusammen. Das gesellschaftlich engagierte Duo aus Gießen war schon zu Anti -Atomprotesten oder der „Nacht der Kultur“ in Schweinfurt. Jennifer Simpson überzeugt als Einfrau-Orchester mit Trommeln, Beckenschlag, Tambourin, Regenmacher-stab, bittersüßer, oktavenübergreifender Stimme. Über weite Strecken spielt hier eine eigenwillige Coverband: John Lee Hookers „Crawlin King Snake“ wird neuinterpretiert, „Come together“ der Beatles, „Nothing else matters“ von Metallica, die Doors steuern „Riders on the Storm“ bei. Selbst „Amazing Grace“ klingt, als höre man es zum ersten Mal.
Authentisch ist Jennifer Simpson, die Singer-Songwriterin hat eine große Bandbreite an Stimme und Stimmungen dabei, von Arie (man merkt die klassische Gesangsausbildung, bei Oxana Arkaeva und Colenton Freeman), Gospel (damit hat es angefangen), Bluesrock, Soul und Folk bis hin zu heißem, sumpfigen Voodoo: „Bad Magic“ war 2003 eines der frühen Werke. Durch ein anderes Lied fliegt eine böse Hexe mit dreckigem Lachen. Auch sonst wabert reichlich Südstaaten- und Deltaflair, es kräht der „Little Red Rooster“, während man im Hintergrund fast schon den „obligatorischen Wanderbusch“ über die staubige Straße rollen sieht, zwischen whiskyfarbenen Feldern. Eigentlich ist Jennifer ganz unspektakulär Hochzeitssängerin und Musiktherapeutin, aber preisgekrönt, unter anderem mit dem Los Angeles Music Award 2006.
Das Unberechenbare, Anarchische, scheinbar unbekümmert in die Welt Geworfene macht die musikalischen Antihelden sympathisch. Die hochdeutsch plaudernde Künstlerin scheint Klischees von „farbiger Musik“ und darin schwingender schwarzer Seele ohnehin nicht allzu ernst zu nehmen. Das moderne Leben in Deutschland kann schließlich auch verhext sein. PSP hat jedenfalls beschlossen, nicht mehr durchs Leben zu hetzen, seitdem sich der Gitarrist beim Treppensturz beide Hände gebrochen hat: „Jetzt ist immer“.
Manchmal darf auch Neues, Unperfektes gesponnen werden, wie beim Song von der „Zebra Spider“. Nur die Liebe sollte jederzeit ernst genommen werden: „Der Klang ihrer Worte, ihre Stimme, der Blues. Ihr Lächeln, die Seele, ein göttlicher Gruß. Zwischen den Welten ein pinkfarbener Traum. Sie reist durch Gefühle, verliert sich im Raum.“ Ohne Zugaben lässt das Publikum die Projektanten nicht von der Bühne. Am Ende singt Simpson im hellen Schein eines Tischlichts. Auch der kleinste Lebensfunke kann schließlich noch ein großes Feuer entfachen. Merke: „Solange man da ist, sollte man es der Welt wissen lassen.“ Uwe Eichler