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"Blutige Entlassung ist Quatsch"

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"Blutige Entlassung ist Quatsch"

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    Die Kassen bezahlen nicht mehr nach Aufenthaltsdauer der Patienten, sondern spätestens seit Anfang des Jahres nach Krankheitsart. Das neue System sei gerechter, meinen die Verwaltungsdirektoren Emil Etzel (Leopoldina) und Bruno Stumpf (St. Josef), weil es den tatsächlichen Behandlungsaufwand viel besser abbilden könne.

    Da die Vergütung praktisch unabhängig davon erfolgt, wie lange der Patient bleibt, besteht ein starker Anreiz, die Behandlung so weit wie möglich ambulant durchzuführen. Dies macht sich in einem deutlichen Rückgang der Behandlungstage bemerkbar: Im Leopoldina, das ab September 2003 auf Fallpauschalen-Abrechnung umgestellt hat, ist die Zahl der Behandlungstage im Gesamtjahr um etwa 5000 auf 214 000 gesunken, obwohl sogar mehr Patienten versorgt wurden. Der Trend hat sich dieses Jahr fortgesetzt und ist auch in St. Josef zu beobachten. Die Reaktionen auf die schnellere Entlassung seien unterschiedlich, hat Etzel beobachtet: "Jüngere Leute empfinden das eher positiv, während ältere schon mal darauf drängen, ein bisschen länger bleiben zu dürfen."

    Angesprochen auf die im Vorfeld des Systemwechsels oft geäußerte Sorge, Patienten könnten entlassen werden, obwohl sie dafür noch nicht gesund genug sind (die so genannte "blutige Entlassung"), reagiert Bruno Stumpf resolut: "Das ist Quatsch." Es sei eine Frage der Ethik, die Patienten so weit zu versorgen, dass sie ohne Probleme ambulant weiterbehandelt werden können. Blutige Entlassungen gebe es vielleicht mal in großen Häusern, aber auch dort höchstens im Einzelfall.

    Ein anderes Problem sei dagegen viel realer: Was tun mit Patienten, die von ihrem Gesundheitszustand her nach Hause könnten, dort aber niemanden haben, der sich um sie kümmert? Stumpf nennt als Beispiel den Patienten, der wegen eines Gipsbeins das Bett hüten muss. St. Josef beschäftigt deshalb zwei Sozialarbeiter, die im sozialen Umfeld der Patienten überprüfen, ob man sie guten Gewissens nach Hause schicken kann.

    Finanziell sind die Auswirkungen noch nicht sonderlich groß, da in der Übergangsphase für jedes Krankenhaus unterschiedliche Fallpauschalen je nach Höhe des bisherigen Budgets gelten. Die Kliniken bekommen also zunächst etwa so viel Geld wie vorher. Dem steht allerdings ein "enormer Verwaltungsaufwand vor allem bei den Ärzten vor Ort" (Stumpf) gegenüber. Galt früher für jede Abteilung ein einheitlicher Pflegesatz, gibt es heute für die Behandlung verschiedener Krankheiten über 800 Entgelte, die nochmals nach Schweregrad unterteilt werden.

    Sowohl Etzel als auch Stumpf üben viel Kritik an der Umsetzung der Reform: Zu schnell und mit heißer Nadel gestrickt. Daher seien im Vollzug an vielen Stellen Nachbesserungen nötig. So seien einige Fallgruppen deutlich zu gering bewertet. "In der Palliativmedizin bekommen wir nur die Hälfte dessen, was wir bräuchten, um kostendeckend zu arbeiten", führt Stumpf an. Kritisch sieht er auch, dass Deutschland als einziges Land weltweit die komplette Vergütung auf Fallpauschalen umstellt. Damit würden kostspielige Besonderheiten wie eine durchgehend geöffnete Notaufnahme nicht berücksichtigt. Eine bessere Verzahnung der Krankenhäuser mit den niedergelassenen Ärzten sieht Etzel als wünschenswerte Ergänzung. Hier mauerten jedoch die Krankenkassen.

    Beide beurteilen die Fallpauschalen aber grundsätzlich als richtigen Weg. Wenn die bisher je nach Krankenhaus unterschiedlichen Pauschalen ab nächstem Jahr schrittweise angeglichen werden, bedeute das das Ende der Planwirtschaft, freut sich Etzel. Dann würde das Leistungssystem der Krankenhäuser erstmals vergleichbar, ergänzt Stumpf. "Diese Transparenz wird für uns alle ein Gewinn."

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