In der Vesperkirche war am Mittwoch Bergfest. Beim Morgenkreis eine Stunde vor dem Start erinnert Diakon Norbert Holzheid dieses Mal an die Helfer, „die wir gar nicht zu sehen kriegen“. Mesnerin Sabine Kaiser und Hannelore Holzer zum Beispiel. Sie ist die Reinigungskraft von St. Johannis, putzt jetzt aber täglich schon ab sechs Uhr mit Kaiser die Kirchenräume, wirft die Waschmaschine mit den Vesperkirche-Schürzen vom Vortag an.
Oder Elvira Kupfer. Sie ist gehbehindert und hat sich deshalb für den Bügeldienst gemeldet. „Ob ich daheim sitze oder hier“, sagt sie und lacht dabei. „Die Vesperkirche ist toll, die Gemeinschaft einmalig und dass alles trotz der über 400 Besucher so gut klappt, das ist einmalig“, sagt die 82-Jährige. Sie hatte sogar ihre Bügelmaschine mitgebracht. Dass die am zweiten Tage ihren Dienst aufgab, ärgert sie. Kupfer sitzt nun an einer Ersatzmaschine, oben auf der Kirchen-Empore neben der Orgel und bügelt die täglich über 50 Vesperschürzen sowie Trocken- und Wischtücher.
Die bringt Christa Holzheid jeden Nachmittag zu drei Freiwilligen, die die rund 150 Trockentücher bei sich zuhause waschen. Erani Schabel zum Beispiel. Die gebürtige Brasilianerin, die sich im Partnerschaftsprojekt der evangelische Kirche mit Rio de Janeiro und in St. Salvator engagiert, hat tagsüber keine Zeit. Helfen wollte sie aber, also Wäschewaschen am Abend. Die Idee Vesperkirche? „Finde ich wunderbar, weil sich alle Menschen dort begegnen und ins Gespräch kommen können“.
Unten, im Kirchenraum haben längst alle Mittwochshelfer ihre „Arbeitsplätze“ eingenommen. Punkt 11.30 Uhr ertönt der tägliche Gong, Es geht los. Die Schlange vor der Kirche ist ellenlang. Sobald ein Platz frei ist, führen die „Platzanweiser“ zu Tisch. Wer gegessen hat, kann an der Aktion „Gesichter der Vesperkirche teilnehmen. Rund 20 der täglich fast 500 Gäste machen mit. Antje Dekkers und Laura Plagenetz aus Schweinfurt und Maßbach studieren an der FH in Würzburg „Soziale Arbeit“, machen ein Praktikum bei der Diakonie und sind nun freiwillig fürs Projekt zuständig.
Wer will, wird abgelichtet. In Windeseile wird das Porträt abgezogen und mit einer noch leeren Sprechblase an Stellwänden in der Kirche aufgehängt. Diese drei Sätze müssen ergänzt werden: „Mir gefällt die Vesperkiche, weil. . .“; „Die Vesperkirche ist für mich . . .“; „An der Vesperkirche finde ich gut, dass. . .“. Die Antworten sind so bunt und unterschiedlich wie die Gäste, die zum Essen kommen: „Weil so viele unterschiedliche Menschen mitarbeiten“; „Weil ich mit vielen mir unbekannten Menschen an einem Tisch sitze“; „Weil es toll ist, in einer Kirche zu essen“. Ein Ehepaar verrät: „Weil das unsere Hochzeitskirche ist“.
Pfarrer Christian von Rotenhan lässt sich ablichten. Ihm gefällt die Vesperkirche, weil „sie ein Senfkorn der Hoffnung ist“, lautet sein Gedanken. Wie alle bisher 250 Porträtierten unterzeichnet er die „Einverständniserklärung“, dass sein Foto samt Spruch aufgehängt werden darf.
Es machen viele Bedürftige, Hartz-IV-Empfänger und Wohnungslose mit, berichten Dekkers und Plagenetz. Einer glaubte, er werde registriert. Als er den Hintergrund erfuhr, machte er gerne mit. Viele nutzten die Zeit auch, um sich Probleme von der Seele zu reden. Gleichwohl: Auf den Plakatwänden sind nur das Porträt und der Spruch zu sehen, kein Name, kein Beruf oder sonst was. Eben „Gesichter der Vesperkirche“, sagten die beiden Praktikantinnen.
Von der Kirchlichen Allgemeinen Sozial-Arbeit (KASA) ist am Mittwoch die Mitarbeiterin Miriam Ogunjimi vor Ort. In einem abgetrennten Bereich ist sie Ansprechpartnerin für Menschen, die Hilfe suchen, in einer Notlage sind. Sie spricht von einem „unverbindlichen Angebot“, das an diesem Tag beispielsweise eine Mittfünfzigerin in Anspruch nimmt. Die Frau drücken Schulden. Ognunijmi hört ihr zu, reicht der Frau ihre Visitenkarte. Sie wird einen Gesprächstermin mit der Sozialarbeiterin vereinbaren. Auch solche Dinge sind Vesperkirche.
-> Franken Seite 9