Angesichts des Wetters sei es „ein Glaubensprojekt“ gewesen, wo das Konzert des Liedermachers Clemens Bittlinger stattfinden soll, erzählte Ruben Sill bei der Begrüßung der über 600 Gäste vor Schloss Craheim. Die „Lebensgemeinschaft Einheit der Christen“ feierte an diesem Wochenende ihr 50-jähriges Bestehen auf dem Schloss.
Spätestens als nach 21 Uhr der Regen wieder einsetze, war klar, Ausweichen in die Kirche von Wetzhausen wäre vielleicht besser gewesen, aber die Besucher waren zum Teil gerüstet, zum anderen aber auch durch das Wasser von oben nicht aus der Feierlaune herauszubringen.
Bittlinger hat eine besondere Nähe zu Craheim. Sein Vater Arnold Bittlinger begleitete als Pfarrer die Anfänge der Lebensgemeinschaft, die Familie lebte mehrere Jahre im Schloss. Und so überbrachte Bittlinger nicht nur die Grüße seines inzwischen 90-jährigen Vaters, sondern verstand auch viel vom „Geist Craheims“. Er erklärte ihn anhand eines irischen Hausspruches: „Hier gibt's keine Fremden, nur Freunde, die du bisher noch nicht getroffen hast.“
Ein unvergesslicher Abend
Bittlinger bereitete den „Freunden“ trotz der Wetterkapriolen einen unvergesslichen Abend. Der evangelischen Pfarrer und Liedermachen sang und plauderte sich schnell in die Herzen seiner Zuhörer, besser noch seiner Fangemeinde. Schon zu Beginn war am Summen und Singen deutlich zu merken, dass viele der Lieder den Besucher bekannt waren. Und Bittlinger lud auch zu einem Mitmachkonzert ein: „Davon dass ihr mich wohlwollend anlächelt, entsteht noch kein Gesang.“
Der singende Pfarrer ist längst auch ein schreibender geworden und so las er aus seinen neuesten Büchern vor. Im lockeren Plauderton, oft humorvoll gewürzt, präsentierte er eine Lebensweisheit nach der anderen, ohne moralischen Zeigefinger aber mit viel Musik. Aus seinem sehr persönlichen autobiographischen Wert „Du siehst mich“, stammt beispielsweise der Satz: „Großzügigkeit ist der Schlüssel zu einem reichen Leben“.
Zur Flüchtlingsfrage nimmt er singend Stellung: „Millionen Menschen müssen fliehen. Unerhört, dass das scheinbar keinen stört.“ Er prangert „Waffen made in Germany“ an und mahnt: „Das könnte ich sein, der da leidet. Das könnte ich sein, doch du schaust weg.“
Seine Lieder sind Ohrwürmer
Seine Lieder sind Ohrwürmer, und so bleibt nicht nur die Melodie, sondern auch der Text im Bewusstsein. Seine nachdenklichen Lieder und Texte bereichert Bittlinger immer wieder auch durch humorvolle Einlagen. Es ist das Lachen, das die Herzen aufschließt und den Boden für die mahnenden Worte bereitet. Und davon gibt es viele. Paul Watzlawiks Büchlein „Anleitung zum Unglücklichsein“ setzt er Anleitungen zum Glücklichsein entgegen „HabSeligkeiten“. Watzlawiks Buch brauchten wir Deutschen ohnehin nicht, erklärt der Liedermacher denn „so schnell lassen wir uns unsere schlechte Laune nicht nehmen.“
Trotz aller Qualitäten als Unterhalter kommt immer auch der Pfarrer zum Vorschein. Lieder und Texte erzählen von Hoffnung und Vertrauen, vom Glauben und der Zuversicht, das jeder Mensch, so wie er ist, gut ist vor Gott. Und selbst Bittlinger staunt, dass in unserem Land Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit herrschen, „obwohl die Menschen verlernt haben zu beten“. Professionell musikalisch begleitet wurde der Liedermacher von David Kandert und Eberhard Rink.