Auf den ersten Blick ein ziemlich widersprüchliches Urteil: Die Baugenehmigungen der Stadt Schweinfurt für mehrere Wohnhäuser an der Mainlände – Am Unteren Marienbach sowie den Einbau von Wohnungen im früheren Hauptzollamtsgebäude – sind rechtswidrig. Trotzdem weist das Verwaltungsgericht Würzburg die Klage der Cramer-Mühle KG gegen diese Baugenehmigungen ab.
Der Grund für das Paradox liegt darin, dass das Gericht die Grenzen des zu bebauenden Gebiets Mainlände im Norden ganz anders gezogen hat als das städtische Planungsamt und deshalb zu einem anderen Gebietstyp gekommen ist. Gleichzeitig hat die vierte Kammer mit dem Main als Gebietsgrenze im Süden der Cramer-Mühle KG die Möglichkeit genommen, in ihren Rechten überhaupt verletzt zu werden.
Der Hintergrund: Mit Beschluss des Stadtrats hat die Stadt das Projekt „Wohnen und Arbeiten auf der neuen Mainlände“ der Grafenrheinfelder hjp-Architekten genehmigt. Die Eine Wohnbebauung sah die Bauverwaltung als zulässig an. Das Gebiet zwischen Bahnlinie im Norden, Main im Süden, Harmoniegebäude im Westen und Ex-Zollamt im Osten entspreche keinem Gebietstyp der Bauordnung genau, aber die Häuser fügten sich der Umgebung ein. Geplant sind im Hauptzollamt vier Loftwohnungen und zwei Büros sowie 16 Stadthäuser.
Dagegen klagte die Cramer-Mühle KG. Sie argumentierte, die Maininsel mit ihrer Betriebsstätte drauf (seit 200 Jahren) und die gegenüberliegende Mainseite mit der Mainlände bis zur Bahnlinie bildeten „einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil“ mit den Merkmalen eines Gewerbegebiets, in dem Wohnbebauung unzulässig sei. Das Verwaltungsgericht sah nach einem Augenscheintermin – anders als die Stadt Schweinfurt – als Plangebietsgrenze im Norden nicht die Bahnlinie an, sondern die Alte Bahnhofstraße, womit Autohaus und Tankstelle als prägende Betriebe mit hinein fielen und die vierte Kammer zu dem Schluss kam: Es ist eine Gewerbegebiet. Das heißt, die genehmigten Bauvorhaben der hjp-Architekten seien „eigentlich ihrer Art nach nicht zulässig“.
Doch das Gericht erklärte den Main zur südlichen Grenze des Plangebiets – und die Cramer-Mühle liegt jenseits auf der Insel. Folge: Einen „Gebietserhaltungsanspruch“, auf dem sie die Klage wesentlich aufgebaut hat, könne sie gar nicht geltend machen, weil sie außerhalb des Plangebiets Mainlände liegt. Schließlich sei auch das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt, weil einem Gutachten zufolge die Immissionswerte der Mühle zu den Wohneinheiten der Umgebung die Werte für Mischgebiete einhielten. Damit hätte „die heranwachsende Wohnbebauung keine Ansprüche gegen die Cramer-Mühle“, so das Gericht.
Summa summarum: Die Stadt hat nach dieser für Baujurist Jürgen Mainka schwer nachvollziehbaren Gebietsgrenzziehung der Vierten Kammer statt einer „Gemengelage“ nun ein Gewerbegebiet an der Mainlände am Hals. Ihre „Baugenehmigungen sind deshalb rechtswidrig, aber die Cramer-Mühle wird trotzdem nicht in ihren Rechten verletzt“, wie der Vorsitzende eingangs die „vorläufige Rechtsmeinung“ der Kammer auf den Punkt brachte.
In einem weiteren Verfahren ging es um einen Genehmigungsbescheid über die Immissionen, welche die Cramer-Mühle nach Einbau einer neuen Weizenmühle, sowie eines Wärmetauschers und einer Abluftreinigungsanlage maximal ausstrahlen darf. Statt der in der Auflage geforderten Maximalwerte für ein Mischgebiet (60 Dezibel tags und 45 nachts) urteilte die Kammer, dass die Werte eines Gewerbegebiets zugrunde zu legen sind: 65 Dezibel tags und 50 Dezibel nachts. Insoweit hat das Gericht die Stadt verpflichtet, die Genehmigung abzuändern.
Schweinfurts Baujurist Jürgen Mainka hat diese Urteile des Verwaltungsgerichts Würzburg am Dienstag vor dem Stadtrat bekannt gegeben und erläutert. „Trotz Rechtswidrigkeit der bescheide könnte gebaut werden.“ Die Stadt will die Begründungen abwarten und dann entscheiden. Mainka erwartet allerdings, dass die Cramer-Mühle KG in die nächste Instanz zieht. Seitens der Cramer-Mühle war dazu keine Stellungnahme zu bekommen.