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SCHWEINFURT: Das Holz erlösen

SCHWEINFURT

Das Holz erlösen

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    Ein Blick in das Atelier von Rudolf Wachter.
    Ein Blick in das Atelier von Rudolf Wachter.

    Rudolf Wachter hat maßgeblich zur Erneuerung der Holzbildhauerei in Deutschland beigetragen. Der auf drei Begriffe reduzierte Titel der Schweinfurter Werkschau „Wachter – Holz – Skulptur“ steht als Leitgedanke über dem Ausstellungsprojekt und bringt das Credo des Bildhauers exakt auf den Punkt. Rudolf Wachter bezieht seine Inspiration ausschließlich aus dem Stück Holz, das vor ihm liegt. Sein Werkzeug ist die Kettensäge, mit der er in den Kern des Holzes eindringt. Er spürt der Tektonik der Natur nach, aus Struktur und Form schafft er Gestalt.

    Seine Skulpturen stehen für eine höhere Logik, wie Wachter selbst bekundet. Trotz ihrer konkreten Formgebung sind sie mehr als nur rational ausgerichtet zu verstehen. Die Ausstellung in der Halle Altes Rathaus zeigt aus dem großen Repertoire Arbeiten aus den letzten 20 Jahren. Beheimatet in München, ist Wachter auch in Franken im öffentlichen Raum präsent: unter anderem mit drei Werken an der Universität Erlangen, die in ihrer stillen Erhabenheit wie mahnende Zeichen auf dem Campus wachen.

    Nach einer Schreinerausbildung im elterlichen Betrieb besuchte Rudolf Wachter (geboren 1923 in Bernried) von 1946 bis '49 die renommierte Holzschnitzerschule in Oberammergau. Von 1949 bis 56 folgte das Studium der Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München. Sein Werk hat höchste Auszeichnungen erfahren, er ist Mitglied im Deutschen Künstlerbund, der Neuen Gruppe München und Ehrenmitglied der Münchner Akademie.

    Mit schönen Hölzern vertraut

    Inspiration erfuhr der Bildhauer bereits in seiner Heimat, dem Bodenseekreis, wo heute das Neue Schloss Kißlegg seine Sammlung eigener Werke beherbergt. Die Umgebung des Bodensees ist besonders vom Reichtum ihrer Streuobstwiesen geprägt. Rudolf Wachter ist seit seiner Kindheit mit der Vielfalt schöner Hölzer vertraut. Später hat ihn dieses Material nicht wieder losgelassen. Damit steht sein Schaffen in einer sehr alten Tradition. Ernst Barlach beispielsweise hat Holz wegen seiner Ursprünglichkeit und Einfachheit geschätzt. Auch für ihn hatte Holz eine dienende, sich dem Gestaltungswillen des Bildhauers unterwerfende Funktion.

    Rudolf Wachter bevorzugt Pappel und Weidenholz, auch deshalb, weil es im Alterungsprozess eine angenehm samtige Oberfläche behält und bisweilen eine silbrige Patina. In die Naturform des Stammes setzt der Meister mit sicherer Hand mit der Kettensäge Schnitte, die in den Kern des Holzes eindringen oder am Stamm entlang geführt werden. Diese Kern- und Schwundschnitte verhindern, dass das Holz aufgrund von Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen gesprengt beziehungsweise dass durch den Materialschwund ein graduelles Auseinanderklaffen ermöglicht wird. Wachter bekennt: „Wenn ich ihm die Freiheit gebe, dass die Jahresringe schrumpfen oder aufquellen, sich verziehen und werfen oder gerade werden können, wenn ich ihm all das erlaube, und wenn dadurch erst die Form richtig geboren wird, dann bin ich auf dem Weg, der mir von der Natur angeboten wurde.“

    Auseinander und doch vereint

    Die Museen und Galerien können eine kleinere Holzplastik Wachters von 1990 ihr Eigen nennen, die als Schenkung des Künstlerehepaares Matschinsky-Denninghoff 2001 in die Sammlung für zeitgenössische Kunst kam: Zwei kubische Formen aus Weidenholz, die auseinander streben und dennoch in ihrem Kern untrennbar vereint sind. Ähnlich behandelt Wachter auch seine „Torsi“, die sich scheinbar schwerelos aus mehreren Kuben zusammenfügen. Die Verschachtelung und Drehung der Holzsegmente ergibt sich bereits durch den natürlichen Wuchs des Stammes.

    Die früheste in Schweinfurt gezeigte Arbeit ist die zweiteilige „Bodenskulptur“ (1985). Der schlichte helle Weidenstamm von über drei Metern Länge wurde längs geschnitten. Auf das Einfachste reduziert, schafft Struktur und Form hier Gestalt. Bei der bereits 1989 begonnenen und nachträglich als „Newgrange“ bezeichneten Serie stehen prähistorische Vorbilder nicht nur bei der Wahl des Titels im Hintergrund. Die symbolhafte Ornamentik, die Wachter in seine Holzblöcke einschneidet, erinnert ebenfalls an Zierformen der Bronzezeit. Diese Urformen hat er auf sich wirken lassen und macht sie nun mit ins Holz eingeschnittenen Wirbel- und Wellenbändern lebendig.

    „Gebrochene Räume“

    Unendlich mutet die Formenvielfalt der „Gebrochenen Räume“ an. Manche sind auf einfache Schalen reduziert, andere bestehen aus einem Bündel dicht gedrängter, bisweilen gegeneinander verschachtelter Bogensegmente. Dabei muss man sich immer vor Augen halten, dass diese nicht künstlich aneinander gefügt sind, sondern aus dem Stamm heraus gezielt in Schichten entwickelt wurden. „Meine Arbeit ist beendet, wenn das Holz erlöst ist. Wenn es seine Bewegung frei ausführen kann, ohne die Plastik zu sprengen.“

    Außer rundlichen Formen schneidet Wachter auch geometrische Räume in das Material. Diese reizen auf ihre ganz besondere Weise Perspektiven aus und bieten ein belebtes Wechselspiel von Hell und Dunkel, Innen und Außen. In der Körperhaftigkeit und in sich ruhenden Kraft der Skulpturen kann man Wachters Passion für den italienischen Maler Piero della Francesca (um 1410/20–1492) nachempfinden.

    Intuitiv ist man geneigt, die Werke mit sicherlich treffenden Attributen zu versehen, etwa „erhaben“, „würdevoll“, „ästhetisch“. Dennoch kann man sie mit Worten nicht gänzlich fassen. Von den Arbeiten geht eine Aura aus, die auf etwas Übergegenständliches abzielt, das sich mit Begriffen nicht umschreiben lässt. Man sollte dieses Phänomen einfach auf sich wirken lassen.

    „Wachter – Holz – Skulptur“, Halle Altes Rathaus, Eröffnung 24. Januar, 19 Uhr in Anwesenheit des Künstlers. Bis 23. März. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog. Führungen können gebucht werden beim Museums-Service Tel. (0 97 21) 51 21 5

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