Pfarrer Stefan Mai gestaltete am Sonntagvormittag die katholische Morgenfeier im Radiosender Bayern 1 zum Thema „Heimat“, ausgehend vom biblischen Bericht des Besuchs Jesu in seinem Heimatdorf Nazareth.
Heimat – ein Ort guter Erinnerungen, der Sehnsucht, des Glücksgefühls, ein Hort der Geborgenheit? Oder ein Ort, an dem man bei seiner Rückkehr wie Jesus in Nazareth Kälte, Skepsis und Anlehnung erfährt? „Das positive Heimatgefühl in Nazareth ist bei Jesus verschütt‘ gegangen“, meint Pfarrer Mai. „Er trifft dort auf Menschen, die ihn blockieren, denen er nichts recht machen kann, die alles beargwöhnen, bei denen er sich gehemmt fühlt.“ Was ihn anderswo berühmt gemacht hat, dazu sei er in Nazareth nicht fähig gewesen: Er konnte dort kein Wunder tun, heißt es in der Bibel. Pfarrer Mai: „Wo man auf Vorstellungen festgelegt und in Muster eingesperrt wird, sind keine Wunder möglich.“
Die „richtige“ Heimat, die Heimat seiner Jugend und seiner Familie, sei für Jesus kein Hort der Seligkeit gewesen, eher ein Hemmnisschuh für seine Entwicklung. Im Gegensatz dazu sei Jesus im pulsierenden Kafarnaum regelrecht aufgeblüht: unter Geistesverwandten, unter Menschen, die mit ihm Ideale teilen, die aufbrechen aus dem immer gleichen Alltag, die in den Augen seiner Blutsverwandten eher ein verrücktes Leben führen.
Es gebe sie wirklich, so eine Jesus-Kafarnaum-Heimat. Pfarrer Mai: „Ich kenne eine aus allernächster Nähe. In der Stadt, in der ich Pfarrer bin. Da fand sich vor acht Jahren eine Truppe zusammen, die von einem großen Projekt geträumt hat: Sie wollte 'Das große Welttheater' von Hugo von Hofmannsthal zur Aufführung bringen – in unserem Steigerwalddom. Eine Kirche sollte zum geistlichen Theatersaal werden. Ein Jahr lang wurde geprobt. Völlig unterschiedliche Menschentypen und Menschen aus völlig unterschiedlichen Schichten kamen zusammen, mussten miteinander auskommen – und kamen auch miteinander aus.
Der Kreis wurde immer größer und der Haufen immer bunter: Handwerker und Akademiker, Hausfrauen, die noch nie auf der Bühne gestanden waren, Geschäftsleute, eine schwer traumatisierte Jugendliche, die immer von ihrem Betreuer begleitet werden musste, zwei behinderte junge Männer, deren Väter weite Strecken auf sich nahmen, um ihre Kinder zu den Proben zu bringen, ein Musiker aus England, ein Geigenspieler aus Südamerika, unser Kantor, ein aus Berlin ins Frankenland gezogener Pensionist mit seinem Lebenspartner, Stadträte und Pfarrer, treue Kirchgänger, religiös indifferente, ein überzeugter Atheist, Kinder und über 80-Jährige. Bunter hätte der Haufen nicht sein können.
Nicht zu glauben, was sich in dieser Zeit alles entwickelt hat: Alle sind per Du. Über Whats-App-Gruppen werden Neuigkeiten ausgetauscht. Genauso, wenn Hilfe gebraucht wird. Und immer finden sich Freiwillige. Und jetzt das neueste Projekt: ein Theaterhaus. Eine neue Heimat für diese Gruppe. Ein ehemaliges Café, das zwischenzeitlich als Computergeschäft gedient hat, wird umgebaut. Wiederum helfende Hände. Gemeinsamer Chorgeist. Die Ausstattung wird von überallher beigetragen. Ein Treffpunkt über die Proben hinaus.
Ist das nicht eine Schuhnummer zu groß? Ein eigenes Theaterhaus? Kann man das finanzieren? Das klappt doch nie! Das waren die Bedenken, die in vielen Köpfen herumspukten. Aber es hat geklappt – und der Kreis wird immer größer. Auch die nicht unmittelbar am nächsten Theaterprojekt beteiligt sind, bleiben in die Theatergruppe eingebunden. Vielleicht ist es geradezu prophetisch, dass das erste große Projekt im neuen Haus unter dem Titel steht: 'beheimatet'.“
Und Pfarrer Stefan Mai zum Abschluss der Rundfunksendung: „Nicht zu glauben: Die Jesus-Kafarnaum-Heimat-Idee hat auch in unserer Zeit eine Chance – und wird ihre Bedeutung nie verlieren.“
Die Sendung zum Anhören unter: https://www.br.de/mediathek/podcast/katholische-morgenfeier/nazaret-heimat-und-kafarnaum-heimat-verkuendigungssendung/1001550
Zum Nachlesen: https://www.br.de/themen/religion/sendungen/morgenfeiern/kath-20180708-morgenfeier-100.html