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SCHWEINFURT: Das war gut! Tim Fischer singt Georg Kreisler

SCHWEINFURT

Das war gut! Tim Fischer singt Georg Kreisler

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    Idealer Kreisler-Interpret: Der Sänger und Schauspieler Tim Fischer kommt ins Theater.
    Idealer Kreisler-Interpret: Der Sänger und Schauspieler Tim Fischer kommt ins Theater. Foto: Foto: Stefan Malzkorn

    Zwei gegensätzlichere Erscheinungen sind schwer vorstellbar: der eine, Georg Kreisler, saß immer wie ein großer Eulenvogel am Klavier und blickte missmutig und angriffslustig durch dicke Hornbrillengläser ins Publikum. Der andere, Tim Fischer, eilt strahlend auf die Bühne – drahtig, verbindlich und auf eine etwas bubenhafte Art glamourös. Aber wenn Tim Fischer die Songs von Georg Kreisler singt, dann entsteht eine Verbindung: Die „alten, bösen Lieder“, die „Everblacks“, die „nichtarischen Arien“ des Wiener Extremanalytikers und Extremlyrikers sind absolut zeitlos. Und ja, sie eignen sich sogar für eine ordentliche Dosis Glamour. Der Songtitel „Das war gut!“ ist demnach als Motto für den Abend weise gewählt.

    Vorausgesetzt, der Interpret hat die Ausstrahlung eines Tim Fischer. Der hat die vielleicht 300 Besucher im Theater der Stadt Schweinfurt spätestens im dritten Song in der Hand. Weil er in seinem cremefarbenen Dreiteiler (ohne Hemd) auf der Bühne steht, als gehöre er nirgendwo anders hin, und so ist es wohl auch. Weil man jede Silbe der unfassbar brillanten Texte genau versteht. Weil jede noch so überraschende oder versteckte Pointe mit genauestem Timing zündet. Weil Tim Fischer vom sarkastischen UFA-Kasernenhofton bis zur zärtlichstmöglichen Lyrik jede Stimm- und Gemütslage drauf hat. Weil es einfach Freude macht (so drückt er selbst es denkbar unpathetisch aus), jemanden mit so viel Können und Spaß zu erleben. Und nicht zuletzt, weil Rüdiger Mühleisen am Flügel höchst kundig und sensibel sekundiert.

    Für „Tauben vergiften“ gönnt sich Tim Fischer tatsächlich eine ordentliche Prise Wienerisch, später wird vor allem das virtuos gerollte Rrrr die Verbindung zum Schöpfer all dieser Juwelen aufrechterhalten. Kreisler hat sich immer dagegen verwahrt, als Kabarettist bezeichnet zu werden. Tatsächlich ist er Dichtern wie Tucholsky, Kästner oder dem großen Egon Friedell weitaus näher. Wo Kreisler politisch ist, ist er vor allem menschlich. Schließlich kristallisieren sich in der Politik am eindrucksvollsten die Schwächen des Menschen an sich. Was wiederum die Figur des Staatsbeamten hervorbringt: „Doch ich krieche sehr gut und auch gern, marsch, marsch, marsch / In den Arsch, in den Arsch, in den Arsch!“

    Tim Fischer hat ein genaues Gespür für die die aberwitzigen Ausgangspositionen, die absurden Wendungen, die hanebüchenen Abzweigungen, die Kreisler so gerne nimmt. Seiner diversen Freundinnen entledigt er sich mehr oder weniger elegant – wo sonst könnte sich Janine auf Strychnin – reimen? –, aber dem (ebenfalls schwer kriminellen) Mütterlein („Man kann beinah' sagen, ohne dich / Wär ich heut' nicht auf der Welt“) setzt er ein tief empfundenes Denkmal: „Brachtest du mir liebend bei / Nie Revolver anzugreifen / Außer gegen die Polizei“.

    Die Zusammenstellung aus beißendem Spott, absurder Klarheit, lustvollem Nonsens und lakonischem Weltschmerz ist ebenso unterhaltsam wie bewegend. Das „Tigerfest“ ist ein großer Spaß – für die Tiger, nicht die Gäste, die allesamt verspeist werden. „Weg zur Arbeit“ aus dem Jahr 1968 ist eine stille Abrechnung mit der Wiederkehr der (meisten) alten Nazis: „Der ist gute 65, also muss er was gewesen sein.“ „Wenn alle das täten“ ist ein fröhlicher Aufruf zur Verweigerung und „Ich brauche nichts“ eine Demaskierung der großdeutschen Träume großbürgerlicher Bonzen.

    Aber die Welt zieht weiter, und bringt ihre eigenen, ganz und gar unpoetischen Absurditäten hervor. Kreisler und Fischer begegnen ihnen dennoch höchst poetisch: „Aus blauem Glase macht man heute gar nichts / Nur Plastik / Ganz hastig! / Die blauen Gläser liegen in der Lade – Gerade Wie wir!“

    Am Ende ist der Jubel des Publikums beträchtlich. Tim Fischer ist sichtlich bewegt und dankt: „Also, ich habe die anderen gar nicht vermisst.“ Und auch wenn der Onkel Joschi als Zugabe den Abend eher humoristisch beschließt, so bleibt doch ein anders Schlusswort hängen, das eines Tages für jeden von uns gelten wird: „Herr Ober – Ich zahl'!“

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