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SCHWEINFURT: Das zerbrechliche Haus der Seele

SCHWEINFURT

Das zerbrechliche Haus der Seele

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    Konzentration und Präzision im OP: Neurochirurg Johann Romstöck richtet kurz vor einer Gehirnoperation das steril verpackte Mikroskop aus. Anand Anders
    Konzentration und Präzision im OP: Neurochirurg Johann Romstöck richtet kurz vor einer Gehirnoperation das steril verpackte Mikroskop aus. Anand Anders Foto: Foto:

    Im Rahmen der Arzt-Patienten-Seminare sprach Privatdozent Dr. Johann Romstöck, Chefarzt der Neurochirurgischen Klinik im Leopoldina, zum Thema „Hirnblutungen und Hirntumore im höheren Lebensalter – gibt es auch hier eine sinnvolle Therapie?“. Bei beiden Erkrankungen handelt es sich um dramatische Einschnitte in das Leben der Betroffenen mit oft schicksalhaften Folgen.

    Romstöck weist darauf hin, dass die erfreuliche Zunahme der Lebenszeit auch mit einer deutlichen Zunahme dieser Hirnerkrankungen verbunden sei: „Mehr gesunde Jahre und mehr kranke Lebensjahre“. Anschaulich erklärt er das Zentralnervensystem, das das Rückenmark und das Gehirn mit insgesamt 100 Milliarden Nervenzellen umfasst. Und er zitiert nach Shakespeare „Das Gehirn – das zerbrechliche Haus der Seele“.

    Hirnblutung: Jede Minute zählt

    Zwar beruhe die überwiegende Zahl der Schlaganfälle auf einem plötzlichen Gefäßverschluss im Gehirn (Hirninfarkt), doch 10 bis 15 Prozent aller Schlaganfälle erweisen sich als Hirnblutungen, fünf Prozent werden durch einen Einriss eines deformierten Blutgefäßes (Aneurysma) verursacht. Eine Computertomografie schafft hier für die Diagnose und Therapie Klarheit.

    Eine Hirnblutung ist immer ein medizinischer Notfall. Er erfordert eine schnellstmögliche Therapie in einem Krankenhaus, das über neurologische und neurochirurgische Kompetenz unter einem Dach verfügt. Je größer der Bluterguss wird, desto größer wird der Druck innerhalb des knöchernen Schädels, wodurch Hirngewebe zugrunde geht (Time is Brain).

    Symptome einer Hirnblutung

    Häufige Beschwerden bei einer Hirnblutung sind oft nur unspezifische Symptome wie plötzlich eintretende starke Kopf- und Nackenschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Aufmerksamkeitsstörungen. Bei plötzlichen, starken Hirnblutungen kann es zur Bewusstseinsstörung oder Bewusstlosigkeit kommen. Abhängigkeit von der Stelle der Hirnblutungen können auftreten: Einseitiger Verlust der Druck- oder Berührungsempfindlichkeit der Haut, eine einseitige Lähmung des Körpers, Sehstörungen, Augenzucken, Bewegungs- oder Sprachstörungen, epileptische Anfälle.

    Ausführlich erläutert Romstöck die Arten der Hirnblutungen. Treten sie im Hirngewebe selbst auf, spricht man von einer intrazerebralen Blutung. Hirnblutungen können aber auch über oder unter der harten Hirnhaut entstehen, welche das Hirngewebe als äußerste Schicht umgibt. An erster Stelle der Ursachen bei Hirnblutungen stehen Unfälle, gefolgt von Gefäßmissbildungen und Gefäßzerreißungen bei Arterienverkalkung – Anzeichen eines jahrelangen Bluthochdrucks.

    Ist es zu einer blutenden Hirnverletzung und Hirnschwellung gekommen, entscheidet eine sofortige neurochirurgische Notoperation innerhalb weniger Minuten über das Schicksal der Verletzten. Allgemein müsse die Notwendigkeit einer neurochirurgischen Operation nach klaren Kriterien gestellt werden, betont Romstöck.

    Operiert werde bei einer kritischen Hirndruckerhöhung, bei einem Aufstau der Gehirnflüssigkeit, bei oberflächennahen Blutungen größeren Ausmaßes, bei Vergrößerung des Blutergusses und Bewusstseinsverschlechterung, bei einer raumfordernden Kleinhirnblutung und vor allem bei dem mutmaßlichen Patientenwunsch. Bei wenig raumfordernden Stammganglien-Hämatomen, bei langer Vorgeschichte, bei erheblichen Vor- und Begleiterkrankungen oder ausdrücklicher Ablehnung (Vorsorgevollmacht, Angehörige) werde dagegen nicht operiert.

    Hirntumore immer operieren?

    In Deutschland gibt es jährlich 7000 Hirntumor-Neuerkrankungen: Das sind zwei Prozent aller Tumorerkrankungen bei Erwachsenen in der zweiten Lebenshälfte, 20 Prozent von allen kindlichen Tumorerkrankungen. Hirntumore lassen sich nach ihrem Ursprungsgewebe einteilen. Am häufigsten gehen sie von den Stützzellen im Gehirn aus, sie können aber auch von den Hirnhäuten ausgehen (gutartige Meningiome). Zwei Drittel aller Hirntumore sind gutartig. Hirnmetastasen sind Tochtergeschwülste von Krebsarten anderer Organe.

    Ein Hirntumor wird durch neurologische Defizite je nach Lokalisation erkannt: Lähmungen, Sprach- und Sehstörungen, Hirnnervendefizite, epileptische Krampfanfälle. Andere Symptome sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Kraft- und Antriebslosigkeit, Bewusstseinsstörungen. Die ausführliche Diagnostik klärt die Fragen: Bösartiger oder gutartiger Tumor oder Metastase? Langsam oder schnell wachsend? Abschätzung der verbleibenden Jahre, die Entscheidung Spontanverlauf oder Therapie? Letztlich gehe es um die Fragen nach Heilung, Linderung und dem Respekt vor der Natur, so Romstöck.

    Patientenentscheidung akzeptieren

    Weil bei den Patienten die Diagnose und Therapie eines Hirntumors sehr angstbesetzt sei, stelle ein Gespräch auch an die Ärzte besondere Anforderungen, sagt Romstöck: Zeit lassen, das Thema mit einfachen Begriffen verständlich erarbeiten, das Ergebnis offen lassen, aber bei der Entscheidung helfen, dem Patienten die Möglichkeit geben, „nein“ zur Operation zu sagen und seine Entscheidung – nach einer Bedenkzeit – zu akzeptieren.

    Das numerische Alter in Jahren sei dabei oft weniger entscheidend als die Persönlichkeitsstruktur des Patienten. „Nicht alles, was machbar ist, muss gemacht werden – aber es ist mehr machbar, als oft angenommen wird“, erklärt Romstöck. Und er zitiert Cicely Saunders: „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben“.

    In der Neurochirurgischen Klinik des Leopoldina werden die Operationen mikrochirurgisch und minimalinvasiv durchgeführt. Zur absolut exakten, millimetergenauen Lokalisation dient die Navigationstechnik, das Neuromonitoring zeigt während der Narkose und Operation schon frühzeitig drohende Ausfallserscheinungen an und verhindert sie so. Das neue Operationsmikroskop ermöglicht eine Blutgefäßdarstellung (Infrarot-Angiografie) am offenen Gehirn. Außerdem spielt es anatomische Orientierungshilfen im Blickfeld des Operateurs als „head-up-display“ ein.

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